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Der Ukraine-Krieg in der rechten Publizistik – Teil 1

Auch nach mehr als einem Jahr zeichnet sich kein baldiges Ende der Kriegshandlungen in der Ukraine ab. Nicht nur in den etablierten Medien, auch in extrem rechten Periodika wurde einiges über den Krieg, dessen Ursachen und die Frage nach einer Friedensperspektive geschrieben. Die vorliegende magazine-Ausgabe widmet sich dieser rechten medialen Rezeption. Wie wird der Krieg insgesamt bewertet? Wie wird die Rolle Russlands, der Ukraine, der USA und Deutschlands gesehen, wie die Rolle der NATO? Welche Positionen werden innerhalb der in der deutschen Öffentlichkeit geführten Debatten vertreten, etwa zu Waffenlieferungen? Und wo steht die (deutsche) extreme Rechte angesichts der Lage?

Von Kilian Behrens, Vera Henßler, Mika Pérez Duarte, Patrick Schwarz, Patricia Zhubi

In der Gesamtschau überrascht zunächst wenig, dass immer wiederkehrende extrem rechte Narrative wie die These von Deutschland als Opfer der Weltpolitik, der damit im Zusammenhang stehende, in weiten Teilen der Szene tief verankerte Antiamerikanismus oder der Rassismus mit Blick auf die Fluchtbewegungen auch in der Betrachtung des Krieges nicht zu kurz kommen. Nicht wenige rechte Medien versuchen sich an einer Ehrenrettung Putins und des russischen Agierens. Russland gilt ihnen als leuchtendes Vorbild und Gegenpol einer vermeintlich »woken«[1] und aller Identität beraubten westlichen Gesellschaft, die nicht mehr in der Lage sei, sich zu verteidigen. Während alle betrachteten Medien die Einschätzung teilen, dass der russische Angriff auf die kontinuierliche Ausweitung der NATO-Einflusssphäre bis an die Grenzen der einstigen Sowjetunion zurückzuführen sei, wird bei genauerer Betrachtung deutlich, dass sich die Artikel nicht nur im Duktus und der jeweiligen thematischen Schwerpunktsetzung, sondern auch in der Analyse voneinander unterscheiden. Neben den Printmedien reklamierten extrem rechte Akteur*innen auch auf der Straße eine friedenspolitische Perspektive für sich[2], mitunter in einer bisher beispiellosen Zusammenarbeit mit Teilen der traditionellen Friedensbewegung, die eine deutliche Abgrenzung nach rechts allzu oft vermissen ließ. Darzustellen, dass bei aller Kritik an der deutschen Außenpolitik, ob berechtigt oder nicht, eine menschenrechtsorientierte Friedensperspektive mit Rechtsaußen nicht zu haben ist, war nicht zuletzt ein Anliegen des nun vorliegenden Textes. In die Betrachtung eingeflossen sind die seit Februar 2022 erschienenen Ausgaben (und Sonderhefte) der Zeitschriften Compact, Junge Freiheit, N.S. Heute, Zuerst!, Sezession und Deutsche Stimme.

Russland als Garant einer multipolaren Weltordnung

Als Vorreiter einer dezidiert russlandfreundlichen Position innerhalb der extremen Rechten fungiert das Compact-Magazin. Kurz nach Beginn des Krieges veröffentlichte Compact unter dem Titel »Feindbild Russland – Die Nato marschiert« eine Spezialausgabe. Darin finden sich Einordnungen zur geopolitischen Lage, wobei Chefredakteur Jürgen Elsässer Wladimir Putins Russland als »Gegenpol zur Dekadenz des Westens« stilisiert. Putin stehe für »traditionelle Werte«, seine imperialistische Außenpolitik sei als neo-zaristisch zu definieren und der Patriotismus, für den er stehe, solle Vorbild für Deutschland werden. Die anvisierte Ehrenrettung Putins changiert zwischen innenpolitischen Huldigungen und den Angeboten, die Putin außenpolitisch und wirtschaftlich biete: Frieden, Freundschaft und Rohstoffe. Schon in den Vorjahren wurde Russland als Hoffnungsträger für das als »besetzt« verstandene Deutschland gesehen. Der NATO-Austritt Deutschlands sei alternativlos, eine multipolare Weltordnung und ein neues Blocksystem unter Russlands Führung werden als Lösung propagiert. Der Krieg in der Ukraine wird nicht nur als konsequente Folge der NATO-Bündnispolitik legitimiert, sondern auch der Ukraine jegliches Selbstbestimmungsrecht – die Souveränität – abgesprochen. Diese Positionen spiegeln sich auch in den regulären Compact-Ausgaben wider. In der Kolumne Manfred Kleine-Hartlages, dieses mal über den Begriff »Angriffskrieg«, wird die Legitimierung des russischen Angriffes besonders deutlich. Jede kriegerische Intervention Russlands fungiere demnach als Stabilisator und Garant für die innere Sicherheit (so auch gegen islamische Einflüsse) und nach Westen hin gegen die Einflussnahme der USA. Die »Flucht nach vorne« sei notwendig, sobald die »eine Seite in die Defensive gedrängt und in ihren vitalen Interessen gefährdet wird. […] Der militärische Aggressor ist sehr häufig gerade nicht der politische Aggressor«, paraphrasiert er die Ansicht, dass die NATO den Krieg Russlands provoziert habe. Abschließend warnt der Autor vor der um sich greifenden Gefahr einer US-amerikanischen »Weltdiktatur«. (05/2022)

Etwa ein Jahr später prophezeit die monatlich erscheinende NPD-Zeitung Deutsche Stimme (DS)[3] hingegen ein »Ende der US-Hegemonie«, zumindest »wenn alles gut geht«. Während Chinas Wirtschaft auf Wachstumskurs und ein »Schulterschluss der eurasischen Großmächte« zu beobachten sei, resümiert Karl Richter, hätten »der Westen, insbesondere die Schlüsselmacht USA, […] viel zu verlieren: globalen Einfluss, Märkte, die finanzielle Kontrolle über die Wirtschaftsströme – letztlich: die globale Hegemonie«. Sascha Roßmüller sieht ein Ende der finanzpolitischen Hegemonie der USA und Alexander Markovics[4] vermutet einen bevorstehenden Krieg der USA gegen China[5] als Ausdruck eines »Kampfes der Systeme«, in dem sich die multipolare Weltordnung und die offene Gesellschaft gegenüber stünden.[6] (06/2023)

Die pro-russische Position der Zuerst! zeigt sich sowohl an der Person Manuel Ochsenreiters, dem 2021 verstorbenen Herausgeber des Blattes, dem beste Beziehungen zu russischen Regierungskreisen sowie zu Aleksandr Dugin nachgesagt werden, als auch an der jahrelangen Präsenz von selbigem in der Zuerst! und dem herausgebenden Verlagsnetzwerk. Dort erschienen von dem Ideologen der russischen Geopolitik eine Biographie Putins (2019) sowie das Buch »Konflikte der Zukunft. Die Rückkehr der Geopolitik« (2015) als eine der ersten deutschsprachigen Veröffentlichungen Dugins. Der Blick auf die Ukraine fällt in der Zuerst! durchgehend kritisch aus: Der Staat sei korrupt, die Gesellschaft in einem Prozess der (abzulehnenden) Verwestlichung. Das Land wird als Spielball in den Machtbestrebungen der NATO gesehen, die aufgrund der Dominanz der USA im Militärbündnis strikt abgelehnt wird. Russland dient auch hier als positiver Gegenpol, obgleich in Interviews und Artikeln zugestanden wird, dass Russland als eindeutiger Aggressor in diesem Krieg benannt werden muss. Seitenlange Ausführungen über die gemeinsame Geschichte von Russland und Deutschland propagieren eine fast schon natürliche Zusammengehörigkeit beider Länder. (03/2022)

Widerstreitende Positionen

Die in dem neonazistischen Magazin N.S. Heute geäußerten Positionen stehen sich unversöhnlich gegenüber, was die Bewertung des Krieges angeht. Während einige in den Ukrainer*innen ein weißes Volk im nationalen Abwehrkampf sehen, schlagen sich andere in einer betont antiamerikanischen und antiwestlichen Haltung nahezu uneingeschränkt auf die Seite Putins. Im Mai/Juni 2022 legte die Redaktion unter dem Titel »Krieg in Europa« eine Schwerpunktausgabe vor. Erstaunlich ist zunächst die Einschätzung von dem mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilten Chefredakteur des Blattes, Sascha Krolzig, wonach die Sympathien der »Mehrheit der deutschen Nationalisten« auf Seiten der Ukraine liegen würden. Dieser Eindruck kann beim Lesen der meisten hier analysierten Publikationen nicht geteilt werden. Dennoch zeigt auch Krolzig Verständnis für den russischen Angriff, der auf das Agieren der NATO und deren Osterweiterung zurückzuführen sei. Deutlich wird, dass die Redaktion keine eindeutige Position für eine der Kriegsparteien bezieht. Eher scheint man besorgt, dass die Situation zu größeren Verwerfungen innerhalb der deutschen Neonaziszene führen könnte. Wie unversöhnlich sich die Positionen zum Krieg in der Ukraine teilweise gegenüber stehen, verdeutlichen zwei Interviews. So rechnet Baldur Landogart[7] in deutlichen Worten mit der NPD und ihrer prorussischen Haltung ab. »Die NPD – mit ihrem Medienorgan Deutsche Stimme butterte […] über Jahre hinweg reichlich Moskauer Interessen zu. Oft völlig geschichtsvergessen, psychisch labil, kritiklos, naiv, teilweise auch feige und dumm, kopierte man eins zu eins RT[8]-Meldungen und ministeriale Kremlberichte. Hauptsache antiamerikanisch und westlich-zivilisionskritisch.« Die Haltung zum Ukraine-Krieg tangiere laut Landogart neonazistische Grundsatzfragen: »Bist du wirklich ein Ethnopluralist und ein Völkerfreund?« […] Oder bist Du ein Anhänger einer imperialistischen oder gar universalistischen Bewegung?« Dass seine Argumentationsgrundlage klar rassistisch ausfällt, macht er abschließend noch einmal deutlich, indem er den Tod »hunderte[r] und tausende[r] [seiner] geistigen Brüder und Schwestern, weiße Menschen von denen es bekanntlich nicht mehr viele gibt«, bedauert. Direkt im Anschluss an das Interview mit Landogart folgt ein Interview mit Karl Richter, der zwar ebenfalls aus der NPD ausgetreten ist, aber weiterhin für die Parteizeitung Deutsche Stimme arbeitet. Darin vertritt er ausschließlich prorussische Positionen. Den Angriff auf die Ukraine bezeichnet er als »völlig, normale[n] konventionelle[n] Krieg, wie er seit eh und je zur Durchsetzung politischer Ziele geführt wird, wenn andere Mittel versagen«. Anders als bei Landogart ist der Krieg hier nicht zwangsläufig heroisch, dafür aber um so kalkulierter – letztlich ein politisches Mittel unter vielen. Im weiteren Gesprächsverlauf übernimmt Richter die üblichen russischen Rechtfertigungen für den Krieg. Den von Landogart als heroisch verehrten ukrainischen Nationalist*innen wirft er Terror gegen die russischsprachige Bevölkerung vor. Das Asow-Regiment bezeichnet er als »Terrororganisation, die den Kopfabschneidern vom ›Islamischen Staat‹ (IS) in nichts nachsteh[e]«. Ihren Unterstützer*innen in Deutschland attestiert Richter einen »manischen Russen- und Putin-Hass«, außerdem müssten diese »völlig durchgeknallt sein«.

»Offensiv auf Seiten der Ukraine« positioniert sich wiederum die Neonazi-Kleinstpartei Der III. Weg, die bereits seit vielen Jahren Kontakte zur neonazistischen Rechten der Ukraine pflegt. N.S. Heute berichtet über die Demonstration des III. Weges am 1. Mai 2022 in Zwickau und nimmt Bezug auf die dort gehaltene Rede des Parteivorsitzenden Matthias Fischer, in der er »Parallelen zum europäischen Abwehrkampf gegen den Bolschewismus [zog], der sich heute unter anderen Vorzeichen wiederhole«.[9] Mit der Klammer des Antiamerikanismus versucht Sascha Krolzig, die Bruchlinien innerhalb der Szene zu kitten und plädiert ganz eigennützig für eine Nichteinmischung: »Als deutsche Nationalisten […] sollten [wir] nun nicht damit anfangen, in Kategorien wie ›pro-ukrainisch‹ oder ›pro-russisch‹ zu denken – als Nationalisten sind wir ›pro-deutsch‹, und das ist alles, um was es wirklich geht.«

Der Identitäre Martin Sellner sieht Europas Rechte und das Konzept des Ethnopluralismus im Sinne eines ›Selbstbestimmungsrechts der Völker‹ angesichts des »slawischen Bruderkrieges« vor einem »brutalen Streßtest«, auf dem Blog der Sezession spöttelt er: »Die ideale Welt eines naiven Ethnopluralismus wäre ein ›Völkerzoo‹, in dem alle Ethnien in ihrem eigenen Gehege hermetisch voneinander getrennt, ›souverän‹ koexistieren. Tatsächlich bräuchte dieser ›Völker-Streichelzoo‹ auch einen Zoowärter, der die Ordnung aufrechterhält, und die Akteure in ihre Grenzen verweist. Paradoxerweise setzt diese Vision einer ›Welt souveräner Nationalstaaten‹, einen Weltsouverän als ›ethnopluralistischen Schiedsrichter‹ voraus!« Eine richtungsweisende theoretische Debatte steht für Sellner daher nach wie vor aus: »Der Ethnopluralismus kann als rechtes Konzept nur überleben, wenn er geopolitisch ›nachrüstet‹ und romantisch-moralische Maximalpositionen aufgibt. Das bedeutet aber, kurz gefaßt, sich dem Konzept des Großraums und der Reichsidee zu öffnen.« (sezession.de, 14.11.2022)

Kritik der deutschen (Außen-)politik

Die Autoren (und eine Autorin) der Sezession teilen die in der extremen Rechten hegemoniale Position, dass das jahrelange Agieren der USA bzw. der NATO ausschlaggebend für die russische Entscheidung zum Angriff der Ukraine war. Die in anderen Periodika zu findende Parteinahme zugunsten Russlands lässt sich für die Sezession in dem Maße jedoch nicht feststellen. Bereits kurz nach Kriegsbeginn kommt hier Olena Semenyaka, eine ultranationalistische Netzwerkerin aus der Ukraine, zu Wort. Semenyaka gilt als Pressesprecherin der ukrainischen Neonazi-Partei Nationalkorps und unterhält gute Kontakte zur extremen Rechten in ganz Europa. Inwieweit der Krieg hätte vermieden werden können, fragt der Vereinsvorsitzende des Instituts für Staatspolitik (IfS), Erik Lehnert, und wendet sich dabei auch der Rolle Deutschlands zu. Anstatt der US-Politik zur Einhegung Russlands uneingeschränkt zu folgen, hätten die deutsche und die europäische Politik auf einen diplomatischen Interessensausgleich hinarbeiten sollen, betont Lehnert, der für das Blatt verantwortlich zeichnet. Die Ukraine sei für Russland ein »geostrategischer Schlüsselraum«, was durch die westliche Politik mit Blick auf einen möglichen NATO-Beitritt der Ukraine missachtet worden sei. (107/2022) Das geopolitische Denken nimmt in der extrem rechten Analyse und Propaganda außenpolitischer und globaler Entwicklungen zwar einen besonderen Stellenwert ein, ist jedoch keineswegs genuin rechts. So beziehen sich die Autor*innen der Sezession in ihrer Analyse des Krieges immer wieder auf prominente Stimmen in der Debatte, etwa den US-Politologen John Mearsheimer, den SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi oder den britischen Journalisten und Autor Tim Marshall.

Auch andere Periodika bemühen sich, auf relevante Persönlichkeiten zu verweisen oder diese in Interviews zu Wort kommen zu lassen. Gleich zweimal stellte sich der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr General a.D. Harald Kujat der Zuerst! für ein themenbezogenes Interview zur Verfügung. Wie Lehnert fordert auch Kujat, dass Deutschland als vermittelnder Akteur auftreten solle. Die Bundesregierung könnte einen »wesentlich größeren Ehrgeiz in ihrem Bemühen um eine Eingrenzung des Krieges, die Deeskalation der Kampfhandlungen, einen Waffenstillstand und schließlich einen Verhandlungsfrieden entwickeln«. Allerdings sei die Einflussnahme Deutschlands begrenzt. Neben Russland als dem »eindeutigen Aggressor« begreift Kujat die USA als »Hauptakteur in diesem Krieg«. Einen Verhandlungsfrieden könnten nur Russland und die Vereinigten Staaten erreichen. (11/2022)

Wie gewohnt geschmacklos fällt der Duktus der Compact in der Frage aus, wie die Rolle der deutschen Außenpolitik zu bewerten sei. So werden in den Compact-Ausgaben der Jahre 2022 und 2023 Bundespolitikerinnen fortlaufend auf frauenfeindliche Art und Weise beschrieben und als »Marionetten«, »Puppen« oder »Kriegshexen« betitelt. Karl Richter bezeichnet die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in der Deutschen Stimme als »willfährige – böse Zungen sagen: besonders unbedarfte – Sprechpuppe« einer »One-World-Agenda«. (03/2023) Hier vermischt sich offener Antifeminismus, der Baerbock die Verantwortung für ihr Handeln abspricht, mit dem strukturell antisemitischen Bild von gesteuerten marionettenhaften Politiker*innen. Es gäbe, so Elsässer in Compact, jedoch auch ein »Gegengewicht« gegen diese kriegstreibenden Politiker*innen, es seien »alte weiße Männer«, »gestandene Machos« namens »Trump, Putin, Xi, Erdogan und Lula«. (03/2023)

Einen besonderen Stellenwert in der Betrachtung der politischen Auswirkungen des Krieges auf Deutschland spielen die Themen Waffenlieferungen und die Rolle der Bundeswehr. Die in der deutschen Öffentlichkeit kontrovers diskutierte Frage, ob es Waffenlieferungen an die Ukraine geben sollte, wird hier vor allem vor dem Hintergrund aufgegriffen, was dies für die »Verteidigungsbereitschaft« Deutschlands bedeute. Diese müsse dringend wieder hergestellt werden, fordert etwa Zuerst!, die auch schon vor dem Krieg kontinuierlich über den aus ihrer Sicht unhaltbaren Zustand der Bundeswehr berichtet hat. Das geschaffene Sondervermögen für die Bundeswehr sieht Udo Voigt, ehemaliger Vorsitzender der NPD (1996-2011) und einstiger Hauptmann, in einem Diskussionsbeitrag für die Deutsche Stimme grundsätzlich positiv, auch wenn er betont, dass Geld nicht das einzige Problem der Truppe sei. Dieser fehle es an »hochmotivierten Soldaten, die wissen wofür sie kämpfen«. Doch auch Voigt ist natürlich kein Fan der Westbindung der Bundesrepublik und möchte den NATO-Austritt. Damit Deutschland im Fall eines Angriffs dennoch ausreichend geschützt wäre, plädiert er für eigene »moderne Nuklearwaffen, zur Abschreckung«. Außerdem müssten »U-Boote mit Atomraketen, verteilt über die Weltmeere […] in der Lage sein, jeden, der unser Land angreift, zu vernichten«. Peter Schreiber attestiert ihm in einer Erwiderung zwar »gewohnt klug und aus seiner politischen und militärischen Erfahrung heraus« zu argumentieren, sieht selbst aber die Grundvoraussetzung, um eine Aufrüstung der Bundeswehr positiv zu werten, nicht gegeben. (05/2022)


Geopolitik

Nachdem die Geopolitik von namhaften Vertreter*innen der politischen Theorie bereits für obsolet erklärt worden war, ist sie in den vergangenen Jahren erneut populär geworden. Sachbücher wie »Die Macht der Geographie. Wie sich Weltpolitik anhand von 10 Karten erklären lässt« des Journalisten Tim Marshall ließen sich international auf den Bestseller-Listen finden. Geopolitik bezeichnet, vereinfacht gesagt, das raumbezogene, außenpolitische Agieren von Großmächten. Die traditionelle Geopolitik deutscher Prägung sei, so Niels Werber in seiner Einführung zum Thema, durch eine massive Komplexitätsreduktion geprägt, die alle politischen, kulturellen oder religiösen Differenzen ignoriere und für das Verständnis von Allianzen und politischen Feindschaften lediglich die Gesetze des Raumes zugrundlege. In der deterministischen und biologistischen Herannahme des Raumes spiegelt sich die deutsche Lebensraumideologie wider. Der Blut-und-Boden-Ideologie des NS folgte die ethnopluralistische Idee des Kulturkampfes, getragen von einer vermeintlichen Natürlichkeit von Grenzen und abgeschlossenen Räumen. Werber zeigt beispielhaft auf, wie sich die Ansätze des BBC-Korrespondenten Tim Marshall und des russischen Neofaschisten Aleksandr Dugin ähneln, wenn sie zu dem Schluss gelangen, dass es Putin, wie schon seinen Vorgängern, nur darum gehe, die geopolitische Lage Russlands zu verbessern. Die »geopolitischen Gesetze« würden demnach die Außenpolitik eines Staates über Jahrhunderte hinweg anleiten. Auf den Raum in der politischen Analyse grundsätzlich zu verzichten führt jedoch zu inhaltlichen Leerstellen, da historische Kontexte immer auch einer »Verräumlichung« und Situierung unterliegen, wie Werber unter Verweis auf den Historiker Karl Schlögel feststellt. Es gelte daher, die »Raumdimension der Gesellschaft« in der Analyse von internationalen Konflikten mit zu bedenken, ohne diese dabei auf eine geografische »Faktizität der Lage« zu reduzieren.

Niels Werber: Geopolitik zur Einführung, Berlin 2022.


Der zweite Teil des Artikels »Der Ukraine-Krieg in der rechten Publizistik« erscheint am Freitag den 28. Juli 2023. Die apabiz-Publikationsreihe magazine nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung.

  1.  Das Adjektiv woke (englisch für wach bzw. erwacht, Substantiv: Wokeness) kommt ursprünglich aus dem afroamerikanischen Englisch und wurde als Selbstbezeichnung genutzt, um das eigene Problembewusstsein für soziale Ungerechtigkeiten und rassistische Diskriminierung zu benennen. Aktuell dient der Begriff rechten Akteur*innen zur Konstruktion von Feindbildern. Diese richten sich gegen alle, die vermeintlich links der eigenen Position stehen. In ähnlicher Weise wurde bereits zuvor gegen ›politische Korrektheit‹ oder sogenanntes Gutmenschentum polemisiert. In den USA sagen derzeit führende Republikaner wie Ron DeSantis dem »woken Mob« den Kampf an. Auch in Deutschland findet der Trend-Begriff zunehmend Verwendung in der politischen Debatte. Das dies nicht auf die extreme Rechte begrenzt bleibt, bewies unlängst Markus Söder (CSU), welcher im aktuellen Wahlkampf in Bayern ebenfalls gegen »Wokeness« wetterte.
  2.  Dass »Frieden« neben anderen Begrifflichkeiten vielfach als leerer Signifikant verwendet wird, wurde bereits an anderer Stelle analysiert, etwa für die rechte Telegramm-Szene in Sachsen. Dahinter stehe, so die Autor*innen, »nicht nur der Versuch, die eigene Agitation als Sache des Guten – wer kann schon gegen Frieden und Freiheit sein? – darzustellen. Es geht auch darum, mit dem leeren Signifikanten ›Frieden‹ Anschlussfähigkeit für ein breites Spektrum esoterisch bis extrem rechts orientierter User*innen anzusprechen.« Vgl. Johannes Kiess, Michael Zichert, Gideon Wetzel: Frieden mit Russland?! Friedensvorstellungen in der extrem rechten Telegram-Szene Sachsens, in: Forschungsjournal Soziale Bewegungen (FJSB), 2022, 35(4):, S. 677–691, hier S. 690.
  3.  Auf einem Bundesparteitag Anfang Juni 2023 in Riesa beschloss die NPD ihre Namensänderung in »Die Heimat«.
  4.  Markovics war einst Aktivist der Identitären Bewegung Österreich und ist aktuell u.a. für das Suworow-Institut, welches sich als »Gesellschaft zur Förderung des Österreichisch-Russischen Dialogs« bezeichnet, als Generalsekretär tätig.
  5.  Bereits zuvor vertrat Markovics die These, dass Russland und China zukünftig die »Speerspitze« einer multipolaren Weltordnung bilden würden. Innerhalb der DS wird dies »kontrovers diskutiert«, wie die Redaktion durch eine Anmerkung deutlich macht, in der es u.a. heißt: »Vertritt man in China nicht einfach nur knallhart eigene geopolitische Interessen?« (03/2022)
  6.  Wenngleich die Einschätzung einer zunehmenden Multipolarität von verschiedenen politischen Lagern, über die Bundesregierung bis hin zu Analysen linker Medien durchaus geteilt wird, unterscheiden sich die damit verbundenen Hoffnungen oder Befürchtungen immens. Vgl. u.a. https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/kanzler-scholz-interview-deutschlandfunk-2127158 | https://www.iz3w.org/artikel/autoritarismus-multipolare-weltordnung | https://www.akweb.de/ausgaben/693/weltsystem-im-wandel-zusammenbruch-der-us-hegemonie/
  7.  Landogart, der eigentlich Tobias Schulz heißt, saß bis zu seinem Parteiaustritt 2019 im Bundesvorstand der NPD. Er ist Chefredakteur des neonazistischen Magazins Werk Kodex und betreibt die Youtube-Kanäle »Avantura« und »re-solut«. Die Inhalte des ersten Kanals beschreibt er als »ethnopluralistische Reisedoku«, darin interviewte er wiederholt Vertreter*innen der ukrainischen extremen Rechten.
  8.  RT (ehemals Russia Today) ist ein russischer Auslandsfernsehsender, konzipiert als Gegenmedium. Aufgrund seiner Desinformationsstrategie wurde dem Sender kurz nach Kriegsbeginn in der gesamten EU die Ausstrahlung untersagt.
  9.  Ähnlich sieht es die Ende 2021 gegründete Partei Neue Stärke, welche sich auch grafisch überdeutlich beim Dritten Weg bedient. So heißt es auf deren Webseite, die »weißen Brüder in der Ukraine« seien eine »antikommunistische Front«, die es zu unterstützen gelte.