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Kulturkampf um Religion und Gewissen

Keine Torten für alle? Am Montag, den 4. Juni 2018, hat der US Supreme Court das Urteil eines Gerichtes in Colorado (2013 und 2014) aufgehoben, das den christlich-fundamentalistischen Konditor Jack Philipps wegen Verstoßes gegen die Anti-Diskriminierungsrichtlinien verurteilt hatte. Dieser kann demnach nicht verpflichtet werden, eine Hochzeitstorte für ein schwules Paar herzustellen. Der Oberste Gerichtshof betonte, dass es sich um kein Grundsatzurteil über die Frage, ob die Religionsfreiheit über dem Verbot der Diskriminierung Homosexueller stehe, handele.

In unserem Buch Kulturkampf und Gewissen (erschienen im März im Verbrecher Verlag) haben wir diesen Fall als Beispiel für die international erprobte Strategie von »Lebensschützern« und Anti-LGBTI*-AktivistInnen angeführt, die Menschenrechte repressiv in ihrem Sinne zu wenden bzw. verschiedene Grundrechte gegeneinander auszuspielen: Mit der Berufung auf Religions- oder Gewissensfreiheit sollen ChristInnen Frauen* und (sexuelle) Minderheiten diskriminieren dürfe.

Im konkreten Fall wollte David Mullins 2012 bei der Konditorei Masterpiece Cakeshop von Jack Phillips im US-Bundesstaat Colorado eine Hochzeitstorte für sich und seinen Verlobten bestellen. Phillips weigerte sich aber mit Verweis auf die Homosexualität des Paares und auf seinen christlichen Glauben, die Torte herzustellen. Das Paar verklagte ihn daraufhin unter Verweis auf ein Gesetz des Bundesstaates, das Diskriminierung von Homosexuellen beim Zugang zu Dienstleistungen verbietet, und bekam zunächst Recht.

Nun gewann Phillips, der von der auch von uns untersuchten weltweit tätigen Organisation Alliance Defending Freedom (ADF) unterstützt wird, vor dem Supreme Court. Das Gericht in Colorado habe seine religiösen Überzeugungen nicht genug gewürdigt, das Urteil sei angeblich von einer Feindlichkeit gegenüber Phillips religiösen Überzeugungen geprägt gewesen. Dementsprechend feiern »Lebensschutz«-Bewegung und fundamentalistische ChristInnen das neue Urteil als Erfolg: Die Catholic News Agency (CNA Deutsch/EWTN News, online-Bericht vom 5.6.2018) zitiert die Anwältin Kristen Waggoner von ADF, die Phillips vertrat: »Die Regierung kann in unserer Gesellschaft nicht gegen gläubige Menschen feindselig vorgehen.« Der Bundesstaat Colorado habe jedoch genau dies getan. »Das Gericht hat das zu Recht verurteilt«, so die Anwältin. »Diese Entscheidung macht deutlich, dass die Regierung Jacks Ansichten über die Ehe respektieren muss«, zitiert CNA Waggoners Erklärung weiter.

Andererseits freuen sich LGBTI*-Aktivist*innen darüber, dass das Urteil ganz klar kein Präzendenzfall ist: »Das Gericht hat seine Entscheidung nur wegen Vorbehalten, die in diesem Fall einzigartig sind, getroffen. Es hat aber bestätigt, dass Bundesstaaten LGBT vor Diskriminierung schützen dürfen«, zitiert queer.de die Anwältin Louise Melling von der Bürgerrechtsorganisation ACLU. Auch war die Entscheidung mit sieben zu zwei Stimmen nicht einstimmig.

Nichts desto trotz werden auch deutsche »Lebensschutz«-Organisationen und ihre ProtagonistInnen wie Sophia Kuby von ADF International, die auch stellvertretende Vorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL) ist, an dieses Urteil anknüpfen und die Strategie des Kulturkampfes um Gewissens- und Religionsfreiheit weiter führen.

Es bleibt also kompliziert.