© apabiz

Rechte Printmedien und die AfD – Teil 1

Die extrem rechte Medienlandschaft ist ebenso vielschichtig wie das politische Spektrum, das sie repräsentiert. Die neue apabiz-Publikationsreihe magazine nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung. Die erste Ausgabe widmet sich dem Verhältnis der verschiedenen Printmedien zur AfD.

von Kilian Behrens, Vera Henßler, Ulli Jentsch, Frank Metzger, Eike Sanders und Patrick Schwarz

In den vergangenen Monaten haben extrem rechte Printmedien und Verlage eine bisher ungekannte Aufmerksamkeit erfahren. Die Ereignisse auf der Frankfurter Buchmesse 2017 sowie auf der Leipziger Buchmesse im März 2018 rund um die Verkaufsstände rechter Verlage und die Reaktionen in den Feuilletons verdeutlichen die Schwierigkeit, einen angemessenen, kritischen Umgang mit dem rechten Spektrum jenseits des neonazistischen Lagers zu finden, der nicht deren Selbstinszenierung dient. Unter dem Verweis auf »Meinungsfreiheit« und die alleinige Wirksamkeit des »besseren Arguments« zeichnet sich eine gesellschaftliche Akzeptanz insbesondere jener Akteure ab, die in den vergangenen Jahren als Teil einer neuen sozialen Bewegung von rechts charakterisiert und beschrieben wurden. Diskurse von rechts gewinnen auch jenseits ihres eigenen Resonanzraums zunehmend an Relevanz. Der Markt an Printpublikationen mit völkisch-nationalistischer Ausrichtung ist so breit aufgestellt wie lange nicht. Während einzelne Zeitschriften wie das Compact-Magazin oder die Sezession sicherlich einigen ein Begriff sein werden, sind andere Publikationen eher unbekannt. Als Grundlage für die kritische Auseinandersetzung mit der extremen Rechten dienen sie allerdings nur selten – und dies, obwohl dort nicht nur zentrale Diskurse nachzulesen sind, sondern mitunter auch Strategiedebatten ausgetragen werden. Diese Lücke wollen wir füllen. In unseren Archivbeständen findet sich ein breites Spektrum extrem rechter Printmedien, die uns hierfür als Ausgangspunkt dienen. Mit magazine wird künftig dreimal jährlich eine inhaltlich fokussierte Analyse erscheinen, die sich an einem Querschnittsthema orientiert. Ergänzend zu den einzelnen Ausgaben werden auf der apabiz-Homepage weitere Informationen zu den unterschiedlichen Periodika publiziert.

Zwischen bedingungsloser Solidarität und grundlegender Skepsis

Neben den großen Printmedien wie der Wochenzeitung Junge Freiheit oder dem Monatsmagazin Compact mit einer Auflage von mehreren zehntausend Stück gibt es etliche kleinere Zeitschriften. Diese richten sich etwa an ein dezidiert rechtsintellektuelles Publikum (Sezession, Cato), bedienen die Reichsbürgerszene oder geschichtsrevisionistische Kreise (Recht und Wahrheit, Volk in Bewegung), bearbeiten Nischenthemen (das extrem rechte Ökomagazin Umwelt & Aktiv) oder adressieren eine junge und aktivistische Neonaziszene (N.S. Heute). Die AfD wird von diesen Blättern sehr unterschiedlich rezipiert. Das Verhältnis reicht von bedingungsloser Solidarität über die Affirmation einzelner parteipolitischer Strömungen bis hin zu klarer Ablehnung oder schlicht Ignoranz.

Auf Anbiederungskurs: Das Nachrichtenmagazin Zuerst!

»Alternativlos! Wirklich?« titelte das extrem rechte Nachrichtenmagazin Zuerst! im Vorfeld der Bundestagswahl im August 2017. Dass es sich dabei nicht nur um eine rhetorische Frage handelt, sondern dieses simple Wortspiel eine Wahlempfehlung zugunsten der AfD meint, lässt bereits das Titelbild erahnen: Auf einem Fernsehbildschirm sind hinter einem Transparent mit dem Aufdruck »Alternativlos!« die Spitzenkandidat*innen von CDU/SPD/FDP/Grüne/Linke zu sehen. Im Hintergrund sind – in Wartestellung wachend – groß und erhaben die beiden AfD-SpitzenkandidatInnen Alice Weidel und Alexander Gauland dargestellt. Der Inhalt der Ausgabe bestärkt diesen Ersteindruck. Im Leitartikel stellen die AutorInnen die Positionen der einzelnen Parteien zu Themen wie EU, Asyl und Migration, Außen- und Verteidigungspolitik sowie Familien- und Geschlechterpolitik gegenüber. An den gemeinhin als »Parteienkartell« diffamierten etablierten Parteien lassen sie kaum ein gutes Haar – allenfalls bei Überschneidungen mit den Positionen der AfD werden ihnen »punktuell gute Ansätze« attestiert. Wenig überraschend kommt das Magazin in allen Aspekten zu dem Schluss, dass die AfD die »einzige Alternative« sei. Schließlich sei sie doch »die einzige, die sich vorbehaltlos für die Souveränität und gewachsene Identität unseres deutschen Volkes einsetzt«. In einem Begleitinterview beklagt Alice Weidel: »Es geht um Deutschland, und es geht um Europa, unseren Kontinent. Es finden gewaltige Umwälzungen statt, und das in einem rasanten Tempo. […] Wir müssen jetzt handeln, es bleibt nicht mehr viel Zeit.« Als Ziel ihrer Partei betont sie drohend: »Der AfD geht es nicht darum, irgendwo ‚mitmachen‘ zu dürfen, wir wollen die Regeln ändern.«

Dass diese Ausgabe eher wie eine Wahlkampfzeitung anmutet und nicht wie ein kritisches Nachrichtenmagazin, was die Zuerst! vorgibt zu sein, mag zunächst verwundern, ist bei näherer Betrachtung aber doch nur logische Konsequenz. Seit Erscheinen der ersten Ausgabe zum Januar 2010 war die hoffnungsvolle Suche nach einer erfolgreichen Rechtsaußen-Partei in der Zuerst! allgegenwärtig. Sie zeigte sich gegenüber allen Spektren der extremen Rechten offen, bot rechtskonservativen bis neonazistischen Akteuren Raum und begleitete deren Aktivitäten distanzlos mit wohlwollenden Berichten. Neben ihrer Begeisterung für die erfolgreichen europäischen Rechtsaußen-Parteien hofierte das Blatt in den Anfangsjahren die NPD, als diese noch erfolgreich und in zwei Landtagen vertreten war. Die anfängliche Skepsis gegenüber der AfD (»Noch `ne Partei«; Zuerst! 4/2013) wich mit deren wachsendem Erfolg schnell einer nahezu kritik- und bedingungslosen Begeisterung. Die innerparteilichen Querelen scheinen die Loyalität wenig zu beeinflussen. Zwar wird sich zumeist keinem bestimmten Lager explizit zugewandt, doch hegte die Zuerst! von Beginn an offensichtlich mehr Sympathien mit dem völkischen Flügel der Partei, den das Blatt konsequent als »(national-)konservativ« relativiert. Mit der kontinuierlichen Radikalisierung der AfD verstetigte sich sukzessive die Bindung der Zuerst! an die Partei. So entspricht die derzeitige Ausrichtung der AfD mehr dem Profil des extrem rechten Magazins, als dessen Macher sicher anfangs in Erwägung gezogen haben. In den vergangenen zwei Jahren gab es kaum eine Ausgabe, in der nicht in den zentralen Artikeln die politischen Positionen der AfD mit in die eigene Argumentation einbezogen und zusätzlich mindestens ein oder zwei AfD-VertreterInnen interviewt wurden. Bisweilen soll der Anschein erweckt werden, als sei nicht immer die Parteifunktion ausschlaggebend, sondern das vermeintlich themenspezifische ExpertInnenwissen der Interviewten.

Sprachrohr der Bewegung: Das Compact-Magazin

Das Compact-Magazin für Souveränität versteht sich als Bewegungsblatt. Schon früh erkannten die Macher rund um Chefredakteur Jürgen Elsässer das Potential der Proteste von Pegida und Co. Dabei gibt man sich nicht mit einer beobachtenden Rolle zufrieden, sondern versteht es (mehr noch als andere extrem rechte Medien), selbst in vorderster Reihe mitzumischen, immer den angestrebten »Regimewechsel« vor Augen. Die AfD will man der Bewegung gegenüber in die Pflicht nehmen. Noch im März 2016 schwärmte Jürgen Elsässer von Frauke Petry. Diese sei »Die bessere Kanzlerin«, so der Titel der Ausgabe. Im gleichnamigen Artikel geht es, den plumpen Sexismus des Verfassers entlarvend, weniger um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Positionen der damaligen AfD-Vorsitzenden, als um ihr Aussehen. Neben einem Kommentar zu ihren Beinen wird über ihre Körperhaltung in einer Talkshow sinniert und festgehalten, sie erinnere an die Schauspielerin Audrey Hepburn. Und besonders wichtig: »Im Unterschied zu ,Mutti‘ [gemeint ist Angela Merkel] hat Petry wirklich Kinder, und zwar gleich vier an der Zahl.« Was dies mit ihrer Eignung als mögliche Regierungschefin zu tun habe, führt Elsässer nicht aus. Aber mal erwähnt haben will er es. Das Publikum versteht, was gemeint ist. Artikel, die die heterosexuelle Kleinfamilie zum Ideal erheben, gehören seit Langem zum Standartrepertoire des Magazins, für das fast ausschließlich Männer schreiben.

Ein gutes Jahr später, als der machtpolitische Konflikt zwischen Petry, die einst Parteigründer Bernd Lucke rechts überholt und aus der AfD gedrängt hatte, und dem offen völkischen Flügel unausweichlich wird, nimmt Compact von seiner einstigen Favoritin für die Nachfolge Merkels Abstand. Zu groß sind die Sympathien der Redaktion für die Höckes, Poggenburgs und Gaulands der Partei, sind es doch jene Herren, die sich gegen jede auch noch so symbolische Abgrenzung nach rechtsaußen aussprechen und die AfD somit auch weiterhin den PegidistInnen als Wahloption empfehlen. Entsprechend wird ihnen viel Platz im Magazin eingeräumt. Sei es durch Interviews, den Abdruck von Reden oder sogar durch eigene Artikel. Es gefällt, wer als »volksnah« gilt.

Als »Blaues Wunder« feiert Compact dann im Oktober 2017 den Einzug der AfD in den Bundestag. Diesmal nicht mit Petry, sondern Spitzenkandidatin Alice Weidel auf dem Cover und fügt hinzu: »Macht was draus«.

Als »Blaues Wunder« feiert Compact dann im Oktober 2017 den Einzug der AfD in den Bundestag. Diesmal nicht mit Petry, sondern Spitzenkandidatin Alice Weidel auf dem Cover und fügt hinzu: »Macht was draus«. Es gelte nun, den Charakter der AfD als »Bewegungspartei« zu festigen. Einer Regierungsbeteiligung, auch wenn diese niemals ernsthaft zur Debatte stand, widerspricht Compact pro forma. Und wessen Worte wären da besser geeignet, als die Björn Höckes. Praktisch, dass dieser prompt »mit freundlicher Genehmigung« seine berüchtigte Dresdner Rede vom Januar 2017 zum Abdruck freigibt, welche sich in gekürzter Form im Heft findet. Während der Abschnitt zum Holocaustmahnmal als »Mahnmal der Schande« an anderer Stelle von Compact durchaus erwähnt wird, findet er sich hier auffallender Weise nicht. Stattdessen wird den Absätzen zur Funktion der Partei viel Platz eingeräumt, in denen der AfD die Rolle einer »fundamentaloppositionellen Bewegungspartei« zugesprochen wird. Dass das Magazin dem offen völkischen Flügel einen derart prominenten Platz für Strategieüberlegungen einräumt, ist symptomatisch für das Verhältnis von Compact zur AfD. Wer sich der Bewegung als nützlich erweist, wird hofiert. Dabei übernimmt das Magazin die Rolle als deren Sprachrohr derzeit wie kaum ein anderes rechtes Medium.

Stetige Hofierung der AfD: Das Compact-Magazin © apabiz

Von Volksverrätern und Deutschlandabschaffern: Die Deutsche Stimme

Die NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme (DS) pflegt wenig überraschend ein ablehnendes Verhältnis zur Konkurrenzpartei AfD. Artikel, in denen diese Erwähnung findet, dienen der Abgrenzung und Inszenierung des eigenen parteipolitischen Profils. In dieser Erzählung ist man das aufrechte Original, das es mit einer verweichlichten Kopie, deren FunktionärInnen früher oder später vom System korrumpiert würden, zu tun habe. Die Wahlerfolge der AfD haben die NPD nicht nur Stimmen gekostet, sondern ihr auch finanzielle Probleme eingebracht. Hinzu kommen anhaltende juristische Auseinandersetzungen mit dem Staat. Für die Partei geht es dieser Tage also nicht bloß um politische Animositäten, sondern um die Existenz. Der Ton im Umgang mit der Rivalin ist in Wahlkampfzeiten entsprechend rau, das zeigt ein Blick in die DS.

Als mögliche »Volksverräter« bezeichnete der NPD-Parteivorsitzende Frank Franz die AfD in einem Interview in der Sonderausgabe zur Bundestagswahl. Ein Vorwurf, der in jenem politischen Spektrum kaum schwerer wiegen könnte. Franz wörtlich: »Tatsächlich ist die AfD keine Alternative zu den Altparteien. Sogar hohe Funktionsträger der AfD […] wurden öffentlich und dem Sinn nach mit der Kritik an Frauke Petry zitiert, diese strebe eine Koalition mit der Union an. Und mit diesem Vorhaben ist Petry nicht alleine. Wer sich aber mit den Volksverrätern und Deutschlandabschaffern in ein Bett legen will, der ist selbst ein Volksverräter und keine Alternative.« Damit beschwört er die Gefahr der Korrumpierbarkeit führender AfD-FunktionärInnen nach der Wahl, wenn es um die Koalitionsbildung geht. Eine Gefahr, der sich die NPD auf der großen politischen Bühne in Zukunft kaum ausgesetzt sehen dürfte, weshalb sie sich leicht als besonders prinzipientreu inszenieren kann.

Auch im Bereich Sozialpolitik versucht Franz, die NPD gegen die Konkurrenz in Stellung zu bringen. So stehe seine Partei »an der Seite des ganzen Volkes«, während die AfD lediglich Politik für »Besserverdienende« betreibe. Ein Vorwurf, der sich in der DS wiederholt lesen lässt. Mehrfach wurde in der Zeitung auch die eigene politische Profilierung in Reaktion auf die AfD-Erfolge thematisiert. DS-Vielschreiber Arne Schimmer (NPD-Vorstand Sachsen) plädiert etwa in der Ausgabe 7/2016 für die »verstärkte Thematisierung der sozialen Frage als zweites Kernthema«. Gleich nach dem »Leib-und Magenthema, der Überfremdungskritik«, versteht sich.

Auch in der Familienpolitik betont die DS die Unterschiede zur AfD. Den dezidiert völkischen Charakter der NPD zeigt ein kurzer Beitrag vom Juni 2017. Unter der Überschrift »,Positive Bevölkerungsentwicklung…‘ Ja – aber welche Bevölkerung ist gemeint?« kommentiert der Autor Lutz Dessau einen AfD-Antrag im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, in dem gefordert wird, durch finanzielle Anreize für Eltern einen Anstieg der Geburtenrate herbeizuführen. So solle Eltern nach der Geburt des ersten Kindes ein zinsfreier Kredit von 5.000 Euro ausgezahlt werden, dessen Rückzahlungshöhe sich bei der Geburt des zweiten Kindes um ein Drittel verringere und durch die Geburt eines dritten sogar komplett entfalle. Dies sei »auf den ersten Blick vollumfänglich zu begrüßen«, so der Autor, zumal der Antrag »ein Bekenntnis zur traditionellen Familie« enthalte. Damit enden jedoch die Gemeinsamkeiten. Die Tatsache, dass die geforderten Kredite allen zugute kommen sollen, die seit mindestens fünf Jahren im Bundesland leben, sichert der AfD-Fraktion dann doch Dessaus Groll. »Spätestens jetzt reiben sich volksbewußte Deutsche verwundert die Augen«, schreibt er. So könnten schließlich auch Migrant*innen das Darlehen in Anspruch nehmen. Im Gegensatz dazu beziehe sich die NPD »ohne Wenn und Aber auf das deutsche Volk«. Und das man dieses noch immer in bester Blut-und-Boden-Manier als Abstammungsgemeinschaft versteht, daraus macht man in der DS zumindest kein Geheimnis.

Meist wohlwollend, selten kritisch: Die Junge Freiheit

Die extrem rechte Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) ist mit einer Auflage von 35.882 (4/2017) eine der größten und ältesten der hier porträtierten Zeitungen und profitiert entsprechend spürbar vom rechten Aufschwung, in dem die AfD nur die parlamentarische Spitze des Eisbergs ist. Im Vergleich zu 2012 hat sie ihre Verkaufszahlen laut Angaben der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) um 42 Prozent steigern können. Dass die Themenpalette der JF mit der der AfD deckungsgleich ist, liegt auf der Hand: Rassistische Schlagzeilen zu Geflüchteten und der Asylpolitik, Häme und Verachtung gegenüber Merkel und dem »Polit-Establishment«, nationalistische Töne gegen die EU, historische Themen im revisionistischen Blickwinkel, offene antifeministische Kampagnen gegen »Gender-Terror«. Wenig überraschend hat die Junge Freiheit die AfD von Beginn an als »politische Option« (39/2013) gesehen und sie begleitet: Schon die Gründung der damals noch als »euro-kritisch« charakterisierten Partei kommentierte die JF gespannt mit der Übernahme des Konrad-Adam-Zitats »Die Zeit ist reif«. Ab da vergeht wohl keine Ausgabe, in der die Positionen der AfD zu den eigenen Themen, Neuigkeiten aus der Partei und der Zustand der AfD nicht Thema sind – meist wohlwollend, seltener kritisch kommentiert. Zur Bundestagswahl 2013 titelte die JF (wie vier Jahre später die Compact) »Das blaue Wunder« und prophezeite – durchaus treffend – eine »Veränderung des Parteiensystems«.

Deutlich abgelehnt werden alle drohenden oder vollzogenen Parteispaltungen und -abgänge liberaler Kräfte – sie würden zum Ende der Partei führen und Merkel in die Hände spielen. So schreibt Chefredakteur Dieter Stein im Mai 2015: »Den Rücktritt von Hans-Olaf Henkel als stellvertretendem AfD-Chef werden Historiker später als Anfang vom Ende der Partei notieren – wenn nicht noch ein Wunder geschieht. […] Beeindruckte die AfD zu Beginn durch eine kollegiale Führungsmannschaft, so tobt seit Monaten eine Schlammschlacht, bei der immer neue Tiefpunkte erreicht werden.« Die JF warnte schon damals vor dem Thüringer Landeschef Höcke, »der die Partei jedoch noch weiter nach rechtsaußen in eine Sackgasse führen möchte. Besonders bei der Höcke-Gruppe sind Akteure einer ‘Rechten’ am Werk, die keinen Ruf zu verlieren haben und denen es gleichgültig ist, ob sich die AfD durch einen Rechtsruck und die Aufgabe des liberalen Flügels an den Rand des diskutablen politischen Spektrums manövriert.« Höckes Dresdner Rede sieht Stein als »Beleg« für »seine einschlägige politische Positionierung und Unfähigkeit, an positive patriotische Traditionen anzuknüpfen«. Kontinuierlich scheint die JF auf das falsche – nämlich immer das liberal-konservativere – Pferd zu setzen und muss erst Hans-Olaf Henkel, dann Lucke und zuletzt Petry gehen sehen. Dennoch kündigt sie der AfD nicht die Freundschaft, immer appelliert sie an die gemäßigteren Kräfte, um die Partei als »Volkspartei« im nicht allzu völkischen Sinne zu etablieren. Dementsprechend will sie heute eine AfD, die regierungsfähig ist, keine Revolte. Im Wahlkampf nahm die JF häufig und positiv Bezug auf die »konservative AfD«, bis hin zu einer eigenen repräsentativen Wahlumfrage zu den Themen Asyl und Zuwanderung. Die JF scheut sich auch nicht, die konservativen Rechten, ob innerhalb oder außerhalb der AfD, gegen Kritik der etablierten Parteien und der Medien deutlich in Schutz zu nehmen.

Und so bleibt nur der mahnende Unterton, mit dem Dieter Stein als häufigster Seite-1-Kolumnist mal betont, wie wichtig die bürgerliche »Mitte« sei, und mal den extrem rechten Flügel der AfD dort kritisiert, wo er zu »Rambo-mäßig« und zu wenig bürgerlich-konservativ daher kommt. Die rassistischen Ausfälle André Poggenburgs im Februar 2018, in denen dieser »Türken« unter anderem als »Kameltreiber« und »Kümmelhändler« beleidigt hatte, verurteilte die JF als »gefährliches Rabaukentum«. Die JF-Kritik an den verbalen Ausschlägen dient vor allem dazu, die »konservative AfD« als politische Alternative etablieren zu helfen, die eine aus JF-Sicht seit Jahrzehnten bestehende Repräsentanzlücke rechts der Union füllen soll. Ihre häufig in einem Oberlehrer-haften Ton vorgetragene Kritik brachte der Jungen Freiheit wiederholte Unmutsäußerungen aus dem rechten Lager ein.


Aufschwung und Neuformierung der extremen Rechten

Mit der Zunahme extrem rechter Protestmobilisierungen, zunächst als »Nein zum Heim«-Kampagnen, später als Pegida, die von einem rasanten Anstieg rassistisch motivierter Gewalt begleitet sind, hat sich in den vergangenen Jahren das sehr heterogene Rechtsaußenspektrum neu zusammengesetzt. Insbesondere der völkisch-nationalistische Flügel der AfD begreift sich als Teil dieser Protestbewegung, die zum erfolgreichen Einzug der Partei in die Parlamente beigetragen hat. In der Bewegungsforschung werden vier Elemente benannt, die für soziale Bewegungen charakteristisch sind: ein gemeinsames Ziel (ein Wandel der Gesellschaft bzw. das Ziel, gesellschaftlichen Wandel aufzuhalten), Protest als Medium (Demonstrationen, Blockaden, Petitionen), eine kollektive Identität sowie der Netzwerkcharakter (eine Vielzahl und Heterogenität von Akteuren, die aufeinander Bezug nehmen und punktuell gemeinsam agieren). [1] Auch wenn viele der heute zentralen Akteure bereits seit Jahrzehnten im politischen Feld wirken, so kann die in den letzten Jahren zu beobachtende Neuformierung und Verstetigung auf der Straße, in den rechten Medien sowie in den Parlamenten als neue soziale Bewegung von rechts beschrieben werden. Darüber hinaus gibt es Akteure im extrem rechten Spektrum, die jenseits dieses politischen Aufschwungs verbleiben, weshalb sie sich nicht als Teil dieser Bewegung beschreiben lassen. Der von uns verwendete Sammelbegriff »extrem rechts« bezeichnet in diesem Sinne ein entsprechend breites politisches Spektrum, das vom neonazistischen Lager über Akteure der »Neuen Rechten« bis hin zu rechtskonservativen Kräften reicht.


Der zweite Teil des Artikels »Rechte Printmedien und die AfD« erscheint am Mittwoch, den 30. Mai 2018.  Er erscheint im Rahmen der neuen apabiz-Publikationsreihe magazine. Diese nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung. Die erste Ausgabe von magazine erscheint als Print- und Onlineversion. Die zukünftigen Ausgaben erscheinen als pdf auf der apabiz-Homepage. Fördermitglieder bekommen die Erstausgabe zugeschickt, außerdem liegt sie der aktuellen Schwerpunktausgabe zu rechten Printmedien von der rechte rand – magazin von und für antifaschistInnen bei.

  1.  Vgl. dazu etwa Peter Ullrich: Postdemokratische Empörung. Ein Versuch über Demokratie, soziale Bewegungen und gegenwärtige Protestforschung, IPB working paper, Berlin 2015. Online unter protestinstitut.eu