»Staatsfeinde in Uniform« – Eine Kontinuitätslinie rechten Terrors
Rezension: Dirk Laabs: Staatsfeinde in Uniform. Wie militante Rechte unsere Institutionen unterwandern. Ullstein Verlag, Berlin 2021, 448 Seiten, 24,- Euro.
Von Caro Keller (NSU-Watch)
In keinem Bereich des rechten Terrors wird das geflügelte Wort vom »Einzelfall« von Politiker*innen und Sicherheitsbehörden öfter verwendet, als wenn es um die Verstrickung von Bundeswehr und Polizei in die extreme Rechte geht – und das immer noch ohne rot zu werden. Der Journalist Dirk Laabs liefert mit seinem neuen Buch »Staatsfeinde in Uniform. Wie militante Rechte unsere Institutionen unterwandern« den Beweis, dass es sich bei diesem Phänomen um nichts weniger als eine Kontinuitätslinie rechten Terrors handelt, die spätestens mit der Selbstenttarnung des NSU hätte gekappt werden können und müssen. Stattdessen befinden wir uns nun in einer Situation, in der gut ausgebildete und bewaffnete Soldaten und Polizisten ernstzunehmende Terrorpläne schmiedeten, bei denen unklar ist, ob sie durch die Enthüllungen der letzten Jahre – die vor allem Politiker*innen und Journalist*innen zu verdanken sind – wirklich vereitelt wurden.
Ein strukturelles Problem
In diesem Buch, das auch eine aktuelle Bestandsaufnahme zu rechtem Terror in Deutschland zum Zeitpunkt Anfang 2021 ist, zieht der Autor diese Kontinuitätslinie tiefgreifend nach und untersucht unterschiedliche Ebenen. Laabs zeigt dabei konkret die Entwicklung rechter Strömungen innerhalb der Bundeswehr, insbesondere im Kommando Spezialkräfte (KSK). Die rechten Narrative, auf die sich diese Strömungen beziehen, wurzeln in den Taten der Wehrmacht und der SS und im Ausblenden der Verbrechen der Wehrmacht. Keine Einzelfälle, sondern ein strukturelles Problem, wie der Autor zeigt: »Nur eine Minderheit in der Bundeswehr war rechtsradikal, doch die Mehrheit ließ diese Minderheit seit Jahrzehnten unbehelligt agieren, das war das Problem.« Eine Pauschalkritik treffe daher durchaus den Kern (S. 273).
Auch in diesem Bereich des rechten Terrors spielen Geheimdienste eine tragende Rolle – wenig überraschend nicht auf der Seite der Aufklärung und Verhinderung. Laabs zieht hier einen Vergleich zu deren Vorgehen im NSU-Komplex: »Ziel [war es], möglichst viele Informanten zu werben und Informationen zu sammeln. Zum Ziel gehörte es aber nicht, irgendetwas mit dem Wissen anzufangen.« (S. 58) Dementsprechend versuchte der Militärische Abschirmdienst (MAD) gar nicht, Rechte aus der Bundeswehr rauszuhalten, sondern wollte sie als Informanten gewinnen. In dieser Vorgehensweise, das legt Laabs ausführlich dar, besteht nicht nur eine Parallele zum NSU-Komplex, sondern man befindet sich mittendrin: Zahlreiche Neonazis aus dem NSU-Unterstützungsnetzwerk leisteten selbst den Wehrdienst ab und wurden vom MAD zumindest befragt oder angeworben.
Verbindende Ideologie
Doch die entscheidende Verbindung zwischen verschiedenen rechtsterroristischen Phänomenen sind nicht (nur) die Geheimdienste, sondern die gemeinsamen rechten Ideologien und Narrative. Sicherheitsbehörden seien nur in der Lage, Gruppen und Organisationen zu erkennen, so der Autor. Dabei stünden diese in der Kontinuität des rechten Terrors hinter den »immer gleichen Zielen« und den handelnden Individuen letztlich zurück. (S. 215ff.) Bei den Behörden, der Justiz und in Teilen der Berichterstattung, das wissen wir, ist diese Erkenntnis bis heute nicht oder nur teilweise angekommen. Hier gilt weiterhin: Wer nicht in der NPD oder in einer Kameradschaft war, kann kein Neonazi sein.
Eines der verbindenden Ideologie-Elemente, das insbesondere bei rechten Polizisten und Soldaten zum Tragen kommt, nämlich Männlichkeit und die daraus resultierende Phantasie, Frau und Volk beschützen zu müssen, kommt in Laabs Analyse zu kurz. Dies hätte aber die Frage nach dem ›Warum?‹ sicher zutreffender beantwortet als eine der Schlussfolgerungen aus »Staatsfeind Uniform«, die sich als ›Extremisten sind halt so‹ zusammenfassen lässt. Auf der Faktenebene hat Laabs nach »Heimatschutz« jedoch erneut ein Standardwerk geschrieben, in dem Franco A., Marko G. oder »Hannibal« endlich nicht mehr als bedauerliche Einzelfälle dargestellt werden, sondern dort eingeordnet werden, wo sie hingehören: in die Kontinuität rechten Terrors.