Der arabisch-israelische Konflikt in der rechten Publizistik – Teil 1

Der Überfall palästinensischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023 und der anschließende Krieg in Gaza haben weltweit Reaktionen hervorgerufen. Die vorliegende Magazine-Ausgabe untersucht, wie die deutsche extreme Rechte die Massaker und  die darauffolgenden Entwicklungen darstellt. In Kooperation mit dem Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) haben wir Periodika, Reden und Interviews ausgewertet. Wie wurde darüber berichtet? Wie bewerten die Autor*innen extrem rechter Medien das Ereignis und die Rolle der beteiligten Akteure? Wie wird die Auseinandersetzung in der extremen Rechten Deutschlands kommentiert? Und was hat aus deren Sicht der Konflikt überhaupt mit Deutschland und der extremen Rechten zu tun?

In Kooperation mit RIAS (Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V.) haben wir Artikel von Compact, Junge Freiheit, Zuerst!, Sezession und Deutsche Stimme, sowie verschiedene Reden und Interviews von AfD-Mitgliedern ausgewertet.

Am 16. Juli 2024 wurde Compact durch das Bundesinnenministerium verboten.

 

Von Mika Pérez Duarte, Dana Fuchs, Julius Gruber, Vera Henßler

 

Am 7. Oktober 2023 überfielen Terroristen der Hamas und ihrer Verbündeten[1] israelisches Territorium, töteten auf grausame Weise 1.139 Menschen und entführten über 240 Menschen in den Gaza-Streifen. Etwa 5.000 Menschen wurden z.T. schwer verletzt, es wurde massive sexualisierte Gewalt angewendet. Die israelische Regierung reagierte darauf mit Luftschlägen im Gaza-Streifen und einer Bodenoffensive. Weltweit kommt es seitdem zu einer Vielzahl an Reaktionen auf das Massaker, den Krieg mit zehntausenden Toten und die schwierige humanitäre Lage im Gaza-Streifen. Der 7. Oktober markierte den Beginn einer globalen antisemitischen Mobilisierung.[2] 2023 dokumentierten die »Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus« (RIAS) in Deutschland 4.782 antisemitische Vorfälle, mehr als die Hälfte davon nach dem 7. Oktober, darunter überproportional viele Gewaltvorfälle.2023 dokumentierten die RIAS-Meldestellen insgesamt 4782 antisemitische Vorfälle, mehr als die Hälfte davon ereigneten sich nach dem 7. Oktober. Antisemitismus äußerte sich nach dem 7. Oktober häufiger gewaltvoll als vorher: Unter anderem wurden 71 Prozent aller Fälle extremer Gewalt, 63 Prozent aller Angriffe und 64 Prozent aller Bedrohungen aus dem Jahr 2023 nach dem 7. Oktober dokumentiert. Für Jüdinnen*Juden war der 7. Oktober eine tiefgreifende Zäsur. Die Gefährdung jüdischer Einrichtungen und als solche erkennbare Jüdinnen*Juden hat seitdem objektiv zugenommen. Jüdinnen*Juden nehmen ihr soziales Umfeld und gesellschaftliche Reaktionen als feindlich und empathielos wahr. Gleichzeitig sehen sich Muslime zunehmend unter Generalverdacht gestellt, Terror zu unterstützen und beklagen eine Zunahme von antimuslimischem Rassismus seit dem 7. Oktober.

Auch die extreme Rechte nutzt den 7. Oktober als Anlass, um ihren antisemitischen und rassistischen Ressentiments freien Lauf zu lassen. Seit jeher hat sie ein zwiespältiges Verhältnis zu Israel und zum arabisch-israelischen Konflikt. Die Erinnerung an die Schoa und die Auseinandersetzung mit den deutschen Verbrechen stehen einer positiven Identifikation mit Deutschland im Weg, weshalb diese klein geredet oder relativiert werden. War bereits der NS-Antisemitismus auch antizionistisch ausgerichtet, so kooperierten deutsche Neonazis mit palästinensischen Terrororganisationen; Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann arbeiteten etwa mit der Al Fatah zusammen. Indem weiterhin Jüdinnen*Juden sowie dem Staat Israel vorgeworfen wird, die NS-Verbrechen für die eigenen Zwecke zu missbrauchen, betreibt die extreme Rechte nicht nur Schuldabwehr, sondern auch eine antisemitische Täter-Opfer-Umkehr. Auf der anderen Seite betrachten einzelne extrem rechte Akteur*innen Israel vorrangig als Bollwerk oder ›abendländisch‹ geprägten Vorposten gegen die ›Islamisierung‹. Nicht zuletzt gibt es jedoch auch Stimmen, die den Islam als Gegenmodell zur von Individualismus und Liberalismus geprägten, verhassten europäischen Moderne begreifen.[3] Viele dieser Narrative werden mit den aktuellen Entwicklungen aufgegriffen und aktualisiert, wobei in unterschiedlicher Schärfe und Auslegung auf gesellschaftliche Debatten Bezug genommen wird.

Erste Reaktionen auf den 7. Oktober

Die monatlich erscheinende Deutsche Stimme (DS) aus dem Umfeld der NPD (inzwischen: Die Heimat) widmete im Dezember 2023 den Massakern und ihren Folgen eine Schwerpunktausgabe mit dem Titel »Nahost in Flammen. Droht der Dritte Weltkrieg?« Bereits die Beschreibungen der Geschehnisse am 7. Oktober lassen keine Zweifel daran, wo sich die Redaktion verortet. Im Vorwort bewertet Chefredakteur Peter Schreiber den terroristischen Überfall als Ereignis, bei dem »auch unschuldige Zivilisten ums Leben kamen« (Hervorhebung im Original). Der einstige Funktionär der österreichischen Identitären und Redaktionsmitglied Alexander Markovics schließt sich dieser Bewertung an und postuliert, der Angriff habe dem israelischen Militär gegolten. Tote Zivilist*innen würden »nachweislich zu einem großen Teil auf das Konto einer in den ersten Tagen des Krieges panisch agierenden Armee« gehen. Diese Falschdarstellung beruht keineswegs auf fehlenden Informationen – das Heft erschien erst im Dezember und es mangelte schon kurz nach dem Angriff nicht an Belegen, wer für die Massaker verantwortlich ist. Schließlich dokumentierten die Täter ihre Taten selbst und haben diese teilweise im Internet veröffentlicht. Auch der Duktus von Markovics’ Beitrag kann ein gewisses Maß an Faszination bei gleichzeitiger Empathielosigkeit gegenüber den Opfern nicht verhehlen: »Es ist der Beginn der Operation ›Al-Aqsa-Flut‹, der mit einem spektakulären Schlag palästinensischer Kräfte gegen Israel beginnt.« Wenngleich andere Artikel den Überfall der Hamas anders bewerten, sehen die meisten Autor*innen des Heftes die Ursache für die Eskalation auf Seiten Israels: Der vom »revisionistischen Zionismus beseelten Führung in Tel Aviv« schwebe »schon lange ein Völkermord vor«, schreibt Markovics. Sascha A. Roßmüller nutzt in seinem Artikel mit den Worten »Endlösung« und »Vernichtungskrieg« offensichtlich Vokabular aus dem NS-Kontext, um die militärische Reaktion Israels mit dem Agieren des NS-Regimes gleichzusetzen. Michael Brück (einst »Die Rechte«, heute »Freie Sachsen«) mutmaßt, dass der israelischen Regierung die Angriffspläne bekannt waren. Für diese Überlegungen liefert er keine Belege. Auch lagen die Veröffentlichungen der New York Times von Anfang Dezember, in denen erstmals darüber berichtet wurde, dass der israelische Geheimdienst die Angriffspläne der Hamas kannte, diese aber als nicht realisierbar bewertete, zeitlich ziemlich wahrscheinlich hinter dem Redaktionsschluss der DS-Schwerpunktausgabe. Brück insinuiert mit seinem Text hingegen die bewusste Inkaufnahme des Angriffs zugunsten einer innenpolitischen Befriedung der israelischen Gesellschaft nach monatelangen Protesten gegen die Justizreform der Netanyahu-Regierung.

 

Die Heimat in Dortmund bezieht wenige Tage nach dem 7. Oktober Position.
Quelle: Screenshot telegram

 

In der Compact lassen sich ähnliche Töne vernehmen: Israel brauche die Hamas als »einigenden Feind« (12/2023). Auch hier wird das Massaker vom 7. Oktober zwar verurteilt, allerdings betonen die Autoren vehement, dass Israel selbst eine Mitschuld trage. Durch das jahrzehntelange aggressive Vorgehen gegenüber Palästina sei das »Terror-Risiko« angeheizt worden. Israel wird in den Beiträgen und Interviews der Compact als übermächtiger Gegner dämonisiert, dessen Interesse in der Ausbreitung der eigenen Macht liege, wobei alle Mittel, selbst die Vernichtung der Palästinenser*innen, als legitim erachtet würden. Eine Differenzierung beim Schreiben über Israel bleibt in aller Regel aus. Unter den Begriff Israel kann alles fallen: Die Regierung, das Land, die Bewohner*innen, aber auch die jüdische Religion. Übliche antisemitische Chiffren und Codes werden in die neueren Entwicklungen eingefügt und wenig versteckt genutzt, so dass sie von den Leser*innen schnell entschlüsselt werden können. Chefredakteur Jürgen Elsässer, der für eine Vielzahl der zum Thema publizierten Artikel verantwortlich zeichnet, hält sich mit verschwörungsideologischen Mutmaßungen nicht zurück. Beispielsweise sei das Super Nova Festival erst kurz vor dem 7. Oktober von einem weiter entfernten Ort in die Nähe der Grenze verlegt worden: »So stolperten die Hamas-Leute nach ihrem Durchbruch durch die Grenze praktisch zwangsläufig über das Festivalgelände. […] Man könnte glauben, die Menschen wurden der Hamas hier zum Fraß vorgeworfen.« (1/2024) Dass der Angriff am 7. Oktober möglich war und sich die Hamas-Attentäter so lange unbemerkt hinter der Grenze bewegen konnten, wird als höchst unwahrscheinlich dargestellt. Hierfür beruft man sich auf Aussagen von IDF-Soldat*innen und Hamas-Attentätern. Hintergründe oder Personen zu diesen Aussagen werden allerdings nie konkret benannt. Ähnliche Behauptungen werden auch in der monatlich erscheinenden Zuerst! angestellt: Es sei rätselhaft, »warum die monatelangen Angriffsvorbereitungen den Militärs und Sicherheitsbehörden verborgen geblieben sind«. (12/2023)

Während die neonazistische und verschwörungsideologische Publizistik Israel als ›Terrorstaat‹ markiert, nimmt die nationalkonservative Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) eine andere Position ein und verweist auf die bedrohliche Lage, in der sich das Land seit jeher befindet. Chefredakteur Dieter Stein berichtet in seiner ersten Kolumne nach dem 7. Oktober von einer lange zurückliegenden Reportagereise: »Mir wurde erst dort erschreckend klar, wie schmal und schwer zu verteidigen dieses Handtuch namens Israel ist. Wir besuchten auch den am stärksten von Raketenangriffen betroffenen Ort Sderot, der direkt am Gazastreifen liegt. Bürgermeister und Polizeichef schilderten, wie im Alarmfall lediglich 15 Sekunden bleiben, um Bunker zu erreichen. Die Polizeistation, wo wir uns trafen, wurde beim jetzigen Angriff der Hamas dem Erdboden gleichgemacht.« (42/2023) Die deutsche Staatsräson im Sinne einer Unterstützung Israels seien leere Worte, so Stein weiter: »Keinen Pfifferling wert[4] sind diese Schwüre, denn der deutsche Staat ist militärisch noch nicht einmal in der Lage, die eigene Sicherheit ernsthaft zu garantieren. Die deutschen Grenzen sind offen, die Bundeswehr nicht einsatzbereit.« Der 7. Oktober wird hier zum Vehikel, um einmal mehr die vermeintliche Verteidigungsunfähigkeit Deutschlands und die Lage der Bundeswehr zu kritisieren. Zusammengefasst lassen sich die zahlreichen Beiträge in der JF, die seit dem 7. Oktober erschienen sind, meist zwei Kategorien zuordnen: den eher nüchternen Berichten über tagesaktuelle Ereignisse in der Region selbst, die fast ausnahmslos von dem Nachwuchsautoren Sandro Serafin verfasst werden (Serafin ist zudem Autor des christlich-konservativen Medienportals Israelnetz) und den bisweilen anklagenden Beiträgen über die Situation in Deutschland und anderen westlichen Ländern, die mit rechten Narrativen über Migration, Erinnerungskultur und Cancel Culture gerahmt werden.

In den ersten Reden von AfD-Abgeordneten im Bundestag unmittelbar nach dem 7. Oktober wurden die Massaker einhellig verurteilt. Insbesondere die Reden von Alexander Gauland und Matthias Moosdorf am 12. Oktober standen noch unmittelbar unter dem Eindruck des 7. Oktobers und waren dem Ort und Zeitpunkt entsprechend rhetorisch staatstragend gehalten. Man bezog sich zunächst positiv auf die Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson: Die Sicherheit Israels würde, so Moosdorf, »schon aus unserer gemeinsamen Geschichte heraus besondere Verantwortung«erfordern.[5] Alexander Gauland zufolge sei mit dem Terrorangriff nicht nur Israel gemeint, sondern auch »wir, der gesamte Westen«.[6] Schon eine Woche darauf waren von dem AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla andere Töne zu vernehmen, als er im Bundestag die im Kontext des Ukraine-Krieges eingeübte Friedensrhetorik als narrativen Referenzrahmen setzte. Neben der obligatorischen Verurteilung der Massaker und der Forderung nach Freilassung der Geiseln betonte Chrupalla, Israel müsse nun Verhältnismäßigkeit wahren, es dürfte keine humanitäre Katastrophe entstehen. Im Grunde verfolgt Chrupalla in seiner Rede jedoch ein anderes Ziel, nämlich »die deutschen Interessen in den Vordergrund« zu stellen. Denn die von Chrupalla befürchtete humanitäre Katastrophe stellt für ihn vor allem deshalb ein Problem dar, weil diese eine »Migrationswelle nach Europa und Deutschland« auslösen könnte. Die Massaker in Israel, der Krieg und Antisemitismus in Deutschland sind in der Rhetorik der AfD bloßer Anlass für das Sprechen über Migration. Das zweite deutsche Interesse, das Chrupalla in diesem Zusammenhang benennt, ist »freie[r] und friedliche[r] Handel mit Öl und Gas«. Bemerkenswert ist, dass Chrupalla als Friedensmächte für die Region Russland und China darstellt, da diese in einer UN-Resolution einen humanitären Waffenstillstand gefordert hätten.

Auf dem Blog der Sezession bewertet Martin Lichtmesz (bürgerlich: Martin Semlitsch) das Massaker vom 7. Oktober recht kurz, aber deutlich: »Die Massaker, die die Hamas auf israelischem Staatsgebiet begangen hat, sind von einer bislang ungekannten Größenordnung und Grausamkeit, ja Barbarei.« (12.10.2023) Im Folgenden gehen weder er noch seine Mitkommentatoren  – bis auf ein, zwei Sätze – näher auf die Taten der Hamas oder die Toten, Verletzten und Geiseln ein. Schnell, fast schon als sei das Massaker für die Analyse störend, widmen sie sich der Interpretation. Sie spekulieren über die vermeintliche Erwünschtheit des Massakers durch die israelische Regierung, werfen die verschwörungsideologische Frage nach dem Nutzen auf, dass Israel jetzt mit Gewalt antworten werde und welche Ziele eigentlich dahinter stünden. (11.12.2023) Lichtmesz erweckt in seinen Beiträgen zum Thema den Eindruck, als verweigere er sich einer moralischen Wertung, die nur selten durchscheint. Seine Wortwahl ist mitunter jedoch entlarvend und entspringt antizionistischen Narrativen. So beschreibt er Gaza als »Freiluftgefängnis« oder bezeichnet die Hamaskämpfer als »Partisanen«. (12.10.2023) Mit der Reaktion auf das Massaker vom 7. Oktober verfolge Israel das Ziel, Gaza ethnisch zu säubern und die Vertreibung von 1948/49 abzuschließen: »Zugespitzt gesagt, ist das entscheidende, existentielle Interesse Israels, so viele Araber wie möglich loszuwerden.« (117/2023)

Migration und der Antisemitismus der Anderen

Spektrenübergreifend wurden die Ereignisse im Nahen Osten und die darauffolgenden Protestmobilisierungen aufgegriffen, um ein extrem rechtes Kernthema anzusprechen: die Migration. Während für das verschwörungsideologische und neonazistische Milieu der Antisemitismus im Nahen Osten selbst nur ein Ergebnis des Agierens Israels zu sein scheint, wird kaum eine Möglichkeit ausgelassen, sich über den »importierten Antisemitismus« hierzulande auszulassen und die aus rechter Sicht fehlgeleitete deutsche Migrationspolitik anzuprangern. Nicht nur stehe mit der zu befürchtenden Ausweitung des Konfliktes eine neue Migrationswelle bevor, vielmehr habe man durch eine jahrelange unkontrollierte Zuwanderung die Konflikte der Region bereits nach Deutschland geholt.

Antisemitische Ausschreitungen und Demonstrationen in Deutschland nach dem 7. Oktober seien das Resultat einer »heillos naiven Zuwanderungspolitik«, schreibt etwa Chefredakteur Andreas Karsten in der Zuerst!: »Die reflexhafte Empörungsarie, in die ›Ampel‹-Politiker und CDU-Vertreter derzeit gleichermaßen einstimmen, kann man jedoch nur als Augenwischerei bezeichnen. Es bleibt festzuhalten: Sie haben Menschen, deren Grundeinstellung sie nun so bitterlich beklagen, über Jahre ohne nennenswerte Kontrollen ins Land gelassen.« (12/2023) In dramatischer Weise zählt er Gewaltstraftaten durch Migranten auf, nicht ohne zu behaupten, dass »Täter aus muslimisch geprägten Ländern, wie den Maghreb-Staaten deutlich häufiger straffällig werden als etwa Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine«. Muslimische Geflüchtete werden so durch die pauschalisierende Interpretation von Statistiken als konstantes Sicherheitsrisiko für Deutschland dargestellt. Das Zuerst!-Autorentrio Hartmut Lieger, Christian Schöps und Ludwig Kranzler kommt in seinem Artikel zum arabisch-israelischen Konflikt zu dem abschließenden Ergebnis, dass es eine andere Migrationspolitik brauche: Es müsse »endlich die migrantensichere Festung Europa gebaut werden, [denn] Einigeln ist das Gebot des Selbstschutzes vor immer mehr fremden Konflikten«. (12/2023)

In der Jungen Freiheit berichten zahlreiche Artikel über die Proteste sowie die Zusammenarbeit islamistischer Gruppen mit linken Akteur*innen, etwa am Beispiel Samidoun. Der Tenor: Antisemitismus ist ein Problem – und zwar von links sowie unter Muslim*innen. Michael Paulwitz, langjähriger JF-Autor, nutzt die Proteste in Deutschland einmal mehr dafür, die Migrationspolitik mit rassistischen Untertönen anzuprangern: »Hamas und ihre Handlanger haben ihre Stützpunkte mitten unter uns, und die Unterstützer des islamischen Terrors schwimmen im Milieu muslimischer Parallelgesellschaften in Deutschlands Städten wie der Fisch im Wasser. Ein Funke genügt, um ganze Bataillone kampfbereiter junger Männer zu mobilisieren, die der überforderten deutschen Staatsmacht die Stirn bieten, angefeuert von bekopftuchten Frauen, über deren vermeintliche ›Diskriminierung‹ Feuilletonisten und Sozialfunktionäre eben noch lamentiert hatten.« (44/2023) Der defätistischen Bestandsaufnahme folgt der Appell, den öffentlichen Druck weiter aufrecht zu erhalten, um endlich eine Wende in der Migrationspolitik zu bewirken, wie auch die Zuerst! sie fordert: »Für Deutschland wird es zur Schicksalsfrage, ob der Warnschuß diesmal gehört wird und der öffentliche Druck so lange aufrechterhalten wird, bis den aufgeregten Worten auch wirksame Taten folgen.«

Etwas andere Akzente zur aktuellen Debatte um Antisemitismus sind von dem stellvertretenden Vorsitzenden der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider zu vernehmen. In einem kurz nach dem 7. Oktober veröffentlichten Interview für Freilich, einem im Milieu der österreichischen deutschnationalen Burschenschaften verankerten Magazin, wendet sich Tillschneider zwar obligatorisch gegen »Masseneinwanderung«, da sonst »Konflikte aus aller Welt importier[t]« würden. Allerdings richtet er sich damit sowohl gegen antiisraelische als auch gegen »Pro-Israel-Demonstrationen«. Während Tillschneider die von der Hamas geführten Angriffe als »schändliche Kriegsverbrechen« verurteilt, sei nach seiner Logik ein Gedenken an die Opfer der Massaker allerdings nichts, was deutsche Interessen betrifft und daher ebenfalls Ausdruck eines importierten Konflikts. In dem Interview plädiert Tillschneider daher für umfassendere Verbote, sowohl von Demonstrationen, als auch von Nationalfahnen, etwa auf Schulhöfen: »Wir brauchen auf unseren Schulhöfen weder Palästinaflaggen noch Israelflaggen!« Der Antisemitismus auf deutschen Straßen wird so zu einem nicht-deutschen Problem, mit welchem sich die deutsche Politik nicht auseinander setzen sollte. Tillschneider zufolge sei Neutralität die Position, die der Ambivalenz deutscher Interessen entsprechen würde: Neben dem guten Verhältnis zu Israel habe Deutschland ebenfalls ein Interesse an der Beziehung zur arabischen Welt und zum Iran aufgrund der dortigen Rohstoffvorkommen. In einem Artikel in der russischen Zeitung Wedemosti vom 16. November wird Tillschneider diesbezüglich noch deutlicher, indem er dafür plädiert, sich an der russischen Nahost-Politik zu orientieren. Aktuell sei das jedoch nicht möglich, weil Deutschland unter Druck stehe, von »Migranten auf der einen, Israel und die USA auf der anderen Seite«. Ein Druckmittel sei, wie Tillschneider hinzufügt, das »alte Holocaust-Argument«. Den Antisemitismus der alten Rechten, der zur Schoa geführt hat, erklärt Tillschneider in der Neuen Rechten für historisch überwunden. Dennoch warnt er davor, die »Antisemitismuskeule exklusiv gegen Einwanderer aus dem islamischen Kulturraum« zu schwingen, da ihr so nur mehr Gewicht gegeben werde, um sie dann »deutschen Patrioten entgegen[zu]schleudern«.

 


Der zweite Teil des Artikels »Der arabisch-israelische Konflikt in der rechten Publizistik« erscheint am Freitag den 19. Juli 2024. Die apabiz-Publikationsreihe magazine nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung.

  1.  Der britischen BBC zufolge beteiligten sich neben der Hamas fünf weitere Terrororganisationen an den Massakern vom 7. Oktober: Die Abu-Ali-Mustafa-Brigaden, die Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden, die Omar-Al-Kassam-Brigaden, der Palästinensische Islamische Dschihad und die Mudschahedin-Brigaden. Vgl. Abdelali Ragad, Richard Irvine-Brown, Benedict Garman, Sean Seddon: How Hamas built a force to attack Israel on 7 October. BBC, 27.11.2023, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-67480680 [27.06.2024].
  2.  Die Proteste artikulieren sich zum einen auf der Straße, aber auch an Universitäten oder in Form von Störaktionen auf Veranstaltungen. Während auf den Demonstrationen regelmäßig israelbezogene antisemitische Ideologeme verbreitet werden, sind sie insbesondere für die palästinensische Bevölkerung gleichzeitig auch eine wichtige Möglichkeit, ihre Sorge und auch Trauer um die Toten in Gaza öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Dabei wird öffentlich darum gerungen, wo eine legitime Kritik am israelischen Regierungshandeln aufhört und antisemitische Agitation anfängt. In den ersten Wochen reagierten die Behörden in einigen Bundesländern mit Vorab-Verboten auf die Versammlungen. Einen Überblick über antisemitische Vorfälle auf Demonstrationen bietet RIAS in seinem Jahresbericht 2023: https://report-antisemitism.de/documents/25-06-24_RIAS_Bund_Jahresbericht_2023.pdf [27.06.2024].
  3.  Vgl. dazu apabiz e.V.: magazine # 2: Rechte Perspektiven auf Religion, Berlin 2018.
  4.  Tatsächlich hat die Bundesregierung im Jahr 2023 Rüstungsexporte von insgesamt 326,5 Millionen Euro an Israel bewilligt, einen Großteil davon nach dem Massaker. In Compact und Zuerst! wird diese Tatsache mit Empörung kommentiert: Deutsche Gelder sollten nicht in die Rüstung anderer Ländern fließen, sondern für die Verteidigung Deutschlands verwendet werden. Vgl. Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags »Deutsche Rüstungsexporte nach Israel«, WD 5 – 3000 – 004/24, online unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/992664/3b8ffc5891cf570ba0404a444567f0fe/WD-5-004-24-pdf. [13.05.2024].
  5.  Moosdorf, 128. Sitzung des Bundestags vom 12.10.2023.
  6.  Gauland, 128. Sitzung des Bundestags vom 12.10.2023.