Rechte Männerbilder – Teil 1

Die (extreme) Rechte ist männlich geprägt, männlich dominiert, männerbündisch organisiert. Doch keine rechte Partei fordert in ihrem Programm eine offensive männliche Dominanz oder gar Herrschaft. In keiner rechten Publikation wird das Patriarchat explizit verteidigt. Rechte Männer (und Frauen) halten es versteckt am Laufen und wollen es restaurieren. Wie, das untersucht diese sechste Ausgabe der magazine.

von Kilian Behrens, Vera Henßler, Frank Metzger, Patrick Schwarz, Eike Sanders und Luis Winterfeldt

Was als normal angesehen wird, wird nicht benannt, wird nicht erklärt, weil alle sich einig zu sein scheinen, was gemeint ist. Normen funktionieren am besten unmarkiert. Erst eine Benennung von Selbstverständlichkeiten kann zur Infragestellung und Kritik führen. Geschlechterbilder der extremen Rechten beruhen auf der Vorstellung, dass die natürliche Ordnung nur Männer und Frauen vorsieht, dass es keine anderen Geschlechter und keine andere Sexualität als die heterosexuelle gäbe, die vor allem dem Kinderkriegen – für ›das Volk‹ – dienen solle. Diese Vorstellung ist in vielen Fällen eine Zuspitzung dessen, was ohnehin in weiten Teilen der Gesellschaft die Norm ist. Doch auch eine Norm ist nicht überzeitlich, sondern durch emanzipatorische Kämpfe wandelbar. Feministische und queere Kritik an der Dominanz bestimmter Männlichkeitsideale gibt es seit Jahrhunderten, es ist der Kampf gegen die Unsichtbarkeit von Frauen, Männern und Queers, die nicht in die Norm passen können oder wollen. In den letzten Jahren haben feministische Kämpfe zugenommen und unhinterfragte Tabus und Normen ins Licht gerückt, sei es die Alltäglichkeit sexualisierter Gewalt durch #metoo oder die Sichtbarmachung von Männerdominanz an den Orten, wo Menschen vorgeben, dass Geschlecht keine Rolle spiele. Männer – das heißt vor allem: Männer, deren Identität mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt, Männer, die heterosexuell sind, die weiß sind, die nicht behindert oder arm sind – machen Politik, machen Geschichte und machen rechte Publikationen. In der vorliegenden Ausgabe der magazine haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Männlichkeitsvorstellungen aus der Unsichtbarkeit zu ziehen. Dafür betrachten wir, wie ein rechtes Männlichkeitsideal konstruiert wird, welche Eigenschaften und Rollen ihm zukommen und wo es als bedroht gilt. Indem auch untersucht wird, wie der rechte Blick auf die Gegenkonzepte ist – Weiblichkeit, Queerness, nicht-weiße Männlichkeiten – lässt sich dieses Männlichkeitsbild besser freilegen. Dabei bedingen sich die ideologische Gutheißung von der Dominanz bestimmter Männer und die tatsächliche Dominanz gegenseitig: Die (extreme) Rechte ist von Männerbünden und Seilschaften geprägt und das findet sie nicht mal falsch.

Die eigenen Männlichkeitsbilder

Zunächst soll die dargestellte ›eigene‹ Männlichkeit charakterisiert werden: Was macht Männlichkeit im rechten Weltbild aus? In welchen Zusammenhängen definiert sich Männlichkeit? Welche Rolle spielen Konzepte wie soldatische Männlichkeit oder der Mann als ›Beschützer des Volkes und der Familie‹?

Beginnen wir mit der nationalkonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit. Dort, wo Männlichkeit explizit genannt und beschrieben wird, wird meist ein positives Bild einer bürgerlichen, ehr- und wehrhaften und soldatischen Männlichkeit gezeichnet – oder der Mangel dieser Eigenschaften beklagt. Es fällt eine Fülle an Artikeln über die Bundeswehr auf, von der kurzen Meldung zum bestätigten Verbot langer Haare bei Männern, über das ständige Abarbeiten an der ehemaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bis hin zu einer Homestory über maßgeschneiderte Uniformen. In Abwandlung des Zitats von Gustav Heinemann zum Umgang mit den Schwachen wünscht sich die Junge Freiheit eine größere Wertschätzung »unserer Soldaten«: »Man erkennt den Wert einer Gesellschaft auch daran, wie sie mit jenen verfährt, die für sie stark sein müssen, um sie zu verteidigen.« (25/2018) Männlichkeit befindet sich zwischen Disziplin und Gehorsam im positiven, soldatischen Sinne und gefährlicher, da widernatürlicher Disziplinierung. So betrachtet Michael Klonovsky, antifeministischer Autor und persönlicher Referent Alexander Gaulands (AfD), beispielhaft das Fußballstadion als die »wichtigste Kultstätte« der Erde, denn hier könne sich eine archaische, freie Männlichkeit noch ausleben: Im Rudel, im Kampf, ohne Tabus, auf den Rängen »parteinehmende Enthemmung und […] Triebabfuhr«. Inzwischen sei aber auch der Fußball und mit ihm vor allem »nur der westliche weiße männliche Teil der Menschheit« an allen Ecken und Enden unter »Tugendterrorbeschuss«. Der weiße Mann stehe demnach nicht nur hinsichtlich seiner Verhaltensweisen unter Druck und wird diszipliniert, das Ganze habe auch eine finanzielle Komponente: »Moralisches Fracking läuft so, daß unter hohem Druck Schuldgefühle in die Gesellschaften gepreßt werden, aus denen sich Geld herausspülen läßt.« (36/2019)

Auch das rechtskonservative zweimonatlich erscheinende Magazin CATO moniert, dass Männer heute diszipliniert würden. »Gefährdete Gesten« heißt eine Reihe im Magazin, in der sich auch der Handlung »Sich nach einer Frau umdrehen« gewidmet wird. Diese »Geste«, so beklagt der Autor Alexander Pschera, sei der »emanzipatorisch motivierten Umerziehung beider Geschlechter« zum Opfer gefallen. »Der moderne Mann beherrscht diese Unterdrückung seines Urinstinkts mittlerweile mit eiserner militärischer Disziplin.« (03/2019)

Im Pegida- und AfD-nahen, verschwörungsideologischen Monatsblatt Compact stellen ebenfalls starke heterosexuelle Männer das Idealbild dar. Ein Mann sei in der hier präsentierten Vorstellung wehrhaft und entschlussfreudig, er weiß, was er will. Für Familien gilt die heterosexuell-bürgerliche Variante als das »natürliche« Ideal. Die regelmäßige Kolumne »Schöne des Monats« präsentiert ein einziges Mal einen Mann: Der AfD-Politiker Jan Nolte wird als »Prachtkerl für das weibliche Publikum« vorgestellt. Dieser sei »einer der schönsten Männer im Land […] und außerdem ein […] echte[r] Patriot, der für sein Land und sein Volk durchs Feuer geht.« Nolte verkörpere die »soldatischen Tugenden und lässt sich – von einem gelegentlichen Gläschen und einer Zigarre abgesehen – nie gehen. Darüber hinaus ist er ein liebevoller Ehemann.« (8/2019) Für das zeitgemäße Update der smarten Männlichkeit wird hinzugefügt, »der gute Mann hat ein meeresbiologisches Faible und kann alle Fischchen und Krebse mit ihrem lateinischen Namen ansprechen!« Nicht unbedingt smart, aber dafür noch um einiges kämpferischer, wird der rechte Rapper Bloody32 von Jürgen Elsässer beschrieben. Nicht ohne eine Prise Homoerotik heißt es: »Er ist jung, er ist athletisch. Sein Bizeps schwillt beim Hanteldruck, unter den Tattoos spannen sich die Muskeln.« (12/2019) Anders als Nolte, der durch seine Latein-Kenntnisse als Teil der Bildungsschicht gelten darf, geht es Compact bei dem Rapper offenbar um andere Qualitäten: »Die Musik von Bloody32 entstand nicht in seinem Kopf und durch kluges Überlegen, sondern in seinem Blut, das mit dem Adrenalin der Schlachtgesänge von Energie Cottbus angereichert war.« Wehrhaftigkeit, Selbstdisziplin und Stärke sind in den Beschreibungen beider Männer zentral. Doch während Nolte für eine zumindest in Teilen moderne und kultivierte Form rechter Männlichkeit stehen soll, steht Bloody32 prototypisch für den rechten archaischen Kämpfer, dessen körperliche Stärke im Zentrum des Interesses von Compact steht. Wenn es um eine vermeintliche Krise deutscher beziehungsweise westlicher Männlichkeit geht, bedient sich Compact auch gern weiblicher Kronzeuginnen. In der heteronormativen Logik können diese am besten beurteilen, was Männern fehlt und wie sich diese idealtypisch verhalten sollten. Besonders drastisch formuliert die Antifeministin Jenny Friedheim ihre Vorstellung von Geschlechterrollen: »Biologisch gesehen – also wenn es danach geht, was die Natur mit uns geplant hat – wollen Frauen einen Kerl mit guten Erbanlagen, der regelmäßig Mammut oder Auerochse nach Hause schleppt und die Höhle samt Frau und Kindern gegen Bären, Säbelzahntiger und feindliche Neandertaler verteidigt. Diese Biologie haben wir auf Drängen der militanten, ewig nörgelnden Emanzen über Bord geschmissen.« (3/2018)

Wehrhaftigkeit, Selbstdisziplin und Stärke sind in den Beschreibungen beider Männer zentral.

Die Sezession als das derzeit zentrale Theorieblatt der sogenannten Neuen Rechten bietet einem ähnlichen Männlichkeitsbild Platz, indem sie Siegfried Gerlich den US-amerikanischen Alt-Right-Aktivisten und Maskulinisten Jack Donovan feiern lässt. Donovan propagiert mit markigen Darstellungen einen Tribalismus, der als Antwort auf die gesellschaftlichen Krisen sich den »bereits zerfallenden Staat zur Beute« machen wird. Hierbei sei »der Stamm« das »elementare identitäre« Element, der Einzelne müsse als ein »Barbar« bereit sein, »für sich und die seinen zu plündern.« (98/2018). Diese vor allem auf körperliche Stärke, Gewalt und Überlegenheit ausgerichteten Positionen finden sich auch anderweitig in der Sezession. Till-Lucas Wessels, Stammautor und Aktivist der Identitären Bewegung (IB), bemüht unter dem Titel »Sparta wird Söhne brauchen. Eine Konservativenbeschimpfung« das bei der IB beliebte Sparta-Motiv diesmal zur Abgrenzung vom (etablierten) Konservatismus. Es sei »die ewige Sehnsucht des Konservativen nach Heimat und Ordnung, die sie in die Arme der Schützenvereine, Parteien und Stammtische treibt, um dort erfüllt von einer fast erotischen Wollust ihre Geschäftsordnungsanträge zu stellen.« Auch bei einer parlamentarisch etablierten AfD sieht der Autor die Gefahr von »Charakterkorrisionen an Niedrigkeit, Durchschnittlichkeit und Gemeinheit«, also eine »weltanschauliche Verbürgerlichung des Milieus«, wenn nämlich aufgrund zunehmender finanzieller Absicherung der Idealismus auf der Strecke bleibe. Die Antwort auf diese Gefahren sei, »dem Elitengedanken, der einer der Grundpfeiler rechter Weltanschauung ist, zu seinem Recht zu verhelfen«. Wessels wünscht sich in hochtrabenden Worten eine rechte »Schulungsanstalt irgendwo zwischen Platons Akademeia und spartanischer Agoge, die denjenigen, die bereit sind, ein Jahr ihres Lebens zu investieren, eine professionelle Kaderausbildung gibt.« (85/2018)

In der Neonazizeitschrift N.S. Heute folgt die Darstellung von Männlichkeit einer sehr einfachen Logik: Politik wird von Männern gemacht, die bereit sind, sich voll und ganz für Deutschland aufzugeben. Inhaltlich schlägt sich das nieder, wenn über politische Veranstaltungen berichtet wird und in Text und Bild nur Männer vorkommen. Schwächen werden dabei nicht geduldet. Für »Toleranz gegenüber Schwächen, die der gesamten Gemeinschaft schaden können« dürfe kein Platz sein, heißt es etwa in einem Artikel über Suchtproblematiken in der Neonaziszene. (9/2018) Auch vom »strategische[n] Ziel Blut und Boden« und vom fehlenden »Rassebewusstsein« der »Nordmenschen« wird fantasiert. (13/2019) Die Erzählung des soldatischen Kämpfers für das ›Vaterland‹, der sich auf die Revolution und den ›Rassenkampf‹ vorbereitet, ist allgegenwärtig.

Einen etwas anderen Ansatz hat die Zeitschrift Arcadi aus dem Milieu der Identitären und der Jungen Alternative (JA). Die in jedem Heft auftauchenden Lifestyle-Seiten, die sich etwa Kleidungstipps oder dem Zubereiten von Cocktails widmen, sind auf eine rein männliche Leserschaft ausgelegt und zeichnen das Idealbild eines gediegenen und gepflegten, aber auch starken und draufgängerischen Mannes. Das Bild von Männlichkeit orientiert sich auch hier an den traditionellen Geschlechterrollen, wie etwa aus einem Interview hervorgeht, in dem die interviewte JA-Politikerin Kathrin Filser das Publikum dazu auffordert: »Habt Mut zur Männlichkeit! Ihr müsst keine verweichlichten Bubis werden, sondern richtige Männer! Werdet wehrhaft, damit ihr Frau und Kinder beschützen könnt. Erhebt Euch, stolzen Hauptes, für Eure Familie, Euer Vaterland und eure Heimat!« (2/2018) Auch die Arcadi kommt nicht ohne die Darstellung militärischer Männlichkeit aus. Männer gelten als Verteidiger »des Volkes und der Ehre« (3/18), sie werden als Krieger gegen die verweichlichte Moderne angesehen. Es finden sich die unvermeidlichen Bezüge zum antiken Sparta und seinen mythischen 300 Elite-Kriegern.

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Der harte Mann und die Anderen

Immer wieder werden Männlichkeitsvorstellungen allein durch die Darstellungen von Weiblichkeit deutlich oder dadurch, dass sie in Kontrast zu ›ungewollten‹ Männlichkeiten gesetzt werden, also etwa zu schwulen, transidenten oder einfach »weicheren« Männlichkeiten. Vielfach gehen Artikel mit der aggressiven Klage über eine »Genderlobby« oder eine »Homolobby« einher, die die traditionellen Geschlechterrollen zerstören wolle. Nicht selten fokussieren Artikel auch auf Fragen der Bildungspolitik und Kindererziehung. Die Diskurse finden ihre Entsprechung immer wieder auch auf der Straße, etwa bei den sogenannten »Demos für alle«.

Der extrem rechten Monatszeitschrift Zuerst! ist es, wie den anderen Publikationen auch, ein zentrales Anliegen, die heterosexistische binäre Geschlechterordnung aufrecht zu erhalten und zu manifestieren. Frauen werden wohlwollend porträtiert, wenn sie der Blattlinie ideologisch nahe stehen – wahlweise als durchsetzungsstarke Kämpferinnen für die Sache oder Wunschbilder weißer Männer mit stereotypen Eigenschaften. Politische Gegnerinnen hingegen werden in der Regel sexistisch herabgewürdigt und diffamiert. Auch wenn dies nach erwartbaren Mustern erfolgt, wird in den meisten Fällen vermieden, die Niveaulosigkeit der Compact zu erreichen. Die Autoren Bernhard Radtke, Steve Lerod und Robert Diehl biologisieren in ihrem Leitartikel zum Heft 08/09 2018 mit dem Cover-Titel »Propaganda gegen die Natur. Wie die GenderMainstreaming-Irrlehre unsere Kinder vergiftet« anlässlich des Girls bzw. Boys Days. Demnach seien »alle Menschen von ihrer genetischen Grundausstattung sowie dem Hormoncocktail, den sie in ihrer embryonalen Phase aufgenommen haben, vorgeprägt […]. Verhaltensforscher und Biologen haben Reaktionsmuster von Säuglingen untersucht. Jungen reagieren eher auf mechanische Geräte und kriechen auf Spielzeugautos zu, Mädchen interessieren sich mehr für Gesichter und bevorzugen Puppen.« Es folgen schließlich die üblichen aggressiv vorgetragenen Polemiken gegen alle vermeintlichen Normabweichungen und geschlechtersensiblen Politiken: »Wer traditionelle Konzepte von Familie und Partnerschaft bewahren will und es ablehnt, sich von den Sonderinteressen lautstark auftretender Minderheiten in die Enge treiben zu lassen, wird jedoch von Hause aus wachsam bleiben. Besonders der Indoktrination unserer Kinder und der Vergewaltigung unserer Sprache gilt es beherzten Widerstand entgegenzusetzen. Dasselbe gilt für die Forderung nach ›Akzeptanz‹ für jedwede Form selbstgebastelter ›Identität‹ oder sexueller Neigungen: Man kann nach alter Sitte jeden ›nach seiner Façon selig werden‹ lassen und muß dennoch nicht jedem individuellen Lebensentwurf dieselbe Achtung entgegenbringen. Da ist noch mehr als eine Nuance dazwischen. Freie Bahn für Genderwahn? Nein: Genderspuk, es ist genug!« Bei der Darstellung schwuler Männer und insbesondere Trans- und Interpersonen greift die Zuerst! besonders offen auf die gängigen abwertenden Klischees zurück, die in der extremen Rechten, – aber nicht nur da – allgegenwärtig sind. Gezeichnet wird das Bild von den »Verweichlichten« und »Perversen«, die die gesamtgesellschaftliche Ordnung gefährden. Immer wieder wird auf die Natur im Gegensatz zur »Genderideologie« verwiesen.

Die Präsenz von Frauen in der N.S. Heute ist oft von Sexualisierung und eigentlich immer von Instrumentalisierung geprägt. ›Die Frau‹ ist ›der Anhang‹ des patriotischen Mannes, die verrückte Linke oder das Opfer der deutschen Politik. Im Heft finden sich Pin-Up-Poster, sexistische Werbung und allerhöchstens verkürzte Berichte zu sexualisierter Gewalt. Ein eindrucksvolles Beispiel für das Geschlechterbild der N.S. Heute ist ein Artikel über eine militante Neonazigruppe in den achtziger Jahren, in dem beschrieben wird, wie die Männer der Gruppe »richtig geballert« haben und eine entführte Person »etwas zu hart […] sonderbehandelten«, während gleichzeitig unter einem kleinem Bild einer Frau mit einem Auto zu lesen ist: »Betsy vor ihrem Ford Fiesta, […] als sie uns von der Übung abholte.« (14/2019) Ansonsten kommen Frauen nicht vor. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck, welche in der Zeitschrift sehr viel Raum einnimmt und sogar eine Titelseite gewidmet bekommt. Haverbeck scheint durch ihre Eigenschaften (Witwe eines NS-Funktionärs, hohes Alter und daher nicht sexualisierbar, politisch relevant, wehrhaft) nicht mehr die relevanten Weiblichkeitsaspekte zu erfüllen. Die »Wahnvorstellung« Gender wird abgelehnt und sogar verschwörungsideologisch-antisemitisch aufgeladen, wenn etwa die queere Community als »Marionette« von George Soros (einem US-amerikanischen Milliardär und Stifter jüdisch-ungarischer Herkunft) bezeichnet wird. Russland wird für die Gegnerschaft gegen »Schwulenkult und Gender-Irrsinn« gelobt. Homosexuelle Männlichkeiten nehmen in der N.S. Heute wenig Raum ein. Wenn über sie geschrieben wird, ist es durchgehend negativ konnotiert. In einem Artikel über die Geschichte der militanten Neonaziorganisation Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) werden die damaligen Szenekonflikte über (männliche) Homosexualität mit Formulierungen wie »unser Kampf gegen die Schwulisierung der Bewegung« (9/2018) oder »die Unterwanderung der Bewegung durch homosexuelle Seilschaften« beschrieben, wodurch die Homo*-feindlichkeit in der ANS/NA – die auch Menschenleben kostete – glorifiziert wird.[1]

Auch in der Arcadi sind weibliche Perspektiven die seltene Ausnahme. Während in den vergangenen Jahren Frauen besonders häufig die Titelbilder zierten, nehmen sie als Autorinnen im Magazin kaum Raum ein, sie sind eher männliches Lustobjekt oder fungieren als Beweis für das Funktionieren der traditionellen Rollenbilder. Abweichende männliche Rollenbilder und Sexualitäten werden in der Arcadi diskreditiert: Schwule Männer werden als »besonders bevorzugte […] Gruppe« (1/18) bezeichnet, Diskriminierung wird relativiert und es wird impliziert, dass Homosexualität von der WHO noch immer als psychische Krankheit geführt werden würde, hätten »die Schwulen« nicht so großen politischen Druck ausgewirkt.

In der Compact wird die männliche Bildsprache vor allem in der 2018/19 regelmäßig erschienenen Rubrik »Schöne des Monats« deutlich: Es ist ein heteronormatives Schönheitsideal der dort vorgestellten rechten Aktivistinnen. Ein Teil der Frauen wird in sexualisierten Posen gezeigt und zuweilen mit dumpfen Bildunterschriften kombiniert, die sich ähnlich auch in großen Boulevardblättern finden ließen. Frauen werden von der überwiegend männlichen Redaktion unterstützt, solange sie als »schön« gelten und etwa den eigenen Rassismus gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen als heroische Verteidigungstat eines starken männlichen Beschützers erscheinen lassen. So schreibt Marc Dassen unter der Überschrift »Aufstand der Schönheit« (4/2018) über Identitäre Frauen und deren Aktivismus, nicht ohne gleichzeitig von einer »politischen Erotik von Morgen« zu träumen. Demgegenüber werden politische Gegnerinnen auch aufgrund ihres Äußeren im Heft abgewertet. So auch in Dassens Text, dessen Beschimpfungen von Feminist*innen einmal mehr zeigen, welches Maß von geistiger und sprachlicher Verrohung in Compact vorherrscht. Personifizierte weibliche Feindbilder, die regelmäßig in Compact angegriffen werden sind Claudia Roth und Angela Merkel. Auch hier bleibt es nicht bei einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit deren Politik, sondern man zielt regelmäßig auf Äußerlichkeiten.

Ähnlich verhält es sich zum Teil mit linken beziehungsweise liberalen Männern, die nicht der rechten Vorstellung von Männlichkeit entsprechen. Ein entsprechendes Feindbild von Compact ist der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, der analog zur Phantasiefigur Grinch als »Grünch« herabgewürdigt wird. (11/2018) Dass die Vorstellung von männlicher Identität, wie sie die Compact-Autoren vertreten, offenbar permanent in der Krise steckt und von allen Seiten bedroht wird, zeigt sich auch an den wiederholten Angriffen auf gendersensible Bildungsangebote.

In der Sezession ist Ellen Kositza die wichtigste Autorin. Sie bezieht in ihrer Kolumne, ihren Rezensionen und sonstigen Beiträgen immer wieder Stellung zu Feminismus, Männlichkeit und Erziehung. Besonders in der Rolle als Ehefrau von Götz Kubitschek gelingt es Kositza, sich in den Medien als Vorzeigefrau der sogenannten Neuen Rechten und als Mutter zu inszenieren. Auch wenn die Sezession den Feminismus als Feindbild ausmacht, plante der Verlag Antaios eine deutsche Übersetzung des Buches »Free Women, Free Men: Sex, Gender, and Feminism« der bekannten US-amerikanischen Feministin Camille Paglia. In dem Interview »Ich kann das Wort ›Gesellschaft‹ nicht mehr hören« wurden explizit kritische Töne der Feministin an der eigenen Bewegung, insbesondere mit Blick auf #metoo, betont. (83/2018)Die geplante Veröffentlichung ihres Buches musste der Verlag Antaios aufgrund von Klageandrohungen von Camille Paglia zurücknehmen. Paglia hatte dem Verlag zu starke Eingriffe in der Übersetzung vorgeworfen und widersprach der Inszenierung ihrer selbst als »prominenteste Stimme des Antifeminismus«, wie es Kositza, deren Vorwort anstelle von Paglias erscheinen sollte, schrieb.

Schaut man sich die CATO mit Blick auf geschlechterpolitische Themen an, so fallen in den Jahrgängen 2018/2019 einzelne Artikel auf, die sich mit der Gender-Forschung auseinandersetzen. Dass sich rechte Akteure und nicht zuletzt die AfD an den Gender Studies abarbeiten, kann bereits seit einigen Jahren beobachtet werden. Thorsten Hinz widmet seinen Artikel einigen Genderforscherinnen, die zum Terrorismus arbeiten. (2/2019) Ausgangspunkt seiner Kritik ist die Dissertation der Politologin Claudia Brunner, die bereits 2011 mit dem Titel »Wissensobjekt Selbstmordattentat« im Springer VS-Verlag erschienen ist. Laut Buchankündigung ist für Brunner ›unser Wissen‹ schon »Teil einer gegenwärtig zu beobachtenden okzidentalistischen Selbstvergewisserung, die tief in wissenschaftliche Praktiken eingelassen ist und von diesen mit hervorgebracht wird«. Die Arbeit lässt sich im Spektrum der postkolonialen Theorie verorten, deren Grundannahme lautet, dass sich die kolonialen Machtverhältnisse bis heute auf die Gesellschaften auswirken. Hinz leugnet nicht, dass der Terrorismus auch als Antwort auf die westliche Hegemonie verstanden werden kann:

Er verweist auf den umstrittenen Historiker Ernst Nolte, der den Islamismus neben dem Nationalsozialismus und dem Bolschewismus als die »dritte Widerstandsbewegung gegen die Moderne« begriff. Doch Brunner, so Hinz weiter, gehe es dabei um etwas anderes, nämlich die »Umwertung des Terrors«, wonach die Muslime lediglich als Opfergemeinschaft wahrgenommen würden. Die Gender-Wissenschaft ignoriere »geistig-kulturelle Hierarchien und reduziere die universelle Wirkung Europas auf die äußere Macht und Gewalt des weißen Europäers«. Sie werde wohl auch noch versuchen, »den ›barbarischen‹ Charakter der Genitalverstümmelung als eine zu überwindende westliche Zuschreibung zu dekonstruieren«, unterstellt der Autor weiter. Problematisch sei dabei vor allem, dass sich diese theoretischen Überlegungen schon längst in der Praxis wiederfinden würden: »Die Regeln nichteuropäischer Kulturen werden peu a peu in Gewohnheits- und schließlich in positives Recht übersetzt.« Hinz wendet sich hier auch gegen kulturrelativistische Tendenzen, jedoch aus einer dezidiert neurechten Position.[2] Denn Ursache des Ganzen, so Hinz, sei eine »Überdrüssigkeit und Ekel am eigenen Dasein«, ein »negativer Narzismus«, der die »Rückbesinnung auf das Eigene« verhindere. Hinz schafft dann auch gekonnt die Verbindung zur deutschen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus: »Die Holocaust-Schuld der Deutschen hat sich ferner zu einer Schuld der Weißen am Elend der Welt ausgeweitet.« Die rechten Untergangsphantasien sehen die Ursache für den vermeintlichen Niedergang des ›Abendlandes‹ in einem ›Schuldkult‹ und der mangelnden Liebe »zum Eigenen«, die sie eben auch in den Gender Studies ausmachen.

Der zweite Teil des Artikels »Rechte Männerbilder« erscheint am Mittwoch, den 25. März 2020. Die apabiz-Publikationsreihe magazine nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung.

 

  1.  1981 ermordeten fünf Neonazis der ANS/NA Johannes Bügner, ebenfalls ANS/ NA-Mitglied, um ein Exempel gegen Homosexuelle zu statuieren. ANS/NA-Anführer Michael Kühnen saß zu dem Zeitpunkt in Haft. Er, der 1991 an AIDS sterben sollte, verurteilte die als »Hamburger Fememord« bezeichnete Tat und widmete Bügner sein Manifest »Nationalsozialismus und Homosexualität« (1986). Die internen Streitereien über Kühnens sexuelle Orientierung spalteten die militante Neonaziszene nachhaltig.
  2.  Dass neurechte Argumente, etwa mit Blick auf kulturrelativistische Positionen, mitunter auch einen »wahren Kern« haben, hat insbesondere der Historiker Volker Weiß in seinem Buch »Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes« kritisch angemerkt. Dazu gehöre nicht zuletzt »die tatsächliche Sprachlosigkeit gerade kritischer Milieus gegenüber dem fundamentalistischen Islam«. (S.243) »Aus Rücksichtnahme auf angeblich authentische Kulturformen bleiben dann die wenigen Stimmen allein, die überhaupt zu vernehmen sind.« (S.255) So sei in der Neuen Rechten ein gewisses Deutungsmonopol mit Blick auf den fundamentalistischen Islam entstanden, obgleich deren Werte miteinander verwandt seien. Denn der Neuen Rechten gehe es nicht um Akkulturation (etwa: kulturelle Anpassungsprozesse), sondern vielmehr um Separation, so Weiß.