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Europa und die Rechte – Teil 2

Nationalismus – ob er sich patriotisch, nationalkonservativ oder völkisch nennt – ist zentrales ideologiestiftendes Element der extremen Rechten und ein »starkes Deutschland« damit spektrenübergreifend politisches Ziel. Doch wie verhält es sich mit Europa? In ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Europäischen Union (EU) ist sich die extrem rechte Publizistik einig. Doch was sind ihre geopolitischen Konzepte und welche Rolle wird Deutschland darin zugedacht?

von Kilian Behrens, Elli Diehl, Vera Henßler, Frank Metzger, Eike Sanders und Patrick Schwarz

Teil 1 des Artikels »Europa und die Rechte« ist hier nachzulesen. Der gesamte Artikel ist auch als pdf abrufbar. Der Artikel erscheint im Rahmen der apabiz-Publikationsreihe magazine. Diese nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung.

Wirtschaftsfragen und die Politik der EU – Deutschland und Europa im Verhältnis

Eigene Europakonzepte sind im Monatsmagazin Compact, das seit März 2020 nun auch vom Verfassungsschutz als »rechtsextremer Verdachtsfall« gehandelt wird, nicht zu finden. Wie auch bei anderen Themen kommen die Beiträge vielfach mit Schlagworten aus, die inhaltlich nicht gefüllt werden. So forderte bereits das Titelblatt der Juni-Ausgabe 2016 »Raus aus der EU! Für ein Europa der Vaterländer«. Was unter einem solchen zu verstehen sei, wurde jedoch nicht erläutert. Gelegentlich werden auch Begriffe wie »Abendland« oder »abendländische Werte« phrasenhaft verwendet. Das entspricht dem für Compact typischen Stil, dem es vor allem um das Schüren (zumeist negativer) Emotionen geht und keineswegs um die Ausarbeitung einer stringenten politischen Theorie oder Agenda. Lediglich beim Thema Religion wird es konkret. So plädiert Ex-Kommunist und Chefredakteur Jürgen Elsässer für das »Christentum als Staatsreligion« in Europa. (6/2016) Auf der Ebene der Realpolitik wird ausschließlich Ablehnung an der Europäischen Union geäußert. Dabei reicht die Kritik von der Bildungspolitik im Zuge der Bologna-Reform über die Migrationspolitik der letzten Jahre bis hin zur Finanzpolitik der Europäischen Zentralbank. In den gemeinsamen europäischen Institutionen sieht das Magazin, das nicht umsonst seit 2013 den Untertitel »Magazin für Souveränität« im Namen trägt, vor allem eine Beschneidung des Rechts auf nationale Selbstbestimmung. Die Ablehnung der EU und ihrer Gremien drückt man in gewohnt maßlosem Ton aus. So ist etwa von »Junkers Putschtruppen«, einer »EU-Diktatur« oder gar einer »EUdSSR« die Rede. (6/2016) Gleichzeitig finden sich in Compact Reportagen und Interviews zu allen relevanten Rechtsaußen-Parteien Europas. In den letzten beiden Jahren richtete man das Augenmerk unter anderem auf Politiker wie Matteo Salvini und dessen Partei Lega in Italien, den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban oder Nigel Farage und seine Brexit-Partei. Inhaltlich geht es auch hier kaum in die Tiefe. Die genannten Politiker werden als starke männliche Macher-Typen dargestellt und als vermeintlich volksnahe Gegenspieler einer laut Compact illegitimen EU-Elite aufgebaut. Insgesamt stellen die Positionen, die das Magazin zum Thema Europa vertritt, absolut keine Besonderheit innerhalb der rechten Presselandschaft dar. Einzig im Bereich der Verschwörungsideologien dürfte Elsässers Blatt wieder einmal deutlich weiter gehen als andere Periodika. So werden nicht nur etwaige demokratische Defizite bei der Wahl der Europäischen Kommission kritisiert, sondern es wird direkt nahe gelegt, dass ein Großteil der EU-Politik tatsächlich von geheimen Zirkeln wie etwa den Bilderbergern gesteuert wird. (9/2019)

Auch das Monatsmagazin Zuerst!, das 2009 aus der Zeitschrift Nation Europa hervorgegangen ist, tritt für einen starken Nationalstaat ein und sieht die »nationale Souveränität« insbesondere Deutschlands, letztlich aber auch der anderen europäischen Staaten durch die EU bedroht. Zumindest zwischen den Zeilen lässt sich die Idee von einem »Europa der Vaterländer« erkennen. Nicht nur hinsichtlich der europäischen Asylpolitik, auch wirtschafts- und finanzpolitisch sei Deutschland innerhalb der EU am meisten benachteiligt. In Bezug auf die EU-Beitragszahlungen sowie die Transferleistungen in weniger wohlhabende EU-Länder und die Euro-Rettungspakete gilt Deutschland für Norman Hanert als der »ewige Zahlmeister«. (4/2018) Hanert befürchtet eine »Teilentmachtung des Bundestages«, so dass »[n]icht mehr die nationalen Parlamente […] künftig über milliardenschwere Rettungspakete für Euro-Länder abstimmen, sondern Gremien, die EU-Recht unterliegen«. Somit bestehe die Gefahr, dass »Deutschland […] in der Rolle des Hauptzahlmeisters gefangen bleibt und in Brüssel, in Straßburg und auf EU-Gipfeltreffen immer öfter überstimmt wird«. Der französische Ideengeber der Neuen Rechten, Alain de Benoist, vertritt in einem Interview die These, nicht nur Deutschland sondern schlichtweg ganz Europa sei als »besetzte[s] Gebiet« zu betrachten. (3/2019) Die Nationalstaaten seien ihrer »politischen, wirtschaftlichen, finanziellen und sogar militärischen Souveränität nach und nach beraubt« worden. Dabei seien es heute »die Finanzmärkte, die ihre Entscheidungen auferlegen« mit »Amerika [als] der Hauptvektor des kapitalistischen Systems«. In diese Richtung stößt auch Falk Tiedemann in seinem Artikel »Machtgier der Eurokraten«. (5/2019) Demnach versuche »die EU nicht nur, die USA als Avantgarde des Freihandels zu beerben, sondern sie verbindet dies mit einer forcierten Entmachtung der Mitgliedsstaaten«. Die EU erweise sich seiner Meinung nach als »Sachverwalter von Konzerninteressen, hinter denen nicht nur die Bedürfnisse der Verbraucher, sondern auch Demokratie und Souveränität zurückstehen müssen«.

 

Hauswand in Brüssel | CC BY 2.0 | flickr.com/photos/160866001@N07/48328320332

 

Die Recherche D widmet sich als selbsternannte »Denkfabrik für Wirtschaftskultur« europäischen Fragestellungen in erster Linie aus wirtschaftlicher Perspektive. Texte und Interviews streifen ganz unterschiedliche Themen, etwa den Handelsstreit zwischen der EU und der USA, die Hochschulpolitik (Bologna-Reform), den Euro, die Steuer-Politik sowie den Brexit. Unter der Überschrift »Agenda 2030« werden in Ausgabe 4 und 8 jeweils zentrale Forderungen von Recherche D, die auch in einzelnen Artikeln immer wieder durchscheinen, stichpunktartig skizziert. Mit Blick auf die Europapolitik werden etwa einheitliche Steuersätze in den EU-Ländern gefordert, da derzeit vor allem der deutsche Steuerzahler zur Kasse gebeten werde. Ein Grundproblem des Euro sei es, dass einige ärmere Länder Europas über ihre Verhältnisse lebten, da sie die fiskalischen Risiken externalisieren könnten. (2/2018) Nicht immer explizit, doch immer wieder implizit betont Recherche D die angebliche Benachteiligung deutscher und mitunter nordeuropäischer Interessen gegenüber dem europäischen Süden. So moniert Florian Müller mit Blick auf die Hochschulreform eine »krankhafte Gleichmacherei. Ziel war die große Europäisierung. Mobilität und Arbeiten im Ausland war und ist der Stern der Globalisten und EU-ropäer.« (2/2018) Mit Bologna sei ein europäischer »Einheitsakademiker« geschaffen worden, was dazu geführt habe, dass sich das deutsche Hochschulniveau qualitativ dem europäischen angepasst habe, und zwar nach unten. Mehrfach wird in Recherche D ein europäisches Großprojekt gefordert, so heißt es programmatisch in der Rubrik Fundament: »Europa muß mit historischer Inspiration (z.B. Hanse) die eigene Unabhängigkeit zurückgewinnen und sich Großprojekte ohne jahrzehntelange Machbarkeitsstudien zutrauen.« (8/2020) Donald Greiner plädiert dafür, im Handelsstreit mit den USA Zölle auf US-amerikanische Waffen zu erheben. (2/2018) Dies treffe nicht nur die Wirtschaft der USA hart, auch die deutsche Rüstungsindustrie würde davon profitieren. In verschiedenen Beiträgen wird deutlich, dass Recherche D auf die Stärkung regionaler und nationaler Wirtschaftsstrukturen setzt, statt des US-amerikanischen Wirtschaftsmodells des »Globalkapitalismus«, das zur Monopolisierung neige. So führt Lothar W. Pawliczak aus, dass es in Europa eine lange Tradition sowohl regionaler als auch nationaler wirtschaftskultureller Vielfalt und Spezialisierungen gäbe, etwa die deutsche Automobilindustrie oder die italienische Mode und Architektur. (4/2019) Diese Vielfalt gelte es zu stärken. Weil sich Recherche D immer wieder positiv auf regionale Ansätze bezieht, werden das Blatt und Herausgeber Felix Menzel von Benedikt Kaiser in der Sezession auch als Vertreter eines »Europa der Regionen« eingeordnet. (86/2018) Nicht zuletzt in Interviews, etwa mit dem AfD-Politiker Gunnar Beck (MdEP), wird die Perspektive der Recherche D auf Europa bzw. die EU deutlich. Beck plädiert für eine Abschaffung der EU und eine Reduktion auf einen gemeinsamen Binnenmarkt. (4/2019) Alternativ wären auch zwei Staatenverbünde denkbar, ein nord- und ein südeuropäischer. Die Ultima Ratio, so Beck, sei eine Rückkehr zum Nationalstaat.

Extrem rechte Netzwerke und der sehnsuchtsvolle Blick nach Osten

Bis zum verpassten Wiedereinzug der NPD bei der EU-Wahl 2019 war die Berichterstattung zu Europa in der NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme (DS) in erster Linie von der politischen Arbeit ihres einzigen Abgeordneten Udo Voigt, Beiträgen über die europäischen rechten Kleinstparteien und der Arbeit der Stiftung Europa Terra Nostra (ETN) geprägt. Neben Berichten über Veranstaltungen mit internationaler Beteiligung wurden Publikationen, etwa von Voigt, besprochen, in denen sich inhaltlich mit der Frage beschäftigt wird, wie die extreme Rechte auf dem europapolitischen Feld agieren könne. Für die NPD ist die Vernetzung mit anderen europäischen Gruppierungen der extremen Rechten seit jeher ein wichtiger Punkt ihrer politischen Arbeit. Ihre Jugendorganisation Junge Nationalisten (JN) veranstaltet in aller Regelmäßigkeit einen Europakongress, der ganz im Zeichen des »Europas der Vaterländer« steht. Trotz der Ablehnung der EU nahm die NPD an fast jeder EU-Wahl (erfolglos) teil. Mit dem Einzug ihres ehemaligen Vorsitzenden Udo Voigt im Jahr 2014 in das Europäische Parlament forcierte die Partei unter Ausnutzung der neuen finanziellen Möglichkeiten neben ihrer Europapolitik auch die Vernetzung der extremen Rechten in Europa. Die Gründung der Stiftung Europa Terra Nostra 2015 geht maßgeblich auf die NPD zurück und wird nicht nur personell, sondern auch inhaltlich weitestgehend von ihr getragen. In einem Interview mit Udo Voigt zu dessen Buch »Einer für Deutschland – Als Europaabgeordneter in Strassburg und Brüssel« bekräftigt dieser nicht nur die bisherige Europapolitik seiner Partei unter dem Stichwort »Europa der Vaterländer«, sondern aktualisiert auch die Orientierung nach Russland. (2/2018) Sich scharf gegen die »Anti-Rußland-Sanktionen« wendend, plädiert Voigt für Russland als »starken Partner, damit Europa sich gegen die auf Alleinherrschaft abzielenden Bedrohungen der imperialistischen USA auflehnen« könne. Aber auch das »christliche Abendland« bleibt für Voigt eine wesentliche Grundlage seines Europabildes. Diese beiden Linien, Ostorientierung und »christliches Abendland«, werden auch von dem NPD-Bundesvorstandsmitglied Sascha Roßmüller vertreten und in zwei Büchern konkretisiert. In dem Buch »Geopolitische Zeitenwende« (2019), das von ETN herausgegeben wurde, setzt Roßmüller mit gewissen Einschränkungen auf die neoeurasische Perspektive: »Der eurasische Doppelkontinent kann durchaus eine geopolitische Komponente darstellen, insbesondere gegen transatlantische Anmaßung. Allerdings sollte man sie vorwiegend als Kooperation zweier geopolitischer Räume mit einer eigenen leitkulturellen Raumhoheit verstehen.« Mit dem Verlust des Mandats von Udo Voigt 2019 hat nicht nur die Berichterstattung zu Europa, sondern auch die Aktivität der Stiftung Europa Terra Nostra merklich nachgelassen.

Der Chefredakteur der Zuerst!, Manuel Ochsenreiter, verfügt über beste Kontakte nach Russland und zu prorussischen Separatisten in der Ukraine. Diese werden auch durch das Deutsche Zentrum für eurasische Studien gestärkt, zu dessen Gründungsmitgliedern neben Ochsenreiter auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Manuel Frohnmeier gehört. Ochsenreiter war zwischenzeitlich als Mitarbeiter für Frohnmeier tätig. Nachdem Anfang 2019 ein Verfahren wegen des Verdachts der Anstiftung und Finanzierung eines Brandanschlags in der Ukraine gegen Ochsenreiter eröffnet worden war, fand die Mitarbeit ein Ende. Als ideologischer Ideengeber fungiert in der Zuerst! vor allem Alexander Dugin. Auch wenn sich die Zuerst! nicht klar positioniert, ist Dugins politischer Kurs im Magazin deutlich zu erkennen. Die Ukraine-Politik Russlands wird geradezu euphorisch begleitet, gleichzeitig werden die EU-Sanktionen gegen Russland scharf verurteilt. Alexander Dugin ist nicht nur Interviewpartner, sondern schreibt auch als Gastautor. Darüber hinaus werden seine Bücher im Bonus-Verlag verlegt, der zum publizistischen Netzwerk von Zuerst!-Herausgeber Dietmar Munier gehört. In seinem Artikel »Putins Liebe zu Deutschland« bezeichnet Dugin »eine Vereinigung oder zumindest eine Allianz zwischen Rußland und der Ukraine [als] eine unabdingbare Voraussetzung für den Aufstieg Rußlands zu einer neuen, unabhängigen, eurasischen Macht« und leitet daraus die These ab: »Aus diesem Grund verfolgten die Atlantiker konsequent das Ziel, die Ukraine gegen Rußland aufzuwiegeln. Dies war der geopolitische Hintergrund der Krise.« (10/2019) Darüber hinaus übt Dugin allerdings auch Kritik an Putin, der nicht konsequent genug russische Interessen vertreten habe, weil er sich mit der Krim habe zufrieden stellen lassen und somit »nur einen Teil der Ostukraine für Rußland […] retten« konnte. »In diesem Punkt kritisieren die patriotischen, eurasisch gesinnten Kräfte Rußlands Putin sehr heftig, denn nach der Rückkehr der Krim zum Mutterland hätte unbedingt die Befreiung der ganzen Ostukraine erfolgen müssen, die ein Teil der russischen Welt ist.« Europa befände sich laut Dugin »im Würgegriff einer globalistischen Elite, die liberal, postmodern und antirealistisch ist und einen Kampf bis aufs Messer gegen die Souveränität der Nationen führt«.

Auch in der Vorstellung verschiedener Compact-Autoren kommt den osteuropäischen Ländern eine Schlüsselrolle bei der Verteidigung »abendländischer Werte« zu. Hier will man ein Bollwerk gegen Migration und Islam gefunden haben und beschreibt die Region als letzten Ort mit einer angeblich angestammten unverfälschten europäischen Kultur. So schreibt Chefredakteur Elsässer: »Im Osten des Kontinents hat sich ein stabiler Block von Staaten gebildet, die die lslamisierung strikt ablehnen. […] Wichtig ist, dass diese abendländische Koalition ziemlich unterschiedlicher Staaten und Regionen zusammenfindet und sich die Patrioten grenzüberschreitend Mut machen. Ein gutes Verhältnis zu Russland, dem ›dritten Rom‹ als Schutzmacht der Christen, würde den neuen Warschauer Pakt noch stärker machen. Und wenn dann die marode EU an ihrer ganzen Planlosigkeit zerbricht, stehen die Chancen für eine Reconquista des Alten Kontinents gut. Im Osten geht die Sonne auf!« (1/2018) Dass Elsässer in der von ihm angestrebten europäischen Ordnung Russland eine Schlüsselrolle zu spricht, kann kaum verwundern. Seit vielen Jahren ist Compact für seine Putin-freundlichen Positionen bekannt. Doch nicht nur gegen den Islam begreift man Russland als starken Partner, sondern gerade auch im Kampf gegen den US-amerikanischen Einfluss, sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf kultureller Ebene. Berichten über die Politik des russischen Präsidenten wurde wiederholt an prominenter Stelle Platz im Magazin geboten, in einer Sonderausgabe wurden gar Reden Putins nachgedruckt. Auch in Compact kommt Alexander Dugin häufig zu Wort, wobei dessen zentrale »Vierte politische Theorie«, wie so vieles in Compact, zwar erwähnt, aber letztlich nicht näher erläutert wird.

Die Junge Freiheit ließ das Verhältnis zwischen Russland und Deutschland kontrovers diskutieren – und gibt sich damit nicht so Putin-verliebt wie andere Teile der extremen Rechten

Die Junge Freiheit ließ das Verhältnis zwischen Russland und Deutschland kontrovers diskutieren – und gibt sich damit nicht so Putin-verliebt wie andere Teile der extremen Rechten, zumal ein Eurasisches Konzept oder die »Theorien« Alexander Dugins keinen Widerhall finden. Bernd Posselt (CSU) sieht Russland gar als Feind von Europa, denn es versuche »mit Zuckerbrot und Peitsche, das heißt mit wirtschaftlichen Verlockungen und außenpolitischem Dominanzstreben, uns Europäer auseinanderzunehmen, wo immer es geht. Dies ist der Grund dafür, daß der Kreml in den verschiedensten europäischen Ländern die unterschiedlichsten Kräfte fördert, seien sie rechts oder links, religiös oder atheistisch, kapitalistisch oder sozialistisch. Für Moskau zählt nur eines: Sie müssen antieuropäisch und nationalistisch sein. […] Wer dies [Sanktionen gegen Russland] für eine aggressive Rußland-Politik des Westens hält und gleichzeitig die permanenten Rückfälle des Kreml in den Kalten und mancherorts auch in einen heißen Krieg – wie in Syrien und der Ukraine – verharmlost, beweist damit, daß er Realitätssinn und moralische Maßstäbe verloren hat.« (12/2018)

Auf der Gegenseite argumentiert Dr. Thomas Fasbender, der bis Anfang 2018 regelmäßig Kommentare für die JF schrieb, für ein pragmatisches Verhältnis zu Russland »ohne den schwammig-pubertären Humanismus«. Fasbender ist auch Mitglied des Deutsch-Russischen Forums und arbeitet für die vom Putin-Freund Wladimir Jakunin gegründeten Think Tank »Dialog der Zivilisationen« (DOC) in Berlin.

In dem Schwerpunktheft »Nation und Europa« (86/2018) der Sezession wird der Blick nach Osten ebenfalls deutlich, wobei hier weniger auf Russland, sondern vielmehr auf die Potenziale Osteuropas verwiesen wird. Der Beitrag des Wiener Stammautors und Identitären-Freund Martin Lichtmesz, der sich inhaltlich zunächst an der Migration nach Europa abarbeitet, vereint viele identitäre Ideologeme und Begriffe. Aus rechter Sicht sei aufgrund der »Invasion« nach Europa eine gesamteuropäische Politik sinnlos, da der weiße Europäer schon bald in der Minderheit sei, so Lichtmesz. Hoffnung setzt Lichtmesz in die osteuropäischen Staaten, da diese aufgrund ihrer restriktiven Migrationspolitik zukünftig einen Ausgangspunkt für eine »gesamteuropäische Reconquista« bilden könnten. Bestätigung erfährt diese Sichtweise durch Götz Kubitschek, der im Editorial der Ausgabe festhält: »Unter den in diesem Heft vorgestellten Europa-Konzepten […] ist das ›Europa der Vaterländer‹ das unserem Kontinent angemessene, das Intermarium (inklusive seiner Visegrad-Keimzelle) mit Blick auf die heutige Lage und vor allem auf die zukünftige Entwicklung das wünschenswerte. Es ist das Konzept einer Sezession des Ostens vom Westen […]. Die neuen Bundesländer gehören dabei in Mentalität, Alltags- und Wahlverhalten sowie historischem Bewußtsein zum Osten. Der europäische Osten besitzt Stoff genug für eine verbindende, große Erzählung – für das also, was ein Wir-Gefühl stiften und zwanzig Nationen überwölben könnte.«