Hydra Verlag
Gründungsjahr: 2019
Inhaber: Michael Schäfer (Dresden)
Texter (Auswahl): Federico Goglio, Dylan Martres, Manuel Nachtmann, Michael Schäfer, Volker Zierke
Zeichner*innen (Auswahl): Anho, Ben Gunn, Christian Illner, Remata’Clan, s.z.e.n.a.r.i.o, Wolf.PMS
Mit dem Hydra Verlag verbreitet Michael Schäfer Comics »gegen den Mainstream«. Internetauftritt, Marketingprodukte, Blog und Podcast, Verlags- und Leser*innentreffen gehören zum intensiven Community-Building und Marketing des Kleinst-Verlags, der sich auf identitäre Comic-Liebhaber*innen spezialisiert hat.
Der Verlag referiert nicht nur auf extrem rechte Kultur, sondern auch auf weltweit beliebte Comic-Welten wie das Marvel-Universum. Hydra ist hier eine Geheimorganisation, die entweder aus einer SS-Division heraus entstanden ist oder mit dem nationalsozialistischen Deutschland verbündet war. Verlegt werden die eigene Comicreihe »Die politisch unkorrekten Bildgeschichten«, Graphic Novels sowie zahlreiche eingekaufte Produkte, etwa Übersetzungen aus anderen Verlagen. Besonders wichtig ist dem Verlag die Selbstbezeichnung »nonkonform«, Motto ist die Gegnerschaft gegen die »Woken« und »Gleichgeschalteten«. Die verlagseigenen Fortsetzungscomics verhandeln laut Schäfer »die kaputte Welt« und dabei vordergründig gesellschaftsrelevante Themen wie Politik, Religion oder Zukunftsvorstellungen wie z.B. Zeitreisen. Referenzen auf extrem rechte Gedankenwelten und Ästhetik sind darin ebenso zahlreich zu finden wie weit verbreitete Kampfbegriffe. In der dystopischen Zukunft der Hydra Comics werden extrem rechte Verschwörungsideologien bestätigt: die Islamisierung des Abendlandes, Hinterzimmerpolitik der »Gutmenschen« à la Greta Thunberg oder der Sturz des Patriarchats. Der Protagonist findet nur durch körperliche Arbeit in der Natur zu seiner wahren Männlichkeit, bevor er es mit derart finsteren Mächten aufnehmen kann. Oftmals textet Schäfer selbst, Autoren wie Volker Zierke (Jungeuropa Verlag) und das weitere Umfeld dürfen sich ausprobieren. Assoziierte Künstler wie Galstarr (Claudio Naber) und Wolf.PMS sind fester Teil der identitären Szene.
Michael Schäfer, der bereits als Bundesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation JN das Medium Comic für sich entdeckt hatte, versucht mit Hydra sowohl (junge) Erwachsene als auch Familien anzusprechen. Veröffentlichungen wie die mehrbändigen Hamsterlegenden aus dem ukrainischen Verlag The Will Productions oder der Comic des italienischen Neofaschisten Federico Goglio über Yukio Mishima sind Ausdruck eines rechten Geschichtsrevisionismus und verdeutlichen zugleich das Netzwerk und die Übersetzungstätigkeiten des Verlags. Die Legenden aus Hamsterland erwecken den Anschein einer harmlosen Rittergeschichte für Kinder, transportieren jedoch ethnopluralistische und antifeministische Ideen unter Verwendung antisemitischer Bilder und Sprache. Ein zuletzt veröffentlichter Comic über ein Kriegsverbrechen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg lässt sich als Teil der extrem rechten Strategie begreifen, den erinnerungskulturellen Fokus auf deutsche Opfer zu richten, um so implizit die deutschen NS-Verbrechen relativieren zu können. Neben den eigenen Veröffentlichungen vertreibt Hydra über seinen Online-Versand auch Comics aus größeren Verlagshäusern. Bei diesen kann davon ausgegangen werden, dass sie auf neurechte Lesart interpretierbar sind. Die Hydra-Produkte sind auch bei anderen extrem rechten Online-Versänden wie Sturmzeichen, Antaios, Compact oder im Buchhandel erhältlich.
Der Hydra Verlag ist Teil des identitären Netzwerks um weitere Projekte und Verlage wie Oikos, Jungeuropa oder Ein Prozent e.V., an dem Schäfer ebenfalls beteiligt ist und der den Comic-Verlag etwa über Crowdfunding unterstützt. 2022 vergab der AfD-Abgeordnete Roger Beckamp ein Stipendium an den Verlag. Die Reaktionen aus der eigenen Szene sind vor allem positiv. Die internationalen Buchprojekte verdeutlichen die tiefgreifende Vernetzung in die europäische extreme Rechte. Das Angebot entspricht dem Wunsch nach einer Gegenkultur. Selbst die Comicszene ist also Ziel einer extrem rechten metapolitischen Strategie geworden und bietet unter anderem mit Hydra Comics ein sub- und popkulturelles Identifikationsangebot.
Der Text basiert zum Teil auf Recherchen für die Magazine-Ausgabe Nr. 12 (2022). Aktualisierung und Bearbeitung: Mika Pérez-Duarte (Stand: 12/2024)
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