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HNG
»Werdet Mitglieder und helft den Kameraden im Knast! Solidarität
ist unsere Waffe!«. Die HNG ist die am Längsten kontinuierlich
aktive Gefangenenhilfsorganisation der extremen Rechten, demnächst
feiert sie ihr dreißigjähriges Bestehen. Ihr Logo besteht
aus einem aufrechten Rechteck mit den Farben schwarz, weiß,
rot. In der Mitte ist ein vergittertes Fenster abgebildet, an dessen
Stäbe »von innen« ein Paar Hände fassen. Sie
sollen wohl die verzweifelte Lage des Inhaftierten symbolisieren.
Gegründet wurde die HNG am 20. April 1979 in Frankfurt am Main
als überparteiliche Organisation. Dem ersten Vorstand gehörten
Wolfgang Koch, Maria Horn und Henry Beier, der vorher bereits bei
der »Braunen Hilfe« in Bremen war, an. Am 23. August
2008 referierte er auf Einladung durch den »Arbeitskreis Politik«
aus dem Spektrum der »Freien Kameradschaften« in Dresden.
Mitglied werden, hieß es schon damals im Vereinsstatut, könne
jeder, »der Nationale Interessen vertritt.« Diese würden
»vorrangige Unterstützung bei eventueller Verhaftung«
erhalten. Das beinhalte: »Bei Festnahme, die mit Haft bedroht,
wird nach sofortigem Bekanntwerden ein Anwalt eingeschaltet«.
Ferner verpflichtete sich der Verein »nach mindestens vierzehntägiger
Haft [...] Kontakt zur Familie des Inhaftierten aufzunehmen«.
»Bei längerer Haftzeit«, heißt es weiter,
verpflichte sich die HNG, »sich um finanzielle Sorgen der
Familie d. h. um die Lebensgrundlage zu kümmern. Für etwaige
Schulden, Luxus und dergleichen kommt sie nicht auf«. Allerdings
hebt der Verein hervor, dass »Waffenhandel und Rauschgift«
nicht unterstützt werde und betont, dass die HNG »keine
politische Organisation« sei und »keinerlei politische
Propaganda« betreibe. In den folgenden Jahren wurde diese
Satzung mehrfach überarbeitet. Zum Vereinszweck heißt
es heute in § 2: »Die HNG verfolgt ausschließlich
und unmittelbar karitative Zwecke, indem sie nationale politische
Gefangene und deren Angehörige im Rahmen der ihr zur Verfügung
stehenden Mittel unterstützt«. Doch das finanzielle Volumen,
über das der Verein verfügen kann, ist begrenzt. Mitglied
kann im Übrigen »jede Person unabhängig vom Geschlecht
werden, mit Ausnahme Inhaftierter, die aus anderen als politischen
Gründen sich in Haft befinden«. Immerhin, die HNG versteht
sich als »parteipolitisch, konfessionell sowie wirtschaftlich
neutral«. (...)
Hilfeleistung
Die HNG entfaltet wenig Außenwirkung. Monatlich publiziert
der Verein ein Heft im DIN-A5 Format, ansonsten ist es bis auf Spendenaufrufe
in verschiedenen Zeitungen ruhig um die Organisation. Doch diese
Ruhe sollte nicht täuschen. Das Spezialgebiet der HNG ist die
ideelle Hilfe, sie organisiert Kontakte zu den inhaftierten Gefangenen,
um diese im Gefängnis bei der Stange zu halten. »Die
H.N.G. sieht es als ihre Aufgabe, den ›PVD´s‹
– den politisch Verfolgten der Demokratie – zu helfen«,
erklärte Ursula Müller 1996 im Gespräch mit dem Fanzine
»Hamburger Sturm«. Die Satzung der HNG regelt, was die
Vereinsmitglieder zu erwarten haben. Doch im Gegensatz zum früheren
Leistungskatalog heißt es jetzt nur noch lapidar: »Jedem
Mitglied steht die satzungsgemäße Hilfe und Unterstützung
zu, sofern es mindestens ein halbes Jahr dem Verein angehört.
Ausnahmefälle können vom Vorstand beschlossen werden«.
Plastischer wird das mit den Worten von Ursula Müller im Interview
mit dem Fanzine »KdF«: »Die Betreuung besteht
in erster Linie in der brieflichen Verbindung mit den Inhaftierten.
Es werden Pakete zu den »drei Feiertagen« – Geburtstag,
Ostern und Weihnachten – verschickt, sofern dem Vorstand Paketmarken
vorliegen. Briefmarken, die immer Mangelware sind, werden den Briefen
beigelegt, darüber hinaus und soweit es unsere bescheidenen
Finanzen erlauben«, erklärt sie weiter, »zahlt
die HNG auch für einen Anwalt«. Doch die dürften
nicht sehr umfangreich sein. Laut »Bundesamt für Verfassungsschutz«
soll die HNG rund 600 Mitglieder haben – der Mitgliedsbeitrag
beläuft sich auf vier Euro ermäßigt »für
sozial Schwache« und sieben Euro normal. Hinzu kommen Spenden,
die teilweise von Einzelpersonen und Kameradschaften stammen. Manche
dieser Spenden resultieren aus Solidaritätsaktionen wie extra
für die HNG organisierten Konzerten als auch der Herstellung
einer Mini-CD-Compilation mit RechtsRock-Bands sowie dem Vertrieb
des »HNG-Unterstützerhemds: vorne - »Ungebrochen«,
hinten – »Im Geiste frei«, Ärmel –
HNG Logo s-w-r, Lieferbar in allen Größen«.
Letztendlich sind die »HNG-Nachrichten«
von besonderer Bedeutung, da darin Listen mit Inhaftierten, die
Briefkontakt wünschen, samt deren JVA-Adresse abgedruckt werden.
Als vor einigen Jahren RechtsRock-Fanzines noch verbreiteter waren,
wurden diese Listen darin teilweise nachgedruckt. »Liebe Ursel«,
beginnen ein ums andere mal jene Antwortbriefe, die dann in den
»Nachrichten« abgedruckt werden, »vielen Dank
für Ihren Brief. Mir geht es soweit gut und neue Brieffreundschaften
konnte ich auch schon schließen. Es baut einen unwahrscheinlich
auf, Post von Kameraden zu bekommen und mit diesen Gedanken- und
Erfahrungen auszutauschen. Deshalb an dieser Stelle noch mal ein
riesiges Danke für die Aufnahme in die HNG Liste!«.
SozialarbeiterInnen, die mit Inhaftierten zu tun haben, beobachten,
dass die HNG und ihre Aktivisten teilweise gezielt versuchen, Kontakt
zu Gefangenen aufzubauen, die weder Mitglied sind noch selbst um
Unterstützung ersucht haben. Dabei wird es wohl, wie auch bei
der Unterstützung der eigenen Mitglieder, darum gehen, zu verhindern,
dass sich die Inhaftierten in dieser schwierigen Situation vom politischen
Kampf verabschieden.
Doch ganz ohne Konsequenzen ist der Kontakt zur HNG für die
Inhaftierten nicht. Auch wenn die Justizvollzugsangestellten in
der Regel kaum dafür ausgebildet sind, solche die Resozialisierung
gefährdenden Kontakte zu unterbinden, kann ein Briefwechsel
mit der HNG oder der Bezug der »Nachrichten« Konsequenzen
haben. In der JVA untersteht die Post der Kontrolle und unter Umständen
wird vermerkt, dass ein Inhaftierter mit der neonazistischen Organisation
oder anderen Neonazis Kontakt unterhalten hat, was, im Fall eines
Antrags auf Haftverschonung die ersehnte Verkürzung der Strafe
gefährden kann. (...)
Fazit
Die HNG ist eine im neonazistischen Spektrum viel zu wenig beachtete
Organisation. Anders als die »Gesellschaft für freie
Publizistik«, Parteien wie die NPD oder militante Kameradschaften
sucht sie nicht direkt die intellektuelle, parlamentarische oder
konfrontative Auseinandersetzung, sondern sie versucht die inhaftierten
»Kameraden« in den JVAs mit dem Aufbau von Brücken
und Kontakten auf Linie zu halten. Die Haftzeit bleibt so zwar eine
Zäsur im Leben des Aktivisten, aber keine Zeit, in der er sein
Leben überdenkt und vielleicht einen anderen Weg einschlägt.
Siehe auch -> Nachrichten
der HNG
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Der HNG-Vorstand |
Der
Vereinsvorstand hat sich seit 1979 mehrfach geändert.
Maria Horn schied bereits 1982 aus dem Gremium aus, woraufhin
Friedrich Wüster neu hinzukam. 1984 schied Henry Beier
aus, dafür rückten Christa Goerth von der »Aktionsfront
Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten« und Wolfram
Mook auf.
1991 wechselte der komplette Vorstand: Ursula Müller,
geborene Jung, wurde mit ihrem Ehemann Kurt Franz Müller
Vorstandsmitglied, neben Christian Malcoci (Jüchen),
Waldemar Niklas (Mainz), Markus Privenau (Bremen), Friedrich
Illian (Wetzlar) und Christian Sennlaub (Witten). Malcocci,
Privenau und Sennlaub wurden zwei Jahre später, 1993,
von Norbert Weidner (Bonn), Fritz Cuhrts (Ketzin) und Detlef
Glock (Salzkotten) ersetzt.
Drei Jahre später vollzog sich der nächste Wechsel.
Niklas, Weidner, Cuhrts und Glock schieden aus dem Vorstand
aus, Heinz Steinbrecher (Sprendlingen), Hildegard Illian (Wetzlar),
Andreas Marhauer (Hildesheim) und Sylvia Endres, heute verheiratete
Fischer (Erolzheim) rückten nach. 1999 kam schließlich
noch Christian Wendt (Berlin) neu dazu.
Identifiziert wird die HNG aber in erster Linie mit dem Ehepaar
Müller beziehungsweise mit Ursula Müller. Vor einigen
Jahre sprach die heute 75-Jährige noch häufi ger
auf Veranstaltungen des neonazistischen Spektrums, mittlerweile
aber ist es ruhiger um sie geworden. |
POW - Prisoners of war |
In
ihren »Nachrichten« verweist die HNG stets auch
auf ähnliche Organisationen im Ausland. Oft wird im internationalen
Sprachgebrauch das aus dem angelsächsischen Sprachraum
stammende Kürzel POW für die inhaftierten »Kameraden«
benutzt: »Prisoner of War«. Verbunden ist damit
die Aussage, dass die verurteilten Gewalttäter und Mörder
– Delikte wie Volksverhetzung sind in den Ländern
häufig aufgrund einer anderen Rechtsgeschichte nicht
justiziabel – Gefangene im Krieg gegen beziehungsweise
mit dem »System« seien.
Manche dieser Organisationen werden, wie »Women for
Aryan Unity« von den Frauen der Inhaftierten getragen.
Auch in Deutschland gab es 1997 den Versuch, eine solche Interessengruppe
unter dem Namen »Einfach ins kalte Wasser geworfen!«
zu gründen. Doch die von der HNG aufgeführten ausländischen
Hilfsorganisationen wie zum Beispiel das »Collectif
d´ Entraide aux Prisonniers Europeens« (C.E.P.E.)
aus Frankreich bestehen weder so lange wie die HNG noch verfügen
sie in der Regel über jenen Alleinvertretungsanspruch
wie die HNG in Deutschland. |
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