Immer wieder? Zensurversuche der Berliner AfD gerichtlich zurückgewiesen
In eigener Sache: In den vergangenen Wochen hat die Berliner AfD mehrfach versucht, die Nennung der Partei in der von apabiz und Aktiven Museum konzipierten Ausstellung »Immer wieder? Extreme Rechte und Gegenwehr in Berlin seit 1945« am aktuellen Standort im Rathaus Neukölln zu zensieren. Das Verwaltungsgericht entschied nun: Die Ausstellung kann dort weiterhin gezeigt werden. Die Gestattung der Ausstellung in den Räumen des Rathauses verstoße nicht gegen das Neutralitätsgebot.
Mitte Mai postete zunächst die AfD Berlin-Neukölln auf ihren Social-Media-Kanälen ein Video, das die Ausstellung im Rathaus Neukölln zeigt und versucht, die Nennung der Partei an verschiedenen Stellen zu skandalisieren. Dem folgten mehrere Versuche, die Ausstellung im Rathaus Neukölln zu zensieren. Am 22. Mai unterstellte der AfD-Politiker Steffen Schröter in der Sitzung der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV), der Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) würde sich mit der Genehmigung der Ausstellung in den Räumlichkeiten des Rathauses über das Grundgesetz stellen. Der Bezirksbürgermeister begründete in seiner schriftlichen Antwort die Ausstellung im Rathaus auch mit der extrem rechten Anschlagsserie im Bezirk, die auch in der Ausstellung thematisiert wird. Zudem wies er den Vorwurf zurück, beim apabiz handele es sich, wie von der AfD formuliert, um eine »linksextremistisch nahestehenden Organisation«. Hikel sagte diesbezüglich:
Im Übrigen weise ich Ihre nicht belegte Unterstellung zurück, bei den Urhebern der Ausstellung handele es sich um ›linksextremistischen Organisationen‹ nahestehende Vereine. Ich hoffe, es geht Ihnen dabei nicht um die namentliche Bezeichnung des apabiz. Denn Antifaschismus, also die Ablehnung von Faschismus, von Rechtsextremismus und von rechtsextremem Terror, ist Kerngedanke unserer Demokratie.
Die vollständige Drucksache im Wortlaut findet sich hier.
Vorübergehender Abbau zweier Tafeln
Im Vorfeld der Europawahl wurden dennoch zwei Ausstellungstafeln mit Bezug zur AfD vorübergehend abgebaut, da das Rathaus als Wahllokal fungierte. Der Vorsitzende der Berliner AfD Georg Pazderski (bekannt für Zitate wie »perception is reality«) verbuchte den Abbau der Ausstellungstafeln zunächst als Erfolg und verwies dabei auf ein vermeintliches Gerichtsurteil. Auf Facebook schrieb er: »Es freut mich, dass alle Bezüge zur AfD aus der Ausstellung des sogenannten Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrum Berlin e.V. im Rathaus Neukölln auf Grund eines Eilantrages beim Verwaltungsgericht Berlin jetzt vom Bezirksamt entfernt wurden. Das ist ein sehr wichtiger Erfolg gegen linke Hetze.« Tatsächlich war der von der AfD eingereichte Eilantrag beim Verwaltungsgericht im Vorfeld der Wahl von der Partei selbst für obsolet erklärt worden, nachdem der Kreiswahlleiter aufgrund der Wahlen den Abbau der beiden Tafeln mit AfD-Bezug veranlasst hatte.
Was die AfD hier einmal mehr anderen vorwirft, nämlich »Zensur und Hetze«, hat sie in dem Fall selbst betrieben. Dass die AfD gegen die Ausstellung vorgegangen ist, die wohlgemerkt eine Etage über dem Wahllokal zu sehen ist, verdeutlicht die Kritikunfähigkeit der AfD, ja mehr noch, es steht für den Versuch, Kritik an ihren politischen Positionen zu verunmöglichen. Die Ausstellung erzählt beispielhaft von zehn Ereignissen aus verschiedenen Jahrzehnten, die unterschiedlichen Aktionsfeldern der extremen Rechten zuzuordnen sind. Gleichzeitig dokumentiert sie den gesellschaftlichen Widerstand. Uns ist es ein Anliegen, mit der Ausstellung auf die Kontinuitäten der extremen Rechten auch in Berlin aufmerksam zu machen und gleichzeitig Facetten des gesellschaftlichen Widerspruchs aufzuzeigen. Die AfD ist nur ein kleiner Bestandteil in dieser Geschichte, gehört jedoch fraglos dazu.
Tafeln mit AfD-Bezug wieder aufgebaut
Nach dem erneuten Aufbau der besagten Tafeln wandte sich die AfD wieder an das Verwaltungsgericht, um den Abbau der gesamten Ausstellung, oder hilfsweise der beiden die AfD thematisierenden Tafeln zu erwirken. Das Verwaltungsgericht wies den Antrag zurück. Hier heißt es: »Allein die Tatsache, dass die Ausstellung in Räumen des Rathauses Neukölln stattfindet, rechtfertigt es nicht, Inhalte der Ausstellung als amtliche Äußerungen von Mitgliedern des Bezirksamtes anzusehen.« Die privaten Ausstellungsmacher*innen hätten zudem das Recht auf freie Meinungsäußerung. Rechtsverletzungen durch Dritte (in diesem Fall durch die Ausstellungsmacher*innen) habe die AfD nicht glaubhaft gemacht. Dem Zeigen der Ausstellung in weiteren Rathäusern dürfte somit zumindest juristisch nichts im Wege stehen. Bislang hat sich die AfD nicht weiter zu dieser Niederlage geäußert.
Die Ausstellung ist noch bis zum Freitag, den 14. Juni im Rathaus Neukölln zu sehen. Am letzten Tag findet um 18 Uhr eine Kurator*innenführung durch die Ausstellung statt.
Die Thematisierung der AfD in der Ausstellung
Die AfD taucht in der Ausstellung an zwei Stellen auf. Zunächst in der Ausstellungsstation, die sich mit extrem rechten Wahlkämpfen beschäftigt. Ausgehend von einer eskalierten Wahlkampfveranstaltung der Deutschen Partei im Jahr 1954, als uniformierte Ordner auf Journalisten losgingen, werden weitere Wahlkämpfe extrem rechter Parteien in Berlin thematisiert, darunter die Kampagnen für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus der Republikaner 1989, der NPD 2011 und der AfD 2016. Zur AfD heißt es an dieser Stelle:
Im Vergleich zu anderen Landesverbänden der Partei schlägt die Berliner AfD in ihrem Programm zur Abgeordnetenhauswahl 2016 einen gemäßigten Ton an. Bei öffentlichen Auftritten vertreten Parteiangehörige aber regelmäßig völkisch-nationalistische und rassistische Positionen. Die AfD wird schließlich mit über 14 Prozent der Stimmen in das Berliner Landesparlament gewählt.
In einem zugehörigen Glossar wird die AfD folgendermaßen eingeordnet:
Die AfD wird 2013 gegründet. Als bürgerliche Protestpartei richtet sie sich zunächst vor allem gegen den Euro. Im Zuge der vermeintlichen ›Flüchtlingskrise‹ gewinnen extrem rechte Kräfte in der Partei an Einfluss. Mit ihren rassistischen Positionen ist die AfD mittlerweile in allen Landtagen und im EU-Parlament vertreten. 2017 wird sie mit 12,6 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft im Bundestag.
Außerdem wird die AfD in der Station zu extrem rechten Straßenprotesten genannt. Hier heißt es:
Seit 2014 nehmen extrem rechte Straßenproteste im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zu. Allein in Berlin wird zeitweise mehrmals wöchentlich mobilisiert. Im Mittelpunkt stehen die Flüchtlingspolitik und eine vermeintliche ›Islamisierung‹. Damit werden auch Teile des bürgerlichen Spektrums angesprochen. Bei ›Nein zum Heim‹- oder ›Merkel muss weg‹-Demonstrationen marschieren Neonazis Seite an Seite mit AfD-Anhängerinnen und Anhängern und rassistischen, vermeintlich ›besorgten Bürgerinnen und Bürgern‹. Meist gibt es Gegenproteste.
In Bezug auf die »Merkel-muss-weg«-Demonstration vom 1. Juli 2017 heißt es weiter:
Die Proteste radikalisieren sich zunehmend und sind infolge überwiegend neonazistisch geprägt. Weiterhin nehmen aber auch AfD-Mitglieder und bürgerliche Rassistinnen und Rassisten teil.
Bei dieser Station arbeiteten wir zudem mit verschiedenen Hörbeispielen extrem rechter Demonstrationsreden. Darunter findet sich auch eine Rede des damaligen Vorsitzenden der Berliner Jungen Alternative und heutigem Mitglied des Abgeordnetenhauses Thorsten Weiß vom 31. Oktober 2015, von der wir an dieser Stelle Auszüge bereitstellen, damit sich jede*r selbst ein Bild von Duktus, Tonfall und Inhalt machen kann.