Rechte Comics – Teil 2
In den letzten Jahren lässt sich eine Zunahme extrem rechter Comic-Publikationen im deutschsprachigen Raum beobachten. Wiederkehrende Narrative sind der Rächer, der Außenseiter und die dystopische Überzeichnung aktueller politischer Entwicklungen. Die vorliegende Ausgabe von magazine untersucht die jüngsten Comicprojekte der extremen Rechten und gibt einen Einblick in die Bildsprache und Motive der Verantwortlichen.
Von Vera Henßler, Anna Beckmann, Mika Pérez Duarte, Kilian Behrens, Patricia Zhubi
Teil 1 des Artikels »Rechte Comics« ist hier nachzulesen. Der Artikel erscheint im Rahmen der apabiz-Publikationsreihe magazine. Diese nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung.
Comic-Begeisterung im Arcadi-Magazin
Neben eigenständigen Comicveröffentlichungen und abseits von Parteicomics sind in den vergangenen Jahren auch kürzere Comics in Zeitschriften der extremen Rechten publiziert worden, so etwa im Arcadi-Magazin, Jürgen Elsässers Compact oder der Zeitschrift Cato. Das 2021 bereits wieder eingestellte Magazin Arcadi, das sich an ein jugendliches AfD-Milieu mit Affinitäten zur Identitären Bewegung (IB) richtete, sticht dabei besonders heraus. Im Magazin wurden nicht nur zahlreiche Comicveröffentlichungen rezensiert, sondern auch sehr unterschiedliche Comics abgedruckt. Die grafische Machart dieser meist zwei bis vierseitigen Storys kann sich durchaus sehen lassen. Ein Beispiel ist der Comic »Outdoor Illner«. Die Kunstfigur wurde vor einigen Jahren von einem rechten YouTuber aus Trier geschaffen und repräsentiert einen natur verbundenen jungen Mann, der sich mit einer »Mischung aus Blödelei und Menschenverachtung« (Endstation Rechts) insbesondere bei den Identitären einen Namen gemacht hat. So stellt »Outdoor Illner« in dem von Ein Prozent im Herbst 2020 herausgegebenen und kurz darauf indizierten Computerspiel »Heimat Defender« einen der auszuwählenden Charaktere dar. In der vierten Ausgabe von Arcadi verlässt »Outdoor Illner« den Wald und begibt sich auf eine rechte Demonstration. Vor Ort beschimpfen sich die Demonstrierenden aller Couleur gegenseitig als »Nazis«. Nachdem auch »Outdoor Illner« als Nazi angeschrien wird, zieht er sich frustriert mit den Worten »Überlebt oder sterbt«, einer immer wiederkehrenden Phrase in den Comics, zurück in den Wald. In einer weiteren Geschichte (3/2019) trifft »Outdoor Illner« auf Zombies, die sich hilfesuchend an ihn wenden: Die Menschen seien von den Medien verstrahlt und böten keine Nährstoffe mehr, Zombifreunde seien zu Veganern mutiert und demonstrierten für den Hambacher Forst. Der Protagonist kommt mit klugen Ratschlägen zu Hilfe, denn »wer selbst innerlich verrottet, kann den Kosmos nicht wiederherstellen«. Diese wiederkehrenden Motive vertritt der Macher des Comics auch im Gespräch mit Martin Sellner (»MS live«), in dem er die Lektüre von Heidegger und den Rückzug in den Wald als Mittel gegen Defätismus und lähmende Verschwörungsideologien empfiehlt, angesichts der fatalen Situation, in der sich die Rechte weltweit befinden würde.
Andere in Arcadi abgedruckte Comics orientieren sich am Fantasy-Genre oder passen sich ohne Brüche in die heroischen Geschichts-erzählungen der Identitären ein, etwa der Comic Karl Martell (2/2018). Insgesamt sprechen die grafische Qualität der Mehrzahl der Comics, der hohe Stellenwert, die diese im Magazin einnehmen und die Anzahl der beteiligten Personen dafür, dass sich hier einige Rechte gefunden haben, die Comics nicht nur als Sprachrohr ihres politischen Milieus begreifen, sondern die sich auch kontinuierlich mit dem Medium auseinandersetzen.
Geschmacklose Politsatire in Compact
Anders verhält es sich mit dem Compact-Magazin. Über acht Ausgaben präsentierte Compact im Jahr 2021 den jeweils einseitigen Comic »Södolf 2023« von Jürgen Elsässer (Verfasser, Zeichner: Pogg), der ganz dem Niveau und Duktus der Zeitschrift entspricht. »Södolf 2023« lässt sich, anders als die Comics in Arcadi, als Politsatire einordnen: Aktuelle Entwicklungen und großpolitische Debatten werden drastisch über-zeichnet und dystopisch gewendet. Ausgangssituation: Der »permanente Lockdown« wurde im Grundgesetz verankert, woraufhin die Querdenker Berlin besetzt haben. Es kommt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, Medienhäuser werden gestürmt, statt der Tagesschau läuft Compact TV. »Permanenter Ausnahmezustand«, »der totale Aufstieg«, »Deutsches Demokratisches Reich«, es mangelt nicht an historischen Analogien, die schon beim Titel anfangen (Söder ist Kanzler). Die Unfähigkeit der Politik, der schlechte Zustand der Bundeswehr, die alles dominierende Macht von Genderfragen und die Verblödung der Bevölkerung durch kostenfreie Konsumangebote sind die zentralen Narrative, wobei »Södolf 2023« ganz im Compact-Stil zwischen vorhersehbarer rechter Politsatire und Geschmacklosigkeit changiert. Während Karl Lauterbach in Panik verfallen ist (»Viren, Viren, überall Viren«) hat Heiko Maas lediglich eine Liaison mit der US-Außenministerin Ocasio-Cortez im Kopf. Im Kanzleramt besaufen sich Jens Spahn und Christian Drosten und finden schließlich zueinander. Das Ende vom Lied: Nach einem Militärputsch greifen Putins Truppen das Land an. »Södolf 2023« ist kaum dazu geeignet, der Compact ein neues Lesepublikum zu erschließen. Vielmehr wurde hier ein anderes Format gewählt, um die altbekannten Inhalte des Magazins noch einmal als vermeintliche Satire zu verkaufen. Ganz im Sinne des Produktmarketings von Compact ist »Södolf 2023« auch als Hörbuch erhältlich.
Selbstjustiz im Comicformat – Eric Zonfelds »Der Vigilant«
Mitte April 2020 erschienen zeitgleich zwei Hefte der Serie »Der Vigilant (Jahr 2022)« von Eric Zonfeld[1] Die beiden Hefte »Dir selbst so nah, dir selbst so fern« und »Menschen inmitten von Idioten« wurden wie bereits vorherige Bücher von Zonfeld vom HJB-Verlag aus Bonn herausgegeben, der für seine rechten Science Fiction-Publikationen mit einer Mischung aus Verschwörungsmythen, Esoterik und extrem rechten Ideologieelementen bekannt ist. Das Einstiegspanel des ersten Heftes zeigt einen weißen Mann mit einem müden, faltigen Gesicht, das halb im Schatten liegt. Die Textkästen beschreiben Deutschland im Jahr 2022 aus Perspektive des titelgebenden Vigilanten, der nur zwei Möglichkeiten sieht: »Zukünftig wegschauen – oder eingreifen, korrigieren, richten. / Richten!«. Sein Ziel ist es, Deutschland, das Land »der besten Menschen der Welt«, vor »Genderfucks«, »Zuhälterei«, »Wirtschaftskriminalität« und »Gutmenschenunwesen« zu retten. Ausschnitte aus TV-Nachrichten unterbrechen die Beschreibungen des Vigilanten. Politiker*innen wie die Kanzlerinnen Angela Merkel und Ursula von der Leyen tauchen auf, Bundespräsident »Lauck« verkündet, dass der »Islam zu Deutschland gehört« oder auch »Deutschland zum Islam«. Einmal mehr ist auch Heiko Maas repräsentiert, der sich durch Unwissenheit blamiert. Darüber hinaus nimmt der Vigilant die »Blockpartei Ökolix« und die Pro-Resozialisierungsbewegung zum Anlass, das Recht selbst in die Hand zu nehmen und einen wegen Vergewaltigung und Mord Verurteilten umzubringen, der vorzeitig aus der Haft entlassen wurde. Das zweite Heft bleibt erzählerisch ebenfalls auf niedrigem Niveau: Im TV wird berichtet, dass »die Antideutschen« einen Fußballer mit mehreren Messerstichen ermordet hätten, um vor dem wachsenden Nationalismus zu warnen, schließlich entführt der Vigilant den Justizminister. Genauso vorhersehbar wie die Handlung ist die ästhetische Gestaltung. Auch abgesehen von den diskriminierenden Darstellungen überzeugen die Zeichnungen nicht, die Panelstruktur ist simpel. Das angekündigte dritte Heft lässt auf sich warten. Die Frage ist nur, wer wartet?
»Der Vigilant« ist durchzogen von rechten Narrativen. Das Motiv des Vigilantismus[2] wird herangezogen, um Migrant*innen oder den »politischen Feind« anzugreifen und Gewalt zu legitimieren. Zonfeld möchte seine Werke als Satire und »wirklichkeitsnahe« Abbildung verstanden wissen. Die präsentierten eindeutig extrem rechten Verschwörungs- und Gewaltfantasien, die in eine nahe Zukunft verlegt werden, sprechen jedoch ebenso wie die beschworenen Feindbilder für eine zutiefst rechte Motivation. Frauen verachtende, rassistische, behindertenfeindliche und klassistische Darstellungen sowie der Hass auf Umweltaktivist*innen werden bewusst benutzt, um einen vermeintlich widerständigen Protagonisten aufzubauen. Die diskriminierenden Reproduktionen fungieren als die Motivationsgrundlage des rechten Rächers und sollen, wie aus Aussagen des Autors deutlich wird, die Comic-Reihe und den Autor selbst als politisch unkorrekt und folglich widerständig darstellen.
Hydra-Comics: Ein Sammelbecken für extrem rechte Nerds und Comicfans
Mit »Hydra-Comics« existiert seit 2019 ein extrem rechter Verlag, der sich unter dem Motto »Comics gegen Gleichschaltung« auf Comic-Produktionen spezialisiert hat. Im Eigenverlag werden Comics und Fanartikel produziert, des weiteren kauft Hydra Titel aus dem Ausland ein und übersetzt sie. Der Vertrieb liefert auch Veröffentlichungen anderer Verlage, die ins politische Programm passen. Viel Augenmerk erhält das Marketing, so wird großflächig plakatiert, in sozialen Medien gibt es allerlei Beiträge und Videos sowie Aufrufe zur Beteiligung an Projekten. Künstler*innen, die angeblich aufgrund »politischer Differenzen« keinen Platz mehr in der Mainstream-Comicszene finden könnten, werden direkt von Hydra angesprochen und dabei auch finanziell unterstützt: Der IB-nahe AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp vergab dem Verlag im Sommer 2022 ein einjähriges Stipendium in Höhe von monatlich 500 Euro für die Veröffentlichung eines »Abenteuercomics« über den Jagdflieger Manfred von Richthofen. Angesiedelt ist das selbsternannte »kreative Zentrum« der extrem rechten »Gegenkultur« in einem zweistöckigen Neubau in Dresden. Unter dem Banner des extrem rechten Netzwerks Ein Prozent (Vorstand Philip Stein) versammeln sich dort diverse Podcasts und Youtube-Formate. Zudem haben neben dem Jungeuropa Verlag auch die PR-Agentur Archetyp und der Oikos Verlag (Jonas Schick) hier ihren Sitz. Verlags- und Lesetreffen werden gemeinsam durchgeführt.
Wie beim unter derselben Adresse registrierten Oikos Verlag handelt es sich bei Hydra-Comics um ein Ein-Mann-Projekt: Alleiniger Geschäfts-führer ist der ehemalige Bundesvorsitzende der JN, Michael Schäfer. Schon während seiner Zeit bei der NPD versuchte Schäfer, das Medium Comic für extrem rechte Inhalte zu nutzen. Im Rahmen der Bundestagswahl 2009 erschien unter seinem Vorsitz die von der JN herausgegebene deutsche Adaption von »The Fable of the Ducks & Hens.« Auf Facebook nennt Schäfer sich Johnny Smith – frei nach dem Marvel-Bösewicht Johann Schmidt alias Red Skull, früherer SS-Offizier und Gegenspieler von Captain America. Auch der Name des Verlags ist eine Anspielung auf das Marvel-Universum: Hydra ist der Name einer von Red Skull angeführten Geheimorganisation, die je nach Universum aus einer SS-Division heraus entstanden ist oder mit dem nationalsozialistischen Deutschland verbündet war. Um auch wirklich alle Zweifel daran, dass mit dem Verlagsnamen wirklich die Superschurken mit der faschistischen Ästhetik und nicht etwa nur die Wasserschlange aus der griechischen Mythologie gemeint ist aus dem Weg zu räumen, ähnelt die Schriftart des Verlags-Logos dem Titel der 135. Ausgabe von Strange Tales, in der Hydra ihren ersten Auftritt hatte.
Die hauseigenen Hefte sind die »Politisch unkorrekten Bildgeschichten«, in denen Schäfer sich als Texter selbst verwirklicht. Die beiden bisher erschienenen Ausgaben beinhalten ein Vorwort, mehrere einzelne Comicstrips mit jeweils einer »Titelstory« sowie reichlich Platz für selbst-referentielle Werbung, Hinweise auf extrem rechte Kunstprojekte sowie Gedanken des Verlegers. Schon auf der allerersten Seite der Geschichte werden Bezüge zur extremen Rechten sichtbar: Im Zimmer des Protagonisten liegen zwei Ausgaben der Zeitschrift Arcadi und ein Buch des antimodernistischen Philosophen Martin Heidegger, an der Wand hängt ein Poster der von Hydra übersetzten Graphic Novel über das Leben des japanischen Nationalisten Yukio Mishima. Im Zentrum der Fortsetzungsgeschichte steht ein Physikprofessor, der durch die Zeit reist, um den islamistisch motivierten Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im Jahr 2016 zu verhindern. Rein technisch unterscheiden sich die Comics deutlich von vielen anderen hier untersuchten Publikationen: der klassische, mitunter an Deep Noir erinnernde Superheldenstil wirkt künstlerisch hochwertiger als etwa »Emilia and friends«. Die rassistischen, antisemitischen und LGBTIQ-feindlichen Inhalte bleiben trotz der hinzugekommenen Dimension der Zeitreise jedoch dieselben: In der dystopischen Zukunft trägt die Nachrichtenmoderatorin Hijab, Greta Thunberg regiert von einem Hinterzimmer aus die Welt und der Protagonist muss sich durch körperliche Arbeit in der Natur seiner Männlich-keit besinnen, bevor er es mit derart finsteren Mächten aufnehmen kann. Eine Parallele zu einzelnen Parteicomics, zum »Vigilanten« oder auch zu »Södolf 2023« ist jedoch auffällig: Die Darstellungen und Inhalte referieren auf die nahe Zukunft und existierende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wobei dystopische Elemente und die politischen Vorstellungen der Macher keinesfalls fehlen dürfen.
Ethnopluralismus der Nagetiere: »Legenden aus Hamsterland«
Ein Beispiel für die Anwerbung von Comicproduktionen durch den Hydra-Verlag sind die »Legenden aus Hamsterland«. Die zwei Comicbücher des ukrainischen Verlags The Will Production wurden von Hydra übersetzt und verlegt. Im Zentrum der Geschichte stehen Hamster, die nach der nuklearen Katastrophe in Tschernobyl ausgesetzt als »Volk« zusammenfinden. Ideengeber für den Comic ist Denis Fadejew, gezeichnet wurde er von Maksim Bogdanowskyj, der auf Social Media mit der deutschen Ausgabe posierte. Übersetzt wurde der Comic von Christina Brock, die auch für den Jungeuropa-Verlag tätig ist. »Legenden aus Hamsterland« sind dabei nicht das einzige Kooperationsprojekt von Hydra-Verlag und The Will Production: Aktuell wird nicht nur deren Fortsetzung, sondern auch das nächste Vorhaben, ein Steampunk-Comic, beworben.
Zeichnerisch erinnern die Comics an Rittergeschichten. Die Bildsprache richtet sich vor allem an Kinder und junge Erwachsene, die sich mit den Hamstern einfach identifizieren können. Kaufen und Lesen werden den Comic jedoch vor allem Erwachsene aus der extrem rechten Szene. Entsprechend wurden die Veröffentlichungen auch in extrem rechten Medien rezipiert: Die Zeitschrift N.S.-Heute und der Blog tagesstimme lobten die Legenden als »kindgerecht« und für alle, die auf der Suche seien nach »Kinderbüchern ohne ideologische Beeinflussung durch Gender-Thematiken und Multikulti-Propaganda«. Die ideologischen Bezüge der beiden Bücher werden insbesondere für ein politisch versiertes Zielpublikum deutlich. »Legenden aus Hamsterland« bedient sich einer antisemitischen Bildsprache, die sich in der dichotomen Gut-Böse-Welt der Nagetiere manifestiert. Die personifizierenden Zeichnungen der Hamster sind niedlich und in erdigen Farben gehalten. Als Gegenspieler fungieren die Ratten, deren Darstellung durch antisemitische Stereotype und Bildmotive geprägt sind, die seit Jahrhunderten auf Jüdinnen*Juden angewandt werden. Ihre Bösartigkeit wird durch eine gebeugte Körperhaltung und ein aggressives Aussehen unterstrichen. Sie erschaffen einen falschen Götzen, knechten die Mäuse und sind gierig nach Reichtum und Macht. Diese Anspielungen steigern sich in mehreren Sprechblasen, etwa in der Darstellung von »Wanderratten« als Markierung von Heimatlosigkeit oder dem Ausspruch, »dann werde ich auch nichts über die Vorfahren der Ratten sagen«, der als Markierung für eine zweifelhafte sowie schadhafte Herkunft als Antisemitismus zu lesen ist. Auch das antisemitische Motiv des Parasiten fehlt im Comic nicht: »Die lügenden Rattenparasiten« stehen hierbei als Chiffre für den Befall eines fremden (»Volks«-)Körpers. Die Hamster sind hingegen gute Charaktere. In ihrem fürstlichen Volksstaat verrichten sie fleißig ihre Arbeit und schrecken vor Abenteuern nicht zurück. Den Mäusen raten sie, sich als »Volk« zu befreien und es ihnen gleich zu tun. Die Hamster stehen für männlichen Heldenmut und im Zweifel finden sie Halt bei ihren Gottheiten. Getreu traditioneller Weiblichkeitsvorstellungen ist die einzige Frauenrolle eine Pflegerin, ihre Stärken liegen in der Naturheilkunde und Wahrsagerei. Einzig und allein der Hamster-Regent, der mit den Ratten paktiert, ist böse und hinterlistig.
Die Geschichte der niedlichen Nagetiere ist alles andere als harmlos. Bemerkenswert ist, dass die ideologische Dimension des Comics zunächst nicht offenkundig ist. Weitere Comic-übersetzungen durch den Hydra-Verlag sind zu erwarten und geben Auskunft über die sich konstituierende rechte Comicszene und ihre internationale Vernetzung.
Comics und ihre Bedeutung für die extreme Rechte
Es lässt sich also eine Zunahme extrem rechter Comic-Publikationen im deutschsprachigen Raum beobachten, eine Entwicklung, die mehrere Gründe hat. Zunächst: Auch in der Comic-Szene gab es in den vergangenen Jahren ein Umdenken. Rassistische und sexistische Klischees wurden kritisiert, neue BIPoC-Held*innen sind entstanden und es wurde darüber diskutiert, ob Preis-Jurys tatsächlich nur aus weißen Cis-Männern bestehen sollten. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, die jedoch nicht allen gefällt.
Rechte Publikationen, die in den letzten Jahren erschienen sind, handeln hingegen vom Widerstand gegen Feminismus und Klimaaktivismus, sprechen sich für mehr Nationalismus aus und fantasieren von einer linksliberalen Hegemonie, der auch Politiker*innen von CDU, SPD und Grünen angehören würden. Diffamiert werden insbesondere Personen, die mit ihren progressiven Positionen in der Öffentlichkeit stehen. So wird zum Beispiel Greta Thunberg immer wieder in diffamierender Weise dargestellt und als Teil einer Verschwörung charakterisiert. Eine große Rolle in vielen dieser rechten Comic-Publikationen spielen die vermeintliche Unterdrückung der deutschen Bevölkerung oder die Bedrohung der Freiheit des Einzelnen durch eine Elite aus Umweltaktivist*innen, Feminist*innen und Politiker*innen im Zusammenspiel mit den Medien. Aus dem Status des Opfers heraus schaffen es Figuren wie der »Vigilant« oder »Outdoor Illner«, um sich dann entweder in Selbstjustiz zu üben oder der Natur und dem wahren Leben zuzuwenden.
Der qualitative Unterschied zwischen den verschiedenen extrem rechten Comic-Publikationen ist enorm. Das ist nicht verwunderlich, da sie genauso wie alle anderen Comics von unterschiedlichen Zeichner*innen unter verschiedenen Bedingungen und Motivationen entstanden sind. Den Herausgeber*innen und Zeichner*innen vieler jüngerer Veröffentlichungen kann im Gegensatz zu den von rechten Parteien heraus-gegebenen Comics vielfach nicht bescheinigt werden, sich nicht mit Comics auszukennen. Vielmehr sind sie Comic-Fans und Kenner*innen, die sowohl mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen als auch mit der Comic-Szene unzufrieden sind. Sie verstehen Comics nicht nur als ein Medium, das für Kinder gemacht wird oder in dem man diffamierende und diskriminierende Darstellungen unter dem Deckmantel der Satire verstecken kann. Ihnen geht es um einen Kulturkampf von rechts. Dabei wird eine homogene kulturelle Sphäre inklusive Popkultur und Comic-Kunst herauf beschworen, die etwa von Feminist*innen beherrscht werde und in der es, wie zu erwarten, eine »Cancel Culture« gäbe. Dabei stellt man sich selbst als Kämpfer*innen gegen die heraufbeschworene Hegemonie dar.
Anders verhält es sich mit den Partei-Comics von AfD und Co. Sie verfolgen eine Strategie, die mit dem Vorurteil zu tun hat, dass Comics leichte Kost und für Kinder seien. Sie eint der Versuch, ein junges Publikum anzusprechen, in dem das Medium Comic gewählt wird, um parteipolitische Inhalte zu verbreiten. Die erzählerische Qualität und Tiefe dieser Partei-Comics ist desaströs, viele sind obendrein auch künstlerisch schlecht umgesetzt. Konservative bis extrem rechte Parteiprogramme in Comicform zu pressen ermuntert allenfalls das eigene Milieu und mitnichten junge Menschen, die gerne gut gemachte Comics lesen. Im Gegensatz dazu nutzt der von Hydra-Comics übersetzte ukrainische Comic »Legenden aus Hamsterland« eine spezifische Ästhetik von Mittelalter- und Fantasiegeschichten, um ein sehr junges Lesepublikum zu erreichen. Wie auch bei den weiteren Veröffentlichungen des Verlags stehen Ästhetik und Geschichte im Vordergrund. Dies führt im Falle der »Legenden aus Hamsterland« dazu, dass die antisemitischen und völkischen Inhalte auf codierte Weise kommuniziert werden. Neben dem Versuch, emanzipatorischen Veränderungen in der Comic-Szene etwas entgegenzuhalten oder Comics als Medium für ein junges Publikum zu nutzen, kann die steigende Anerkennung von Comics als Medium im deutschsprachigen Raum ein Grund für die Zunahme von extrem rechten Comic-Veröffentlichungen sein. Deren Produzent*innen möchten auf den Zug aufspringen und den Aufschwung nutzen, den der Comic-Markt jüngst zu verzeichnen hatte. Das zeigt sich auch an dem ausgeprägtem Konsumangebot an Fan-Artikeln, Podcasts oder neuen Titelblättern. Allerdings passt dies nur schwer in das ständig wiederholte Mantra von einem »linkskapitalistischen Verwertungs- und Optimierungsprozess« (Hydra-Comics), den man bekämpfen müsse. Um so mehr versuchen sich die Herausgeber*innen und Zeichner*innen selbst auf ihren Blogs, in Foren und auf Veranstaltungen als eine rebellische Minderheit zu inszenieren, ähnlich wie ihre Protagonisten.
Trotz der steigenden Anzahl von extrem rechten Comic-Publikationen bleiben die rechten Comic-Schaffenden unter sich. Versuche, sich in der deutschen Comic-Szene zu etablieren, scheiterten bislang. Schnell gab es Diskussionen zwischen Zeichner*innen, Herausgeber*innen von Fachzeitschriften und Verlagen mit dem Ergebnis, den Versuchen von rechts keinen Raum zu geben. Dieser kritische Umgang war für Hydra-Comics wiederum Anlass, sich als Opfer darzustellen. Dass die extrem rechten Comics und ihre Produzent*innen keinen Anschluss finden, spiegelt sich auch in den Schaufenstern der Comic-Läden wider, in denen üblicherweise keines der hier besprochenen Bücher oder Hefte zu finden ist. Auch auf Festivals, bei Preis-verleihungen und Messen spielen diese Comics keine Rolle. Somit bleibt die Wahrscheinlichkeit gering, dass die weniger offensiven Publikationen wie »Legenden aus Hamsterland« nicht aus Versehen in die Einkauftasche von Comic-Leser*innen verirren. Die nicht zuletzt durch Hydra-Comics erreichte Professionalisierung von Erzählungen, Ästhetik und Vermarktung bleibt vorerst reine Selbstbespaßung der extremen Rechten.
Alle hier besprochenen Comics können in unserem Archiv eingesehen werden.
- ↑ Andere Publikationen von Erik Zonfeld sind u.a. »A H – Ich war nie weg« und »Adolf Hitler – Der totale Frieden. Eine diabolische Politsatire« (Scipio, 2013), die ebenfalls vom HJB-Verlag vertrieben werden.
- ↑ Unter Vigilantismus wird eine soziale Bewegung (in der Gegenwart meist von rechts) verstanden, die wegen eines vermeintlichen nationalen Notstandes oder einer Bedrohung zur Selbstjustiz und Gewalt greift, vgl. Felix Korsch: Materialien zu Vigilantismus und zum Widerstandsdiskurs der sozialen Bewegung von Rechts, in: Friedrich Burschel (Hrsg.): Durchmarsch von rechts. Völkischer Aufbruch: Rassismus, Rechtspopulismus, rechter Terror, 3., überarbeitete Auflage, Berlin 2018.