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Auf Dauer gegen rechts

Das apabiz feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass haben wir eine Kampagne gestartet, um die finanzielle und politische Unabhängigkeit unseres Vereins in Zukunft sichern zu können. Denn die Arbeit gegen die extreme Rechte wird auf Dauer notwendig bleiben.

Vom Team des apabiz

Vor inzwischen drei Jahrzehnten begannen wir, unser Archiv zu einem beständigen Projekt auszubauen und uns mit einem eigenen Verein zu etablieren. Heute müssen wir uns, genauso wie viele andere antifaschistische Initiativen, neuen Herausforderungen stellen, die es damals nicht gab. Aber schon Anfang der 1990er-Jahre beschlossen wir, dass wir als Projekt finanziell und damit auch politisch unabhängig bleiben wollen und müssen, um glaubhaft antifaschistische Positionen vertreten zu können.

Damit das auch in Zukunft so bleibt, haben wir im Oktober eine Kampagne gestartet um mindestens 200 neue, dauerhafte Unterstützer*innen für unser Archiv zu finden. Dankenswerter Weise haben wir dafür auch prominente Mitstreiter*innen gefunden, die uns dabei helfen. Mehr zur Kampagne findet ihr auf den weiteren Seiten dieses Rundbriefes sowie unter auf-dauer.apabiz.de.

Ein gewachsenes Archiv

Unsere Bestände sind in den vergangenen Jahrzehnten, wenig überraschend, enorm gewachsen. Dabei spielen Nachlässe und Schenkungen eine immer größere Rolle. Menschen oder Organisationen, die jahrelang zu den Phänomenen der extremen Rechten geforscht und dagegen gekämpft haben, überlassen uns ihre bemerkenswerten und unersetzlichen Sammlungen. In unseren Räumen in der Lausitzer Straße 10 in Kreuzberg können wir die Menge an Materialien aktuell kaum angemessen unterbringen. Das liegt auch an den schlechten klimatischen Bedingungen in der unsanierten Fabriketage: vor allem Älteres liegt hier zu sonnig und mit zu hohen Temperaturschwankungen im Regal. Ein Umbau steht daher im kommenden Jahr ganz oben auf dem Zettel.

Die Digitalisierung stellt alle Archive und damit auch uns vor große Herausforderungen. Es gilt die bisherigen Bestände zu digitalisieren und so leichter zugänglich zu machen. Die gestiegenen Ansprüche von Nutzer*innen, die häufig vom gewohnten Komfort einer Internet-Suche ausgehend erwarten, Millionen von Einträgen per Knopfdruck von der heimischen Couch durchsuchen zu können, lassen sich unsererseits jedoch schwerlich erfüllen. Das hängt neben begrenzten Kapazitäten auch damit zusammen, dass Urheber*innenrecht und Datenschutz bei der Onlinestellung von Material zu beachten sind. Wer hätte etwa beim Schreiben eines Flugblatts in der örtlichen Jugend-Antifa schon gedacht, dass dieses eine schöpferische Leistung darstellt, die urheberrechtlich geschützt ist? Im Fall extrem rechter Publikationen dürften wir zudem – gelinde gesagt – Schwierigkeiten haben, zu einer entsprechenden Einigung mit den Rechteinhaber*innen zu kommen, ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten, die ein unbeschränkter digitaler Zugang zu hunderten Regalmetern menschenverachtender Nazipropaganda mit sich bringen würde.

Doch die Digitalisierung des Analogen ist nur eine Seite der Problematik (und womöglich die besser überschaubare). Gleichzeitig gilt es der gesamtgesellschaftlich veränderten Form der Kommunikation Rechnung zu tragen. Zwar spielen Printmedien und Vernetzungstreffen weiterhin eine wichtige Rolle innerhalb der extremen Rechten, doch ein Großteil des Austausches verlagert sich auf teils klandestine Chatgruppen und diverse Soziale Medien. Neben dem Zugang zu diesen Kanälen sind es die stetig anwachsenden Datenmengen, die eine Archivierung – die mehr sein muss, als das bloße Herunterladen von Unmengen Terabytes – erschweren. Doch es hilft alles nichts: Da wir auch zukünftig die von der extremen Rechten ausgehenden Gefahren adäquat analysieren und außerdem Überlieferungslücken in unserem Bestand vermeiden wollen, müssen und wollen wir uns dem Thema Digitalisierung annehmen. Dabei setzen wir auf den Austausch mit anderen Archiven und unseren Nutzer*innen. 2021 haben wir erstmals eine Förderung für die Digitalisierung eines Teilbestandes erhalten. Das hier neu angeeignete Wissen und die geknüpften Kontakte sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Die Wissenschaft zu Gast

In den letzten Jahren konnten wir feststellen, dass mehr und mehr Wissenschaftler*innen den Weg in unser Archiv finden. Das freut uns sehr. Gerade die Geschichtswissenschaft hat sich dem Thema »Extreme Rechte nach 1945« seit Kurzem verstärkt angenommen. Die aus dem ganzen Bundesgebiet und teilweise europäischen und außereuropäischen Ausland zu uns kommenden Studierenden, Doktorand*innen und Professor*innen machen deutlich, wie wichtig die im apabiz archivierten Dokumente für ihre verschiedenen Disziplinen sind. Gern leisten wir hier unseren Beitrag.

Die zunehmende kritische Erforschung extrem rechter Politik kann unserem antifaschistischen Anliegen nur helfen. Gleichzeitig möchten wir an dieser Stelle betonen: Das apabiz war und ist immer auch ein Ort von und für Aktivist*innen. Ohne die jahrzehntelange Unterstützung eines breiten Netzwerks von Helfer*innen gäbe es das apabiz und seine Bestände heute wohl nicht. Ein Ort an dem beides – Aktivismus und Wissenschaft – Platz hat, schließt sich indes keineswegs aus. Er birgt viel mehr Chancen für einen notwendigen gemeinsamen Austausch.

Die Veränderungen der antifaschistischen Bewegung(en) finden ihren Niederschlag auch in unserer Arbeit. Heute ist der Austausch eher digital als dass uns stapelweise Flugblätter und Plakate zugeschickt werden. Während wir früher fast ausschließlich in einer engen Zusammenarbeit mit antifaschistischen Gruppen und Bündnissen standen, arbeiten wir heute in einem Verbund mit anderen antifaschistischen Archiven, mit denen wir auch einen gemeinsamen Online-Bibliothekskatalog betreiben.

Herausforderungen

Die Bedeutung von Freien Archiven wie dem apabiz wird in Zukunft weiter zunehmen. Die 1990er-Jahre werden von einer jungen Generation von Aktivist*innen und Akademiker*innen untersucht und beforscht. Das schafft neue Herausforderungen; aber es birgt vor allem die Möglichkeit, die Überlieferungen der sozialen Bewegungen neu zu entdecken und in die Geschichtsschreibung einzubringen.

Die Auseinandersetzungen um rechten Terror beispielsweise zeigen, wie wichtig es ist, in Archiven nach Spuren der Entstehung der militanten Naziorganisationen, nach ihren Diskussionen, nach den Täter*innen aber auch nach den Betroffenen des Terrors suchen zu können. Ohne diese Hinweise wäre die Aufklärung des NSU-Komplexes so nicht möglich gewesen. Mit dem Wissen der Archive kann direkt in politische Diskurse interveniert werden.

Diesem Angriff auf eine kritische Geschichtsschreibung – durch die falsche Extremismustheorie und durch die wachsende Akzeptanz extrem rechter Narrative – werden wir begegnen müssen.

Das weiß auch die extreme Rechte, und ihnen sind antifaschistisches Wissen und Aufklärung über extrem rechte Strukturen daher ein Dorn im Auge. Alle Projekte, die sich gegen rechts engagieren, stehen unter dem Generalverdacht, »extremistisch« zu sein und müssen sich damit herumschlagen, durch eine parlamentarische Initiative der AfD oder durch eine bürokratische Fessel der Verwaltung in ihrer Arbeit behindert zu werden.

Diesem Angriff auf eine kritische Geschichtsschreibung – durch die falsche Extremismustheorie und durch die wachsende Akzeptanz extrem rechter Narrative – werden wir begegnen müssen. Die eigenen Überlieferungen müssen sichtbarer werden und damit sind die aller sozialen Bewegungen gemeint, die aus etablierten Institutionen ausgeschlossen werden.

Da ist es von Vorteil, sich nicht ausschließlich auf die staatlich geförderte Projektelandschaft zu verlassen oder nur aus jenen Töpfen gefördert zu werden, die politischen Konjunkturen unterliegen. Zumindest eine Grundsicherung des Archivbetriebs haben wir immer versucht, in den eigenen Händen zu behalten. Ja, selbst das ist schwierig, aber wir wollen trotzdem daran festhalten. Denn es gehört zu den Kernaufgaben antifaschistischer Initiativen, ohne Rücksicht auf angebliche »Neutralitätsgebote« oder die Befindlichkeiten von geldgebenden Institutionen die zunehmende Etablierung faschistischer Politiken auf den Straßen und in den Parlamenten kritisieren zu können. Wir hoffen und gehen davon aus, dass unsere Unterstützer*innen das genauso sehen und wir auf sie auch in Zukunft bauen können – auf Dauer.


Der Kampf gegen rechts ist nicht umsonst. Seit 30 Jahren beobachtet das apabiz die extreme Rechte und ihre rassistischen, antisemitischen und neonazistischen Ideologien. Es ist das umfangreichste Archiv dieser Art – und es ist so viel mehr: Die systematische Auswertung und Aufarbeitung des gesammelten Materials sind unverzichtbarer Bestandteil im Kampf gegen rechts, sie machen die Sammlung für Forschung, Wissenschaft, Medien und die Zivilgesellschaft nutzbar.

Dieser Kampf braucht einen langen Atem. Die Arbeit des apabiz muss auch in Zukunft gesichert sein. Mit deiner Dauerspende! Weitere Informationen unter: https://auf-dauer.apabiz.de.