Das Compact-Verbot im Spiegel der Geschichte
Das durch das Bundesministerium des Innern (BMI) im Juli ausgesprochene Verbot der Compact-Magazin GmbH wurde bereits nach einem Monat im Eilverfahren durch das Bundesverwaltungsgericht teilweise aufgehoben und wird nun im Hauptsacheverfahren entschieden. Staatliche Versuche gegen extrem rechte Medienakteure rechtlich vorzugehen hat es bereits in der Vergangenheit gegeben – mit unterschiedlichem Erfolg.
Von Vera Henßler
Einen Monat dauerte es, bis das Bundesverwaltungsgericht verlauten ließ: Der Sofortvollzug des Compact-Verbotes ist ausgesetzt, das Magazin darf wieder erscheinen. Die Voraussetzung für einen sofortigen Vollzug, so das Gericht, wäre nur gegeben, wenn die laut BMI gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Beiträge »für die Ausrichtung der Vereinigung insgesamt derart prägend sind, dass das Verbot unter Verhältnismäßigkeitspunkten gerechtfertigt ist«. Hieran äußerte das Gericht Zweifel – eine umfangreiche Prüfung steht somit noch aus.
Während die Redaktion um Chefredakteur Jürgen Elsässer das vorläufige Urteil als Sieg auffasste, fiel die Reaktion des Staatsrechtlers Ulrich Vosgerau, der Compact in der Sache rechtlich vertritt, deutlich verhaltener aus. Die Entscheidung, so Vosgerau in einem Interview, sei ein ambivalenter Sieg, denn das Gericht habe die Ansicht des BMI bestätigt, wonach ein Verbot gemäß § 17 Vereinsgesetz auch dann gegen Wirtschaftsvereinigungen ausgesprochen werden könne, wenn diese als Herausgeber von Presseerzeugnissen fungieren. Auch Götz Kubitschek kommentierte das Ergebnis des Eilverfahrens eher konsterniert. Im Frühjahr hatte sich das maßgeblich von Kubitschek getragene Institut für Staatspolitik (IfS) als Verein aufgelöst. Die stattdessen neugegründete Menschenpark Veranstaltungs UG verfolgt das Ziel, die Aktivitäten unter einer neuen Rechtsform weiterzuführen. Dass dieser Schritt aufgrund des Verlustes der Gemeinnützigkeit sowie der VS-Einstufung des IfS als »gesichert rechtsextrem« und damit vor einem möglicherweise drohenden Verbot erfolgte, hat Kubitschek in der Sezession dargelegt. Das Compact-Urteil könnte auch für ihn bedrohlich sein, wenn im Hauptsacheverfahren die Rechtmäßigkeit der Anwendung des Vereinsgesetzes bestätigt wird.
Propagierte Inhalte und deren strafrechtliche Relevanz
Das BMI hat in seiner Verbotsverfügung argumentiert, dass die Compact-Magazin GmbH in erster Linie als »politischer Agitator mit verfassungsfeindlicher Grundhaltung« agiert. Deren Medienerzeugnisse dienten als Sprachrohr, um verfassungsfeindliche Ziele zu verbreiten. Da das Vereinsgesetz die verfassungsmäßige Ordnung unabhängig davon schütze, woher ihr die Gefahr droht, seien Presseerzeugnisse von der Anwendung des Gesetzes nicht ausgeschlossen.
Der Netzwerkcharakter von Compact und die Rolle als politischer Akteur sind sowohl bei extrem rechten Protesten auf der Straße als auch bei zahlreichen Veranstaltungen immer wieder deutlich geworden. Nur ein Beispiel: Für den Sommer 2024 plante Compact die Kampagne »Blaue Welle«, in deren Rahmen im Vorfeld der Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern Volksfeste organisiert werden sollten, um »endlich den Machtwechsel in Deutschland möglich zu machen«. Die Planungen fielen aufgrund des Verbotes jedoch ins Wasser. Sebastian Wehrhahn argumentierte zuletzt folgerichtig, dass mit dem Verbot weniger die Pressefreiheit verhandelt wird, sondern vielmehr »der Anspruch, unter Berufung auf diese Freiheit gegen die Rechte vieler Menschen vorzugehen – zum Beispiel das Recht, nicht verächtlich gemacht zu werden, das Recht, nicht ausgegrenzt zu werden oder das Recht, nicht verletzt zu werden«[1]. Dass das Gericht in seinem Urteil darauf verwiesen hat, dass es bei der Beurteilung des Verbotes wesentlich auf die propagierten Inhalte und deren strafrechtliche Relevanz ankommt ist ein Indiz dafür, dass die Inszenierung der Compact als freiheitliches Medienunternehmen, das nun von staatlicher Zensur betroffen sei, vor Gericht keinen Bestand haben wird. Im Hauptsacheverfahren wird ausschlaggebend sein, welchen Anteil die verfassungsfeindlichen Äußerungen haben – denn, das machte das Gericht ebenfalls deutlich, sollten diese nicht insgesamt prägend sein, so stünden mildere rechtliche Mittel wie medienrechtliche Maßnahmen und Veranstaltungs- und Versammlungsverbote zur Verfügung.
Verbote gegen frühere Medienakteure
Compact ist nicht der erste extrem rechte Medienakteur gegen den der Staat aufgrund seiner menschenverachtenden Äußerungen und Inhalte rechtlich vorgeht. In der Vergangenheit waren vor allem neonazistische Zeitschriften betroffen, deren Herausgabe durch ein Verbot des Trägervereins quasi als Beifang unterbunden wurde. Erst vor einem Jahr verbot das BMI die »Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.«, die als Herausgeber der seit den 1960er Jahren erschienenen periodischen Schrift »Nordische Zeitung« fungierte. Auch die 1994 verbotene Wiking-Jugend gab mit dem »Wikinger« über Jahrzehnte hinweg eine regelmäßig erscheinende Schrift heraus. 2016 wurde mit dem Medienportal »Altermedia« ein Online-Medium verboten. Schon Jahre zuvor waren zwei Betreiber wegen dutzender Straftaten in Zusammenhang mit der Internetplattform verurteilt worden.
1974 scheiterte die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Versuch, dem Verleger Gerhard Frey einzelne Grundrechte zu entziehen und den Vertrieb der von ihm herausgegebenen Deutschen National-Zeitung (DNZ) zu unterbinden. Die DNZ war über Jahrzehnte hinweg die auflagenstärkste Zeitung der extremen Rechten mit einer Auflage von 120.000 Ende der 1970er Jahre.[2] Die im Boulevard-Stil aufgemachte Wochenzeitung bediente die gesamte extrem rechte Themenpalette mit einem Schwerpunkt auf die Rehabilitierung des NS bis hin zur Leugnung der NS-Verbrechen. Ähnlich wie Compact zielte die DNZ in Inhalten und Stil auf eine »Emotionalisierung der Politik«.[3]
Publizistische Netzwerke
Frey war nicht nur Inhaber und Herausgeber der DNZ, sondern auch der Deutschen Wochen-Zeitung (DWZ), dem Druckschriften- und Zeitungs-Verlag sowie dem Freiheitlichen Zeitungs-Verlag. Die Publikationen waren Teil eines publizistischen Netzwerkes und dienten zudem als Sprachrohr der Deutschen Volks-Union (DVU), als deren Vorsitzender wiederum Frey fungierte. Das vom Bundesinnenministerium im Jahr 1969 angestrengte Verbot gegen die DNZ – einer Hochphase der NPD – berief sich jedoch nicht auf das Vereinsgesetz, sondern auf den Artikel 18 des Grundgesetzes (GG), in dem es heißt: »Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit […] zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte.« Die zahlreichen nationalistischen, antisemitischen und rassistischen Veröffentlichungen in der DNZ, so die damalige Bundesregierung, bezeugten, dass Frey die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung missbrauchen würde. Das Bundesverfassungsgericht sah den Antrag jedoch als nicht hinreichend begründet an, insbesondere was die maßgebliche Gefährlichkeit von Verlag und Verlagsinhaber angeht, und wies ihn nach über fünf Jahren 1974 einstimmig ab. Die damalige Bundesregierung hatte es zudem versäumt, im Laufe des Verfahrens aktualisierte Beweise für die Gefährlichkeit der DNZ einzubringen. Die Zeitung gerierte sich als Kämpferin für die Freiheit und sah in dem Urteil einen »Anschlag auf den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat abgewehrt«. Das Verwirkungsverfahren gegen Frey ist ein seltenes Beispiel für die praktische Anwendung des Artikels 18 GG, der bisher nur in vier Fällen angestrengt wurde, wobei alle Anträge bereits im Vorverfahren abgelehnt wurden.[4]
Weitere Versuche
1981 versuchte der Berliner Bezirk Tempelhof anlässlich eines die Shoah relativierenden Beitrages in der DNZ eine Indizierung der Zeitung zu bewirken. Die Aufnahme eines Mediums in den Index jugendgefährdender Medien regelt heute das Jugendschutzgesetz und entspricht einem Werbe- und Verbreitungsverbot für auf der Liste geführte Medien oder einzelne Ausgaben. Auch dieser Versuch, die Hetze der DNZ zumindest in ihrer Reichweite einzuschränken scheiterte, da das Jugendschutzgesetz Indizierungen von regelmäßig erscheinenden, politischen Schriften ausschließt. An anderer Stelle waren Indizierungen von Zeitschriften aus dem Holocaustleugnerspektrum mitunter auch erfolgreich. So bestätigte das Verwaltungsgericht Köln 2010 sowohl die Indizierung einzelner Ausgaben von »Der Reichsbote« als auch eine einjährige Vorabindizierung der Schriftenreihe. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hatte dem Blatt aufgrund der den Nationalsozialismus verherrlichenden Inhalte die Eigenschaft einer politischen Zeitschrift abgesprochen.
Die DNZ stellte ihr Erscheinen Ende 2019 ein. Nicht erst nach dem Tode Freys im Jahr 2013 war die zentrale Rolle der Zeitung in der extrem rechten Publizistik immer weniger gegeben. In der Abschiedserklärung hieß es zudem: »Der Medienwandel der letzten 15 Jahre und das damit einhergehende geänderte Nutzerverhalten machen diesen Schritt unumgänglich, aber auch verschmerzlich. Denn es ist Neues und gleichfalls Gutes herangewachsen, das – ebenso rechtstreu und verfassungstreu sowie am Wohl des deutschen Volkes orientiert – es auch verdient, gelesen und weitergegeben (oder »geteilt«) zu werden«.
Überblick: Profile und Einschätzungen zu extrem rechten Zeitschriften und Verlagen
- ↑ Sebastian Wehrhahn: Die Vernetzer der Rechten, jacobin.de, 31.7.2024.
- ↑ Vgl. Peter Dudek, Hans-Gerd Jaschke: Die Deutsche National-Zeitung. Inhalte. Geschichte. Aktionen, München 1981, S. 6.
- ↑ Vgl. ebd.
- ↑ Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags bewertete den Artikel 18 vor einigen Jahren als in der Praxis bedeutungslos, nicht zuletzt da in Bezug auf Vereinigungen effektivere Mittel wie das Vereinsverbot zu Verfügung stünden. Vgl. Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags: Zur Verwirkung von Grundrechten nach Art. 18 GG., 2019, Deutscher Bundestag WD 3 – 3000 – 169/19.