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Profil: Nachrichten der HNG

 

Nachrichten der HNG

Von Patrick Schwarz (apabiz)

Berichte vom »Repressionsterror« und von »nationaler Gefangenenarbeit«

Jeden Monat verschickt die »Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene« (HNG) ihren Rundbrief »Nachrichten der HNG« an ihre Mitglieder und Interessenten. Weder das Layout noch der Inhalt hat sich seit der ersten Ausgabe vor fast 30 Jahren wesentlich geändert. Im Mittelpunkt stehen die vermeintlich harte Repression gegen »nationaldenkende Menschen« und die Arbeit der HNG für Neonazis und Holocaustleugner fernab von jeglicher Gruppenzugehörigkeit.

Die »Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene« (HNG) sieht es als ihre Hauptaufgabe an, neonazistische Gefangene zu betreuen. Seit beinahe eben so langer Zeit veröffentlicht die Organisation die »Nachrichten der HNG«, mit der sie ihre wohl nicht minder weit rechts stehende Leserschaft über das Vorgehen der Behörden und die Situation der inhaftierten Neonazis informiert. Im Mittelpunkt hierbei steht die Bestätigung der neonazistischen Gegenposition zur Demokratie. Die aktuelle Auflage des Heftchens dürfte, gemessen an der Zahl von rund 600 Mitgliedern plus einigen hundert Exemplaren zu Werbezwecken, bei ungefähr 1.000 Stück liegen.

Von Hess bis Schwarze Liste

Wie bei der ersten Ausgabe, die im Mai 1980 erschien, prangt das Logo der HNG auch auf der aktuellen Ausgabe des schmalen Mitteilungsheftes – inzwischen bei der Zählung deutlich über dreihundert angekommen. Auch inhaltlich hat sich wenig in den fast drei Jahrzehnten seiner Herausgabe geändert. Auf maximal 20 Seiten im A5 Format stehen die neonazistische »Bewegung« und die »Eingriffe des BRD-Regimes in die politischen Grundrechte nationaldenkender Menschen« im Mittelpunkt. Gegenstand der Berichterstattung ist ihre »Gefangenenhilfe und Fälle staatlicher Repression«.
Kontinuierlich finden sich auch das Konterfei des Hitlerstellvertreters Rudolf Hess und die damit verbundene neonazistische Stilisierung zum »Märtyrer des Friedens« und der vermeintliche »Mord durch das BRD-System« in fast jeder Ausgabe.

Kontaktvermittlung

Der ständige Aufruf zur ideellen und materiellen Unterstützung der Gefangenen ist verbunden mit dem regelmäßigen Abdruck einer Gefangenenliste. Hierbei werden bekannte und verurteilte Holocaustleugner neben wegen Körperverletzung verurteilten Mitgliedern aus dem Kameradschaftsspektrum mit der Anschrift der Haftanstalt aufgeführt. Am Anfang dieser Liste stehen in der Regel einige wenige, extra hervorgehobene Inhaftierte, wie zum Bespiel in der Vergangenheit der Kameradschaftsfunktionär Axel Reitz, die Holocaustleugner Ernst Zündel oder Germar Rudolf sowie Michael Regener, der Sänger der Band »Landser«. Im Anschluss folgen höchstens ein Dutzend Gefangene aus »Ausland und BRD-Postausland«, sprich Österreich. Aktuell findet sich unter dieser Rubrik auch der Kriegsverbrecher Erich Priebke, über dessen Schicksal exponiert von den Herausgebern berichtet wird. Am Ende dieser Auflistung folgen Personen, die Briefkontakt wünschen.
Die Anzahl variierte in den letzten Jahren zwischen 25 und 40 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet. Nur zu Beginn der »Nachrichten der HNG« wurden Mitglieder der Hilfsgemeinschaft unter den Gefangenen kenntlich gemacht. Ein Großteil der aufgeführten Personen ist wieder in der Rubrik »Briefe an den Vorstand« mit dem Abdruck ihrer Schreiben an die Vorsitzende Ursel Müller und ihren Mann Kurt zu finden. Beschrieben werden in der Regel die individuellen Haftbedingungen verbunden mit neonazistischen Äußerungen zur BRD im Sinne der HNG. Die Gefangenen verdeutlichen hierbei ihre politische Verfasstheit innerhalb der neonazistischen Wertevorstellungen.
Diese Briefe sind und waren immer fast ausschließlich direkt an die jeweiligen Vorsitzenden der HNG gerichtet und beginnen oft mit der Begrüßung »Liebe Ursel«. Dies zeigt die zentrale Funktion der HNG-Vorsitzenden als »Mutter der Kompanie« für die Gefangenen und die Hilfsgemeinschaft.

Kameraden unter sich

Inhaltliche Artikel direkt von der HNG sind in der Regel nicht im Heft zu finden. Es wird stattdessen auf die Veröffentlichungen verschiedenster rechter Zeitschriften oder neonazistischer Kameradschaften und Gliederungen der NPD zurückgegriffen. Den rechten Vereinigungen »Deutsches Rechtsbüro« und »Deutscher Rechtsschutzkreis« werden hierbei viel Raum für ihre Darstellungen zu aktuellen Urteilen und Verfahren gegen Neonazi-Strukturen eingeräumt. Beide Organisationen übernehmen hierbei vor allem die eher theoretische Auseinandersetzungen mit der »politischen Verfolgung« der Neonazis und vermitteln auch erfahrene »Szene-Anwälte«.
Zur Disziplinierung der Zahlungsmoral der HNG-Mitglieder wird seit 1993 eine »Schwarze Liste« der säumigen Mitglieder als feste Rubrik im Heft veröffentlicht. Immer wieder finden sich in dieser Auflistung – etwa 20 bis 40 Personen – auch etliche Neonazi-Kader, wie beispielsweise Björn Wild oder Oliver Schweigert (beide Berlin) sowie Thomas Gerlach (Thüringen).
Eine wichtige Rolle des Szeneorgans nehmen die Heirats-, Geburts-, aber auch Sterbeanzeigen von Mitgliedern der HNG oder Nahestehenden im Heft ein. Auch die Spender der HNG, sowohl Einzelpersonen als auch Organisationen, finden in der jeweiligen Ausgabe anonymisiert Erwähnung. Darunter sind neben Kameradschaften und vereinzelten NPD-Gliederungen auch verschiedenste Rechtsrocklabels vertreten. Den Abschluss des Heftes bildet die Rubrik »Das Ketzerbrevier« in Form von Gedichten mit Titeln wie »Keine multicriminale Verrassung des Deutschen Volkes« oder »Erfolgreiche Umvolkung« des SS-Dichters Kurt Eggers.

Schriftleitung

Als erster Herausgeber der »Nachrichten der HNG« fungierte der erste Vorsitzende Henry Beier, der in Strukturen der sogenannten »neuen NSDAP« eingebunden war. Als Nachfolger übernahm Volker Heidel von 1984 bis 1989 das Amt des Schriftleiters des Mitteilungsblattes. Der ehemalige JN/NPD-Funktionär Markus Privenau war im Anschluss bis 1992 als Verantwortlicher tätig. Nach einigen weiteren Führungswechseln in der Leitung der Zeitschrift übernahm Christian Wendt 1998 das Amt. Dieser war damals Funktionär der Neonazi-Vereinigung »Die Nationalen e. V.« unter Leitung des jetzigen thüringischen NPD-Landesvorsitzenden Frank Schwerdt. Seit 2002 wird das Amt der Schriftleitung der »Nachrichten der HNG« offiziell von Mareike Brauchitsch ausgeübt. Dieser Name der Verantwortlichen im Sinne des Presserechts ist vermutlich ein Pseudonym. Trotz der zahlreichen Wechsel der Schriftleitung kam es zu keinen entscheidenden inhaltlichen Veränderungen fernab der bewährten Schwerpunkte »Gesinnungsjustiz«, Verehrung von Rudolf Hess und parteiübergreifende »nationale Gefangenenhilfe«.

Blatt der Szene

Die »Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene« nimmt innerhalb des neonazistischen Spektrums – aufgrund ihres Arbeitsschwerpunktes Repression und Gefangenenhilfe – eine zentrale Rolle ein. Bei ihrer Arbeit interessiert sie sich nicht für die jeweilige Gruppenzugehörigkeit der Betroffenen, sondern nur für deren »nationale Gesinnung«. Diese selbsterklärte Neutralität gegenüber vorhandenen Meinungsdifferenzen innerhalb der Neonazi-Szene bestärkt die Funktion der HNG als Bindeglied für das gesamte Spektrum. Über die Arbeit der HNG als Hilfsgemeinschaft für von Repression betroffene Neonazis hinaus sind die »Nachrichten der HNG« ein bedeutender Multiplikator bei der eigenen Stilisierung als Opfer des »BRD-Systems« und dessen Vorgehen gegen »nationaldenkende Menschen«. Sie sprechen dabei eine Vielzahl von Neonazis an, die bereits persönliche Erfahrungen mit den Justizbehörden hatten oder bereiten diese vor. Hierbei formiert die HNG in ihren Nachrichten wirkungsvoll die »nationale Bewegung« als Schicksals- und Opfergemeinschaft aufgrund ihrer »ungerechtfertigen« Verfolgungen und Bestrafungen durch die Justizbehörden.
Die in den »Nachrichten der HNG« veröffentlichten Briefe und Adressen der Gefangenen sind nicht nur Berichte über die Unterstützungsarbeit des Vereins, sondern sie lassen damit die oft eingeforderte »nationale Solidarität« als real und machbar erscheinen.

Quelle: DERRECHTERAND | Nummer 117 | März | April 2009

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