Berliner AfD: Mangelnde Distanz zu völkisch-nationalistischen Kräften trotz formeller Auflösung des »Flügels«

Pressemitteilung: Personen aus dem völkisch-nationalistischen Spektrum nehmen weiterhin Schlüsselpositionen im Berliner Landesverband der AfD ein. Mehr als ein Drittel des Landesvorstands vertritt entsprechende Ansichten und Positionen, zu deren Umsetzung unter anderem das Netzwerk des mittlerweile formell aufgelösten »Flügels« gegründet worden war.

Das gilt auch für mehr als ein Drittel der Mandatsträger*innen im Abgeordnetenhaus (AGH) sowie ein Drittel der Listenplätze für die kommende AGH-Wahl und etliche Kandidat*innen für die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). Das haben Recherchen des apabiz ergeben.

Die Berliner AfD bleibt auf das aktivistische Potential und die Loyalität seiner radikalsten Anhänger*innen offenbar angewiesen. Diese haben ihren Einfluss zuletzt verstetigen oder sogar ausbauen können. Das Beispiel des Landesverbands zeigt, dass sich die offen völkisch-nationalistischen Kräfte nicht von dem vorgeblich weniger radikalen Teil der Partei trennen lassen. Darüber kann die formelle Auflösung einer Struktur wie der des »Flügels« nicht hinwegtäuschen.

sagt apabiz-Mitarbeiter Frank Metzger.

Völkisch-nationalistische Dominanz in Marzahn-Hellersdorf

Der Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf bleibt Haupteinflussbereich des völkisch-nationalistischen Spektrums, der Vorstand wird durch entsprechendes Personal dominiert. 2017 lud der Bezirksverband Björn Höcke zu einer Wahlkampfveranstaltung ein. Ein Jahr später wurde das erste »Wartenberger Fest« der »Berliner Freunde des Flügels« auf der Bezirkswebsite als »voller Erfolg« gefeiert.^[1] Die Bezirksvorstandsvorsitzende, Jeanette Auricht, war bis zur formellen Auflösung Vize-Obfrau des Berliner »Flügels«. Im März 2021 wählte der AfD-Landesverband sie zur stellvertretenden Vorsitzenden. Mit Gunnar Lindemann (Beisitz) und Vadim Derksen (Beisitz) sind somit drei völkisch gesinnte Bezirksverbandsmitglieder im neuen Landesvorstand. Die überproportionale Repräsentation des Bezirks könnte auf die sehr hohen Ergebnisse bei den vergangenen Wahlen zurückzuführen sein.

Parteiausschluss bleibt ergebnis- und folgenlos

In Steglitz-Zehlendorf, dem Bezirk der neugewählten Landesvorsitzenden und AGH-Spitzenkandidatin Kristin Brinker, ist der Einfluss völkisch-nationalistischer Kräfte quantitativ weniger offensichtlich aber dennoch virulent. Ausgerechnet Andreas Wild tritt hier als Direktkandidat für das AGH^[2] an und sitzt neben Brinker im Bezirksvorstand.^[3] Auf seiner Website, Staatsreparatur.de, bewarb Wild zuletzt im Januar 2020 ein »Flügel«-Treffen in Berlin.^[4] Während Brinker das bisher offensichtlich folgenlose Ausschlussverfahren gegen Wild in einem Interview mit dem Tagesspiegel begrüßt, hat sie gegenüber dem Reinickendorfer AGH-Direktkandidaten und ehemaligen Landesobmann des formell aufgelösten »Flügels«, Thorsten Weiß, keine Berührungsängste. Weiß war nicht nur nach eigener Auskunft Gastgeber des ersten »Wartenberger Fests«, sondern zudem 2019 Hauptorganisator des »Kyffhäuser-Treffens«, das mehrere Jahre die zentrale bundesweite »Flügel«-Veranstaltung war. Am 09. März 2021 gab er seine Unterstützung für Brinkers Kandidatur bekannt. Der Vertraute und Freund des Faschisten Björn Höcke und die oft als »moderat« bezeichnete Vorsitzende machen trotzdem gemeinsam Wahlkampf – zuletzt vergangenen Samstag bei einem »Bürgergespräch« in Reinickendorf.^[5]

Ein weiterer Vertreter des völkischen Spektrums im Landesvorstand ist der Vorsitzende der Jungen Alternative Berlin (JA Berlin), Vadim Derksen. Die JA Berlin unterhielt ein enges Verhältnis zum formell aufgelösten »Flügel« und wird vom Verfassungsschutz als »Verdachtsfall« eingestuft. Ihre Youtube-Videos werden von Höcke und der extrem rechten Bewegungsorganisation »Ein Prozent« beworben.^[6] Auch Kristin Brinker ist um ein gutes Verhältnis zum Parteinachwuchs bemüht und setzt auf dessen Unterstützung im Wahlkampf.^[7] Mit Vadim Derksen, Martin Kohler, Patrick Fritsch und Ferdinand Vogel kandidieren dieses Jahr mindestens vier JA-Mitglieder für die AGH- und BVV-Wahlen. Sie sind dem völkisch-nationalistischen Spektrum zuzuordnen und pflegen Kontakte zu burschenschaftlichen und identitären Strukturen.

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