Rechte Printmedien und die AfD – Teil 2
Die extrem rechte Medienlandschaft ist ebenso vielschichtig wie das politische Spektrum, das sie repräsentiert. Die neue apabiz-Publikationsreihe magazine nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung. Die erste Ausgabe widmet sich dem Verhältnis der verschiedenen Printmedien zur AfD.
von Kilian Behrens, Vera Henßler, Ulli Jentsch, Frank Metzger, Eike Sanders und Patrick Schwarz
Der erste Teil des Artikels »Rechte Printmedien und die AfD« erschien am Mittwoch, den 28. Mai 2018. Der Artikel erscheint im Rahmen der neuen apabiz-Publikationsreihe magazine. Die komplette Ausgabe findet sich hier als pdf.
Den Riss in der Gesellschaft vertiefen: Die Sezession
Ein gänzlich anderer Duktus als in der Compact, der Deutschen Stimme, aber auch der Jungen Freiheit findet sich in der Sezession, einem der zentralen Theorieorgane der sogenannten Neuen Rechten um den Verleger Götz Kubitschek. Eine plumpe Affirmation der AfD, oder gar Wahlwerbung, wird man dort nicht finden. Lediglich im Editorial finden parteipolitische Entwicklungen mitunter Erwähnung, Aufhänger sind sie fast nie. Entsprechend der neurechten antiparlamentarischen Tradition, die mit der sogenannten »Konservativen Revolution« bis in die Weimarer Republik zurückreicht, gibt sich das Magazin grundsätzlich skeptisch gegenüber Parteien als Motoren politischer Veränderung. Im Fokus der Sezession stehen kulturelle oder geschichtsphilosophische Themen sowie Würdigungen rechtsintellektueller Denker und Literaten aus Geschichte und Gegenwart. Nach vielen Jahren des selbstreferenziellen Wirkens in einem überschaubaren Kreis haben sich Akteure wie Kubitschek mit dem Aufkommen der rechten Mobilisierungen selbst als Bewegungsunternehmer etabliert, die ihre Rolle darin sehen, diesen ein geistiges Fundament zu geben. Das Verhältnis zum parlamentarischen Arm der Bewegung, als der die AfD durchaus gesehen wird, ist allerdings ambivalent. Zwar werden die Wahlergebnisse der AfD positiv zur Kenntnis genommen. Mit Erik Lehnert arbeitet sogar der Geschäftsführer des Institut für Staatspolitik (IfS) und zugleich Autor der Sezession als Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten im Bundestag. Insbesondere Kubitschek legt jedoch Wert darauf, auf den opportunistischen Charakter von Parteien per se hinzuweisen, weshalb mit ihnen dauerhaft keine grundlegende Veränderung möglich sei. Dass auch die AfD über kurz oder lang zum Teil des Establishments werden wird, wo sich dann »Kenner der Macht« sammeln, die darin talentiert seien, »Mehrheiten zu organisieren, Konkurrenten wegzubeißen […] und sie zu stürzen« (Sezession 71, 2016), steht für ihn außer Frage. Diesen Prozess gelte es jedoch so lange wie möglich herauszuzögern. Der Versuch, als Parteimitglied Einfluss auf die Entwicklung der AfD zu nehmen, schlug indes fehl: Nachdem Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza, ebenfalls Autorin der Sezession, Anfang 2015 zunächst Mitglieder der AfD geworden waren, wurde ihnen seitens des Bundesvorstands kurz darauf die Mitgliedschaft aberkannt.
Hinter allen politischen Erwägungen der Sezession steckt das stets auch explizit formulierte Ziel, den Riss in der Gesellschaft weiter zu vertiefen.
Nicht zuletzt in der AfD-Frage sind in der Sezession immer wieder Seitenhiebe auf die als realpolitisch verachteten Positionierungen der Jungen Freiheit, und insbesondere auf deren Autor Karlheinz Weissmann zu finden. Weißmann war einst selbst Redakteur und Mitherausgeber der Sezession, trennte sich jedoch vor einigen Jahren von dem Blatt. Ein Beispiel für die zugrundeliegenden politischen Differenzen, die bei Kubitschek immer wieder Beißreflexe auslösen, verdeutlicht ein Artikel aus dem ersten Quartal 2016. Weißmann und der JF wirft Kubitschek dort einen »Hygienefimmel« vor. Anstatt das »konservative Maximum« (Weißmann hatte im Verlag antaios einst selbst ein Buch mit dem Titel »Das konservative Minimum« publiziert) anzustreben, »eine metapolitische Wegweisung, verfaßt mit der geschulten Rücksichtslosigkeit des Theoretikers für die Praktiker«, betätige sich die JF als »metapolitische Besenbrigade«, indem sie sich immer wieder um Distinktion von all jenen bemühe, die »man auf dem Wege zur Macht nicht neben oder vor sich herumtoben sehen möchte«. Als positives Beispiel wird im selben Artikel der AfDler Marc Jongen angeführt, der mittlerweile im Bundestag sitzt. Dieser erklärte gegenüber der FAZ, Deutschland leide unter »thymotischer Unterversorgung«, einem Mangel an Wut und Zorn, und deshalb fehle es an »Wehrhaftigkeit« gegenüber »anderen Kulturen und Ideologien«. Diese Worte nimmt Kubitschek begeistert auf: »So klingt ein selbstbewusster Ton!« Auch Jongens Aussage, wonach die Gefahr einer Bedrohung der Gesellschaft durch eine Steigerung des Thymos in Kauf zu nehmen sei, wird positiv aufgegriffen und zugespitzt: »Zuerst muss auf eine Revolte hingedacht und hingearbeitet werden.« Anders als bei der JF, die die AfD in der Pflicht sieht, »die ihr von Millionen Wählern angetragene historische Aufgabe zur Ergänzung des parteipolitischen Spektrums verantwortungsbewußt anzunehmen und als seriöses Korrektiv zu wirken« (Dieter Stein, JF 39/2017), geht es der Sezession distinguiert um die Revolte. Im Februar 2017 publizierte Jongen distinguiert um die Revolte. Im Februar 2017 publizierte Jongen seine Theorien über die mangelnde »Wehrhaftigkeit« schließlich auch in der Sezession.
Hinter allen politischen Erwägungen des Blatts steckt das stets auch explizit formulierte Ziel, den Riss in der Gesellschaft weiter zu vertiefen. Entsprechende Vorstöße von AfD-Rechtsaußen werden verteidigt. Als der Sohn von Boris Becker, Noah Becker, Anfang Januar 2018 von dem (inzwischen) AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier auf twitter rassistisch angegangen wurde, reagierte die JF prompt und erklärte, dass sich die AfD nicht wundern müsse, wenn sie bei solchen Äußerungen für »nicht wenige Bürger« unwählbar werde. Auf dem Blog der Sezession hingegen waren gänzlich andere Töne zu vernehmen: Wer wieder ohne ein großes Polizeiaufgebot Silvester feiern wolle und glaubt, »dies könne erreicht werden, ohne Vorurteile gegen diejenigen Bevölkerungsgruppen zu schüren, deren vermehrte Anwesenheit auf deutschem Gebiet solches unmöglich gemacht hat, ist ein Idiot«. Die Rechte würde sich einmal mehr grundlos auf offener Bühne selbst zerfleischen.
»Revolte des gesunden Menschenverstands«: Cato
Erst seit 2017 erscheint zweimonatlich die Zeitschrift Cato – Magazin für neue Sachlichkeit. Hinter dem Heft stehen maßgeblich der ehemalige Verleger Andreas Lombard als Chefredakteur, sowie der Vielschreiber Karlheinz Weißmann, der bis 2014 neben der Jungen Freiheit, für die er bis heute schreibt, auch noch für die Sezession publizistisch tätig war. Nach dem Bekunden Lombards widmet sich Cato »dem Bewährten und verteidigt das Wirkliche gegen seine ideologische Verzerrung«. Ähnlich wie die Sezession dominieren in Cato kulturelle und politische Fragen, die von bekannten AutorInnen in ausführlichen Beiträgen anspruchsvoll für das rechtsintellektuelle Publikum aufbereitet werden. Auch wenn sich Cato ideologisch im gleichen Fahrwasser wie die AfD bewegt, ist die Partei trotz ihrer sonstigen politischen und medialen Omnipräsenz in der Zeitschrift kaum Thema. Eine der wenigen Ausnahmen ist ein Artikel des Berliner AfD-Politikers Nicolaus Fest in der Erstausgabe. Der ehemalige Chefredakteur der Bild am Sonntag thematisiert dort unter dem Titel »Lügen oder nicht lügen« die deutschen Medien. Für Fest liegen die vermeintlichen Parallelen zu den »Zuständen der DDR« auf der Hand. Es sei offensichtlich, »daß viele Medien ihre staatspolitische Neutralität ängst aufgegeben haben«. Abschließend führt der Autor die Medienberichterstattung zu seiner Partei an, wonach die »Stasi- und SA-Methoden« der politischen Gegner bewusst verschwiegen würden. Dieser Verfall der von »antidemokratischer Parteilichkeit« gekennzeichneten Medien spiegelt für den Autor den Verfall der Zivilgesellschaft als ein »Begriff ohne innere Wahrheit« wieder.
Punktuell kommentiert werden mitunter wahlpolitische Erfolge der AfD. So bewertet Karlheinz Weißmann anlässlich der Bundestagswahlen 2017 das hohe Ergebnis der AfD als einen »der erstaunlichsten politischen Vorgänge der letzten Jahrzehnte«, der einer »Revolte des gesunden Menschenverstandes« gleichkomme. Die »AfD brauchte nichts weiter zu tun, als das Unbehagen und den Unmut zu bündeln, ihm eine Stimme zu verleihen«. Für den Historiker Weißmann folgt Deutschland nun dem Weg der Beseitigung des alten Parteiensystems, der bereits u.a. in Italien, Ungarn und Österreich vollzogen wurde und befindet sich jetzt »in einer Phase des Übergangs, der Transformation«. Kürzlich wählte die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung Weißmann in ihr Kuratorium. Die Allgegenwart der Zeitschrift Cato in der Jungen Freiheit, die durch Werbeanzeigen und personelle Überschneidungen deutlich wird, sorgt wohl dafür, dass auch das noch junge Zeitschriftenprojekt in AfD-Kreisen seine interessierte LeserInnenschaft finden wird.
Bedrohtes Christentum: ideaSpektrum
Die unabhängige Evangelische Nachrichtenagentur idea, das Medienhaus der evangelikalen Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) mit rund 1,3 Millionen Mitgliedern, verfügt unter anderem über das Nachrichtenportal idea.de sowie die seit 1979 erscheinende Wochenzeitschrift ideaSpektrum. ideaSpektrum hat laut Eigenangaben wöchentlich über 90.000 Leser*innen. Laut IVW betrug die Auflage inklusive des E-Papers im dritten Quartal 2017 allerdings nur knapp 28.000 Exemplare.
Neben den religiösen Aspekten aus der evangelikalen Gemeindearbeit widmet sich idea auch allen Fragen der christlichen Betrachtung tagesaktueller Ereignisse, von der Christenverfolgung bis hin zur Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare in den evangelischen Gemeinden gesegnet werden dürfen. Die AfD wird dabei ausdrücklich ebenso behandelt wie alle anderen Parteien, über die Arbeit der Christen in der AfD (ChrAfD) wird regelmäßig berichtet. Dabei öffnet idea vor allem solchen Positionen, auch von AfD-RepräsentantInnen, den Raum, welche die Ablehnung der AfD durch die Amtskirchen kritisieren und eine Normalisierung im Umgang mit der AfD fordern. Der Chef bei idea.de, Matthias Pankau äußerte sich dazu: »Die AfD ist auf demokratischem Wege gewählt worden. In der Tagespolitik kann und muss sie sich nun beweisen – so wie alle anderen Parteien auch. (…) Wir hofieren die AfD nicht, aber wir verteufeln sie auch nicht.«
Auf der diskursiven Ebene ist die Nähe von christlich-fundamentalistischen Akteuren wie der idea zur AfD und anderen Teilen der Bewegung von rechts nicht zu übersehen. Das Christentum in Europa ist nach fundamentalistischer Auffassung in einen globalen Abwehrkampf verwickelt, dessen Gegner sowohl »der Islam« als auch die fortschreitende Säkularisierung der Gesellschaft seien. . In der Folge wird das europäische Christentum als Minderheit inszeniert, das durch Einwanderung aus muslimisch geprägten Ländern bedroht wird. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, Pfarrer Johannes Holmer, hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt als Sympathisant der AfD geäußert, weil viele bei der CDU »konservative Positionen« beispielsweise beim Thema »Lebensrecht« vermissten. Radikale Äußerungen vom rechten Flügel, wie beispielsweise die rassistischen Beleidigungen von André Poggenburg zum Aschermittwoch 2018, stoßen allerdings auf scharfe Ablehnung. So schreibt Dennis Pfeifer, Chef vom Dienst bei idea: »Wie weit weg ist dieses Verhalten doch von der Botschaft Jesu! Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Vergebung – dafür ist bei Poggenburg kein Platz. Wer Minderheiten diskriminiert und beleidigt, wer Fremdenhass und Rassismus schürt, der ist für Christen wahrlich keine Alternative.«
Schlichte Ignoranz: Neonazistische Nischenblätter
Während die NPD-Zeitung Deutsche Stimme die AfD zumindest noch als ernstzunehmende Konkurrenz rezipiert und in ihren parteistrategischen Überlegungen berücksichtigt, ignorieren viele andere neonazistische Zeitungsprojekte ohne Parteibindung die AfD weitestgehend. Magazine wie Volk in Bewegung, N.S. Heute oder Umwelt & Aktiv kommen fast gänzlich ohne die Erwähnung der AfD aus, und widmen sich abseits tagesaktueller Entwicklungen oder parteipolitischer Verschiebungen ihrer jeweiligen Agenda. Nur punktuell findet die Partei Erwähnung – als großer Hoffnungsträger erscheint sie nie. So heißt es in dem Magazin Volk in Bewegung anlässlich der Bundestagswahlen unter der Überschrift »Wahlzirkus«: »Die politische Kraft der Zukunft wird eine Bewegung sein, deren parlamentarischer Teil nur eine untergeordnete Funktion haben wird.« Diese Perspektive kann sicherlich als Grundtenor des neonazistischen Spektrums bezeichnet werden.
Der erste Teil des Artikels »Rechte Printmedien und die AfD« erschien am Mittwoch, den 28. Mai 2018. Der Artikel erscheint im Rahmen der neuen apabiz-Publikationsreihe magazine. Diese nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung. Die erste Ausgabe von magazine erscheint als Print- und Onlineversion. Die zukünftigen Ausgaben erscheinen als pdf auf der apabiz-Homepage. Fördermitglieder bekommen die Erstausgabe zugeschickt, außerdem liegt sie der aktuellen Schwerpunktausgabe zu rechten Printmedien von der rechte rand – magazin von und für antifaschistInnen bei.