Rechte Perspektiven auf Religion – Teil 2
In rechten Printmedien gibt es vielschichtige Bezüge auf Religion. Religiöse Versatzstücke als Teil »des Eigenen« finden sich in diversen Spektren der extremen Rechten. Stets ist die Bedrohung durch »das Fremde«, etwa den Islam, damit verknüpft. Die apabiz-Publikationsreihe magazine nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung.
von Kilian Behrens, Vera Henßler, Ulli Jentsch, Frank Metzger und Eike Sanders
Der erste Teil des Artikels »Rechte Perspektiven auf Religion« erschien am Montag, den 29. Oktober 2018. Er widmet sich dem Verhältnis rechter Printmedien zum Christentum sowie zum Germanen- und Neuheidentum. Im zweiten Teil analysieren wir deren Islam-Rezeption. Der Artikel erscheint im Rahmen der neuen apabiz-Publikationsreihe magazine.
Perspektiven auf »den Islam«
Der Islam gilt in der extremen Rechten grundsätzlich als Religion, die in Europa stets fremd geblieben ist, was sie aus völkisch-nationalistischer Sicht für die eigene Identität unattraktiv macht. Dennoch unterscheiden sich die Perspektiven auf den Islam in den einzelnen Publikationen deutlich. Nicht alle Magazine hegen einen plumpen antimuslimischen Rassismus, warnen vor einer »Islamisierung« oder fokussieren ihre Beiträge auf den islamistischen Fundamentalismus. Auch wenn die Perspektive auf »den Islam« als Bedrohung in der extremen Rechten ohne Zweifel vorherrschend ist, lassen sich insbesondere in neurechten Publikationen auch differenzierende oder gar affirmative Bezugnahmen finden. Gerade in diesem Milieu ist keine eindeutige Linie feststellbar. Mitunter werden auch innerhalb der Publikationen rege Debatten über den Islam geführt.
In aktuellen Ausgaben von Compact finden sich beim Thema Islam pauschalisierende Verunglimpfungen. Da ist etwa von »Jüngern Allahs« oder »Allahu-Akbar-Jüngern« die Rede. Muslime gelten als Sicherheitsrisiko und »Invasoren«. Ein Blick in ältere Ausgaben zeigt, dass dies nicht immer so war. Innerhalb der acht Jahre des Bestehens hat sich die Rezeption des Islam in Compact deutlich verändert. Eng damit verwoben ist der Weggang von Andreas Abu Bakr Rieger, der die Zeitschrift 2010 gemeinsam mit Jürgen Elsässer und Kai Homilius gründete. Nach Streitigkeiten um die politische Ausrichtung verließ Rieger, der bis heute die Islamische Zeitung herausgibt, 2014 die Compact. Die immer lauter werdenden antimuslimischen Töne innerhalb der Redaktion dürften dabei eine große Rolle gespielt haben. In der Anfangsphase wurde noch darauf geachtet, zwischen der Religion und dem politischem Islam zu unterscheiden. So lobte man in der zweiten Ausgabe den damaligen britischen Premierminister James Cameron für dessen »ungewohnte Zwischentöne«. In einer im Heft abgedruckten Rede Camerons heißt es: »Der Islam ist eine Religion, die friedlich und ernsthaft von mehr als einer Milliarde Menschen ausgeübt wird. Islamistischer Extremismus ist eine politische Weltanschauung, die von einer Minderheit vertreten wird. (…) Es ist unbedingt erforderlich, dass wir die Unterscheidung zwischen der Religion und der politischen Ideologie vornehmen.« Auch Chefredakteur Jürgen Elsässer, der sich einmal selbst als »Linke(n), der wieder zu Gott gefunden hat« (9/2011) bezeichnete, war zunächst kein dezidierter Feind des Islam. Dessen kruder Antikapitalismus wird schon mal mit religiösen Anleihen überhöht, etwa wenn er für eine »Koalition für das Seelenheil« wirbt, welche Widerstand »gegen den nihilistischen Furor des Kapitalismus, der den Mammon an die Stelle der alten Götter setzt«, leisten müsse. Diese Koalition könne vom »gläubigen Katholiken über den transzendenten Kommunisten bis zum frommen Moslem« reichen. (9/2011) Dass Jüdinnen und Juden hier keine Erwähnung finden, passt ins Bild. Mittlerweile wird der Islam dem neurechten Konzept des Ethnopluralismus folgend als »Nahost-Religion« aus der eigenen Kultur heraus definiert. Dass das Christentum letztlich auch in eben jener Region entstand, scheint die Redaktion nicht zu kümmern.
Auch in der Zuerst! wird die einfache Feindbild-Konstruktion Islam gepflegt. Nach Meinung der AutorInnen müsse »das Eigene«, was hin und wieder diffus mit »christlichen Werten« übersetzt wird, verteidigt und vor der Bedrohung durch »den Islam« bewahrt werden. Wie in der extremen Rechten hegemonial wird der Islam nahezu ausschließlich auf Gewalt, Terror und Frauenunterdrückung reduziert und mit Asyl und Zuwanderung in Verbindung gebracht. »Muslimisch«, »islamisch« und »islamistisch« werden nahezu synonym verwandt. Auch zwischen Islam, Islamismus und islamistischem Terror sind die Übergänge fließend. Der für seinen antimuslimischen Rassismus berüchtigte Zuerst!-Kolumnist Manfred Kleine-Hartlage bringt dies wie folgt auf den Punkt: »Wir sind es leid, uns erzählen zu lassen, der islamische Terror habe nichts mit dem Islam und schon gar nichts mit der Politik der systematischen Masseneinwanderung zu tun. Wie ist der Terrorismus denn nach Europa gekommen, wenn nicht mit dem Islamismus? Wie der Islamismus, wenn nicht mit dem Islam? Wie der Islam, wenn nicht mit der Masseneinwanderung von Nichteuropäern? Einer Invasion, die Sie nicht nur nicht gebremst, sondern gegen Recht und Gesetz sogar noch angekurbelt haben.« (7/2017)
Auch wenn die Perspektive auf »den Islam« als Bedrohung in der extremen Rechten ohne Zweifel vorherrschend ist, lassen sich insbesondere in neurechten Publikationen auch differenzierende oder gar affirmative Bezugnahmen finden.
In anderen Magazinen lassen sich durchaus differenzierte Töne über den Islam finden, etwa in der Tumult aus Dresden. In Fragen der Ablehnung von Migration lässt sich die Zeitschrift des ursprünglich aus der antiautoritären Linken kommenden Herausgebers Böckelmann mittlerweile als Teil der »neuen sozialen Bewegung von rechts« verorten. So wird ein »Verlust des Willens zur Selbstbehauptung« konstatiert wird, oder in Bezug auf die Migration beklagt, »die Unterscheidung zwischen Freund und Feind, zwischen Eigenem und Fremden« sei inzwischen diskreditiert.[1] Mit Blick auf den Islam wissen einzelne Autoren hingegen durchaus zu differenzieren, so etwa der französische Philosoph und Historiker Marcel Gauchet in seiner zweiteiligen Artikelreihe über die »Triebfeder des Fundamentalismus«. Fundamentalistisches Denken finde sich demnach »fast überall in den verschiedenen Religionen dieser Welt. Aber es nimmt sehr verschiedene Formen und Ausprägungen an, die abhängig sind von der Art der geistigen Traditionen, in denen sie auftreten (im Hinduismus anders als im Islam), sowie von den sozialen und politischen Kontexten, in denen sie sich entfalten.« In seiner Analyse unterscheidet der Autor deutlich zwischen islamischer Kultur und Religion und ihrer Interpretation durch Fundamentalisten, etwa in Europa: »Als Konvertiten ohne jede ursprüngliche Verbundenheit mit der Kultur des Islam übersetzen sie ihre persönliche und gesellschaftliche Loslösung in eine religiöse Sprache, ohne sich jedoch viel um die eigentlichen religiösen Inhalte zu kümmern.« Der Fundamentalismus, so Gauchet, sei gegenüber religiösen Autoritäten gleichgültig. (Winter 2017/2018)
In der Sezession bewegen sich die Artikel über den Islam in einem Spannungsfeld zwischen Bewunderung und Ablehnung. Bewundert wird der Islam als politisches Modell der Einheit, das der von Individualismus und Liberalismus geprägten europäischen Moderne fremd sei. Gleichzeitig wird der Islam aufgrund seiner fundamentalistischen Ausprägungen, aber auch wegen der »Geburtenraten islamischer Bevölkerungen« als Bedrohung begriffen. Dreh- und Angelpunkt ist erneut das völkisch-nationalistische Verständnis »des Eigenen«, das es zu erhalten gelte. Damit wird die antiliberale Haltung der Sezession zum Ausgangspunkt: Die europäische, von Dekadenz und Verfall geprägte Moderne ohne Sinn für eigene Tradition und Identität habe dem aufstrebenden Islam nichts entgegenzusetzen. Auf dem Blog der Sezession diskutierten jüngst die Autoren Thor von Waldstein und Siegfried Gerlich ihre Perspektiven auf den Islam. Während von Waldstein eine gewisse Faszination am Islam und seiner historischen Rolle auch für kulturelle Entwicklungen in Europa erkennen lässt, spricht Gerlich der vergleichsweise jungen monotheistischen Religion jegliche »schöpferische Leistung« ab. Ein großer Dissens liegt dabei in der Bewertung US-amerikanischer Politik. Von Waldstein, einst Mitglied des NPD-Bundesvorstands, bezieht hier Positionen, die in der neonazistischen Rechten vorherrschend sind: Die USA seien »eine puritanisch-bigott gesinnte, körperlich deformierte, geistig enteignete und politisch vollständig fremdbestimmte Menschenansammlung jenseits des Atlantik« und der zentrale Feind. Die Muslimfeindschaft in Europa sei strategisches Ziel der USA, die selbst aufgrund ihrer »neokolonialistischen« Politik gemeinsam mit den anderen Kolonialmächten für die politische Radikalisierung des Islam verantwortlich sei. Diesen plumpen Antiamerikanismus teilt Gerlich nicht. Diese Debatte steht stellvertretend für verschiedene Strömungen innerhalb der Neuen Rechten. Während die Identitäre Bewegung ihren Feind ganz klar im Islam wähnt, sehen andere neurechte Autoren aus dem Umfeld der Sezession die rechte Fokussierung auf den Islam als Fehler. Stattdessen fordern sie eine stärkere Auseinandersetzung mit den ökonomischen Verwerfungen des »Globalismus« aus einer nationalistischen Perspektive. Egal wie das Urteil zum Thema Islam letztendlich ausfällt, mit Fokus auf »das Eigene« scheint in der Sezession Einigkeit zu herrschen. So heißt es abschließend von von Waldstein zur Debatte: »Der Anspruch des Eigenen, vor dem Fremden bewahrt und geschützt zu werden, ist nicht davon abhängig, ob man das Fremde als hoch- oder minderwertig einordnet. Das Fremde ist das Fremde, und nur darauf kommt es bei dem Schutz des Eigenen an.« Auch Ellen Kositza stellt jenen stets bemühten Mangel an »Eigenem« in das Zentrum ihrer Überlegungen. Anhand der Kopftuchdebatte konstatiert sie zunächst, dass Kritik an der »Islamisierung« heute auch im Mainstream allgegenwärtig sei. Die grundsätzliche Problematik sieht Kositza jedoch weniger im Islam bzw. im Kopftuch als Symbol traditioneller Kleiderordnung, als vielmehr in dem fragilen Selbstbild »der aus jeglichem traditionalen Rahmen freigelassenen Frau«. Insbesondere jenen, als geradezu orientierungslos gezeichneten Feministinnen wünscht Kositza ein »Kopftuch auf Rezept« zur »Wiedererlangung von Würde, Geborgenheit und Seinsgewißheit«. (40/2011)
Der dritte und letzte Teil des Artikels »Rechte Perspektiven auf Religion« sowie die Printversion als pdf erscheinen am Montag, den 5. November 2018. Die apabiz-Publikationsreihe magazine nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung.
Titelbild: Fenster von Marc Chagall im Chicago Art Institute. Der französiche Maler russisch-jüdischer Herkunft überlebte die NS-Herrschaft im Exil in den USA. Er gestaltete eine Vielzahl von Fenstern für Kirchen, Synagogen und öffentliche Gebäude in verschiedenen Ländern, wo sie ein Zeichen der jüdisch-christlichen Verständigung darstellen sollen. (flickr.com/jim forest)