Das Nachleben des Nationalsozialismus
Rezension: Norbert Frei, Franka Maubach, Christina Morina, Maik Tändler: Zur Rechten Zeit. Wider die Rückkehr des Nationalismus, Ullstein, Berlin 2019, 20,- Euro.
von Svenna Berger und Kilian Behrens
Lange war es in der zeitgeschichtlichen Forschung auffallend still, wenn es um die Analyse zur extremen Rechten nach 1945 ging. Nun wurde offenbar auch hier bemerkt, dass extrem rechte, nationalistische und rassistische Positionen das gesellschaftliche Zusammenleben zerstören. In ihrem Buch »Zur Rechten Zeit. Wider die Rückkehr des Nationalismus«, verbinden die Zeithistoriker*innen Norbert Frei, Franka Maubach, Christina Morina und Maik Tändler Gesellschaftsanalyse, Gegenwartsdiagnose und historische Einordnung und führen die Leser*innen durch die deutsch-deutsche Geschichte seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Damit verbunden ist das Ziel zu verstehen, warum heute rassistische und nationalistische Positionen lauter werden und auf Widerhall in der Bevölkerung stoßen.
In acht Kapiteln zeigen die Autor*innen die Kontinuitäten (extrem) rechter Aktivitäten und Positionen auf: von Schlussstrich-Forderungen Ende der 40er-Jahre, antisemitischen Schmierereien und Schändungen in den 50er-Jahren, den Erfolgen der NPD in den 60ern, dem Erstarken von rassistischer und neonazistischer Gewalt seit den 70ern und 80ern bis hin zum »Vereinigungsrassismus« (wie sie es nennen) der 90er Jahre inklusive Ausschreitungen und Pogromen. Sie zeichnen die Entwicklungen nach, die sich, sowohl in Ost- als auch Westdeutschland, in den Erfolgen der AfD widerspiegeln. Insgesamt liefert das Buch einen guten Überblick über die Geschichte der extremen Rechten nach 1945. Auch das Thema Migration in BRD und DDR, sowie der unterschiedliche Umgang mit der Geschichte des Nationalsozialismus in beiden Staaten wird beleuchtet.
Spätestens seit dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017 wird ernsthaft über die Sorge vor dem Scheitern der Demokratie diskutiert. Als Mahnung existiert der Vergleich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und dem Zusammenbruch der Weimarer Demokratie im Jahr 1933. Die Autor*innen argumentieren, dass sie den Vergleich aufgrund anderer ökonomisch-sozialer als auch historisch-politischen Rahmenbedingungen für unzutreffend halten. Im für Historiker*innen leider nicht unüblichen Duktus unterstellen sie Journalist*innen einerseits einen Hang zur »Alarmstimmung« als auch Kolleg*innen aus Politik- und Sozialwissenschaft zu einseitig in »situativen Befunden« verhaftet zu sein, während allein die Geschichtswissenschaft eine distanzierte Einordnung des Untersuchungsgegenstandes liefern könne. Mehr Anerkennung der in diesen Feldern bereits seit vielen Jahrzehnten geleisteten Analyse hätte dem Buch durchaus gut getan. Ignorant ist es aber dann, wenn die Autor*innen meinen, es fehle in der Betrachtung der rechten Mobilisierungen um 2015 an analytischen Bezügen zu den 1990er Jahren. Dabei wird in der kritischen Rechtsextremismusforschung als auch in diversen antifaschistischen Recherchen immer wieder darauf hingewiesen, dass die rassistischen 90er Jahre sowohl den rechten Terror des NSU ebneten, als auch die Generationen, die heute sowohl auf der Straße als auch in den Parlamenten gegen Geflüchtete und Migrant*innen hetzen, prägten.
»Zur Rechten Zeit« ist eine Stellungnahme gegen rechte Positionen in Deutschland. Für das Fachpublikum findet sich im Buch wenig Neues, aber für Interessierte bietet das Buch einen sehr guten Überblick und kann als Einstieg ins Thema genutzt werden. Weiterführend wären Analyseansätze zu antifeministischen Positionen interessant gewesen, da die AfD hiermit recht erfolgreich Politik betreibt. Insbesondere die aktuelle Verzahnung von sexistischer und rassistischer Agitation wäre ein paar Zeilen wert gewesen.
Aus Perspektive antifaschistischer Forschung und Recherche zur extremen Rechten finden sich leider einige analytische Ungenauigkeiten und unkritische Begrifflichkeiten, wie etwa »Fremdenfeindlichkeit«. Zu bemängeln ist, dass der Begriff »Antifaschismus« nahezu ausschließlich negativ im Zusammenhang mit der DDR fällt. Eine antifaschistische Tradition in der Bundesrepublik und insgesamt nach 1990 wird nicht benannt. Die DDR-Analyse kommt in der Gewichtung des Buches letztlich immer noch zu kurz und bietet ein Einfallstor für totalitarismustheoretische Vergleiche von Nationalsozialismus und DDR. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Debatte und das Engagement gegen Rechts durch die zeitgeschichtliche Herangehensweise bestärkt und durch dieses Buch weitere Zugänge für eine breitere gesellschaftliche Auseinandersetzung
ermöglicht werden.