Recherche D
Herausgeber: Verein Journalismus und Wissenschaft Chemnitz e.V. (gemeinnützig), Vorsitzender und verantwortlicher Redakteur: Felix Menzel
Autoren (Auswahl): Lars-Patrick Berg, Dimitrios Kisoudis, Lothar W. Pawliczak, Johannes Konstantin Poensgen, Carlos Wefers Verástegui
Recherche D ist das Aushängeschild für die 2018 gegründete »patriotisch-konservative Denkfabrik« Recherche Dresden. Die Zeitschrift präsentiert Abhandlungen zu ökonomischer Theorie und Wirtschaftspolitik, will den attestierten Kompetenzmangel der extremen Rechten in ökonomischen Fragen beheben und Eckpunkte für eine extrem rechte Wirtschaftspolitik präsentieren. Sie ist dem Netzwerk der Neuen Rechten zuzuordnen.
2018 gründete der neurechte Aktivist und Publizist Felix Menzel (geb. 1987) das Projekt Recherche Dresden, zu dem auch das Magazin Recherche D gehört. Es wird getragen vom Verein Journalismus und Wissenschaft Chemnitz e.V., der seit 2009 (bis dahin: Journalismus und Jugendkultur Chemnitz e.V.) auch als Trägerverein dem neurechten Online-Magazin Blaue Narzisse fungiert. Neben dem Magazin erstellt Recherche Dresden wirtschaftspolitische Studien, manche davon im Auftrag der AfD, und bietet Seminare und ein Online-Lexikon mit Einträgen zu Ökonomie und Geopolitik an. Zu den Autoren gehören langjährige Mitstreiter Menzels wie Johannes Konstantin Poensgen und Carlos Wefers Verástegui, außerdem Politiker wie Lars-Patrick Berg (ehemals AfD) und der AfD-Mitarbeiter Dimitrios Kisoudis.
Inhaltlich vertritt die Zeitschrift das von Felix Menzel formulierte, sogenannte Konzept einer »nachbarschaftlichen Marktwirtschaft«, das regionalistische, nationalistische und paneuropäische Perspektiven auf Ökonomie zu integrieren versucht. Erklärtes Ziel ist es, »ökologischer als die Grünen [zu] sein, sozialer als die SPD, konservativer als die CDU, freiheitlicher als die FDP und alternativer als die AfD«. Diesem heterodoxen Selbstbild entsprechend versucht das Magazin, antiegalitäre und etatismuskritische Zugänge zu Ökologie, Sozialpolitik, konservativer Gesellschaftspolitik, marktwirtschaftlicher Rahmenordnung und ökonomischem Nationalismus zu präsentieren. Zentrale Feindbilder sind ein liberal-universalistischer »Globalismus«, Monopole, der Euro, »Masseneinwanderung« und das angeblich menschenunwürdige Ideal der Gleichheit, das durch einen Interventionsstaat erzwungen werde.
Recherche D bildet den größten Teil der in der extremen Rechten diskutierten ökonomischen Ansätze ab. Dies unterscheidet das Blatt von dem auf rechtslibertäre Positionen beschränkten Magazin eigentümlich frei. In dem Dresdner Magazin reichen die ideengeschichtlichen Quellen vom autoritären Libertarismus über den Neoliberalismus, Paläokonservatismus bis hin zu konservativ-revolutionären und unabhängigen Ansätzen (Joseph Schumpeter, Hannah Arendt). Vereinzelt finden sich instrumentelle Anleihen an linke Theoreme. Im innerrechten Konflikt zwischen einem autoritär-neoliberalen und völkisch-nationalsozialen Flügel der Neuen Rechten vermeidet das Magazin eine eindeutige Position. Mit der – jährlich aktualisierten – Agenda 2030 entwirft das Magazin vielmehr ein Programm, das Positionen aus beiden Richtungen aufnimmt.
2021 wurde das Erscheinen der Zeitschrift ein Jahr lang ausgesetzt, angeblich um das Projekt Recherche Dresden auf Studien und Wissenstransfer zu fokussieren. Seit 2022 publiziert das Magazin unter dem Motto »Sprache ist Macht« Stichworte aus dem seit 2022 laufend ergänzten Online-Lexikon, das perspektivisch zu einer »Wikipedia von rechts« ausgebaut werden soll. Ende 2024 verkündete Menzel, sämtliche Ausgaben für 2025 auszusetzen, um sich auf die Beeinflussung von Wikipedia-Einträgen von politisch nahestehenden Personen und Institutionen zu konzentrieren. Diese erneute Pause der Redaktionsarbeit lässt vermuten, dass die »Denkfabrik« über zu geringe zeitliche und personelle Ressourcen verfügt, um das ausgewiesene Leistungsspektrum (Wissensproduktion, Transfer und Bildungsarbeit) arbeitsteilig auszufüllen.
Die Relevanz von Recherche D ergibt sich durch den Transfer von neurechter »Metapolitik« auf die Realpolitik der AfD, für deren sächsische Landtagsfraktion Felix Menzel seit 2022 als Pressesprecher agiert. Nach eigenen Angaben hat die »Denkfabrik« Recherche Dresden bislang zwei Auftragsstudien für die parlamentarische Arbeit der AfD veröffentlicht. Durch Aufforderung zur Einsendung von Texten und Preisausschreiben regt Recherche D die extreme Rechte ferner zum Formulieren von Alternativen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik an. In der extremen Rechten fungiert die Ideologieproduktion in Recherche D insgesamt als ein Übergangsangebot, um vor allem die AfD mit einer Bandbreite an ökonomischen Konzepten zu versorgen, bis eine staatlich ausfinanzierte Desiderius-Erasmus-Stiftung institutionalisierte Programme zu extrem rechter Ökonomieforschung und Politikberatung entwickeln kann.
Text: Matheus Hagedorny, Stand: 12/2024
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