Jurist*innen mit politischer Haltung – 40 Jahre RAV
Rezension: Volker Eick, Jörg Arnold (Hg.): 40 Jahre RAV. Im Kampf um die freie Advokatur und um ein demokratisches Recht, Westfälisches Dampfboot, Münster 2019. 423 Seiten. 35 €.
von Svenna Berger
Der Republikanische Anwältinnen-und Anwälteverein (RAV) ist 40 Jahre geworden. Herzlichen Glückwunsch! Anlässlich des runden Jubiläums haben der Politikwissenschaftler Volker Eick und der Jurist Jörg Arnold im Namen des Vereins das Buch mit dem treffenden Titel »40 Jahre RAV. Im Kampf um die freie Advokatur und um ein demokratisches Recht« herausgegeben. Wer die Arbeit des RAV erlebt(e), sei es als Mandant*in, Unterstützer*in, Kooperationspartner*in oder einfach als Beobachter*in sollte einen Blick in dieses äußerst umfangreiche Buch werfen. Der über 400 Seiten starke und mit 37 Beiträgen gespickte Sammelband liefert nicht nur eindrucksvolle Einblicke in die Arbeit und Entwicklung des RAV, sondern auch scharfe zeitgeschichtliche und politische Analysen. Der RAV, der sich 1979 als bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gründete, betreibt weit mehr als Juristerei, der RAV ist ein bedeutender politischer Akteur im Kampf gegen rechte Gewalt und die Willkür des Staates, gegen die Verfolgung von Anwält*innen in autoritären Regimen, in der Verteidigung der Freiheitsrechte und im unerschrockenen Einsatz für Bürger- und Menschenrechte.
Linke Traditionslinie
In acht Kapiteln werden die vielfältigen Themen aus Perspektive von jungen Anwält*innen, von jahrelangen Wegbegleiter*innen als auch von Gründungsmitgliedern dargestellt. Eine von ihnen ist Margarete Fabricius-Brand, die zwar erst nach der Gründung zum RAV dazu gestoßen war, aber durch ihre fünfjährige Tätigkeit als Geschäftsführerin die Entwicklung mit prägte. Als politische »Kiez-Anwältin«, wie sie in ihrem Artikel schreibt, war sie gegen »Miethaie« in Kreuzberg aktiv und kam 1985 zum RAV. Sie trug dazu bei, dass aus dem »Republikanischen Anwälteverein« der »Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein« wurde. Seither wird auf einen paritätisch besetzten Vorstandvorsitz geachtet. Ein Muss für einen linken Verein, als der der RAV verstanden werden will.
Das linke Selbstverständnis des RAV knüpft an eine Traditionslinie an, die in die Weimar Republik zurückreicht. So orientierten sich die Gründer*innen sowohl im Namen als auch in der politischen Ausrichtung am »Republikanischen Richterbund« (1921-1933), wie Ingo Müller in seinem Beitrag zur Entstehung des Vereins schreibt. Dem Richterbund gehörten namhafte, viele jüdische, Anwälte, die den »oft vergeblichen Kampf um die Republik, gegen eine ausufernde politische Justiz und gegen diverse Terrororganisationen [führten]«. Müllers Artikel zeichnet an historischen Einschnitten der 60er und 70er Jahre, wie den tödlichen Schüssen auf den Studenten Benno Ohnesorg durch einen Berliner Polizisten 1967, dem juristischen Umgang mit der RAF als auch der medialen Offensive gegen deren Verteidiger als »Anwälte des Terrors«, das »grandios[e] Scheitern des Rechtsstaates« nach. In Erinnerung ist aus dieser Zeit auch die Tatsache, dass Otto Schily, späterer Bundesinnenminister der SPD, als Anwalt die RAF-Mitglieder Horst Mahler und Gudrun Ensslin vertrat. Schily gehörte dem ersten Vorstand des RAV an. Seither hat sich in seiner Biografie, als auch der einiger RAF-Angehöriger, einiges verändert. Der RAV dagegen blieb sich treu.
Viele Wege zu bestreiten
»40 Jahre RAV« ist ein Sammelband von Jurist*innen, aber nicht nur für Jurist*innen: Während das Kapitel zur Rechtstheorie und Rechtskritik teils ohne juristisches Vorwissen schwer zu lesen ist, können sich Nicht-Jurist*innen, die wie das apabiz vor allem in der Auseinandersetzung mit der extremen Rechten mit der Arbeit des RAV in Berührung kommen, im Kapitel zum Rechtsruck besser orientieren und bekommen Beobachtungen und Analysen zur politischen Rechten. Und eine klar politische Haltung, wie etwa die der Anwältinnen Kati Lang aus Dresden und Kristin Pietrzyk aus Jena, die in ihrem Beitrag für eine konfrontative, politische Nebenklage plädieren und mit einer treffenden Zusammenfassung der Arbeit des RAV enden: »Die Geschichte des RAV zeigt, dass das Recht nur ein Mittel im Kampf um Freiheit und Menschenrechte ist, aber jenes Mittel gedenken wir, so gut wie es uns möglich ist, einzusetzen; immer in dem Bewusstsein, dass auch viele andere Wege bestritten werden (müssen), um gegen rechte Gewalt, Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus sowie Trans-/ Homophobie aktiv zu sein.«
Nun ist es unmöglich, bei einem solch umfangreichen Sammelband alle Facetten berücksichtigen zu können, daher sei am Ende nur noch eins gesagt: Ein ausdrücklicher Dank für diese wichtige Arbeit.