Yee-haw! – Wie die extreme Rechte in Deutschland auf Trump reagiert
Donald Trump als neuer Präsident der USA beängstigt Nicht-Weiße, Frauen*, Minderheiten, Diskriminierte, Internationalist*innen, Menschenrechtler*innen, Linke und viele Menschen mehr auf der ganzen Welt, auch in Deutschland. Er ruft auch Widerstand hervor. Wenig überraschend riesig ist hingegen die Freude der extremen Rechten über den Wahlsieg und die ersten Amtshandlungen und Aussagen Trumps.
»Gestern ein neues Amerika, heute Koblenz, und morgen ein neues Europa!«, so eröffnete Geert Wilders (PVV, Niederlande) unter tosendem Applaus seine auf deutsch gehaltene Rede auf dem Kongress der ENF (Fraktion für Europa der Nationen und der Freiheit). Dort trafen sich vor 1.000 Gästen am 21. Januar 2017 – und damit einen Tag nach der Inauguration Donald Trumps in Washington – die aktuellen Größen der europäischen parlamentarischen extremen Rechten wie Marine Le Pen (Front National), Matteo Salvini (Lega Nord), Harald Vilimsky (FPÖ) sowie Frauke Petry und Marcus Pretzell von der AfD.
Freude und Schadenfreude
In dem Meer der allgemeinen nationalen Begeisterung gibt es bisher, gut drei Monate nach Trumps Sieg – und schon hier beginnt sich der Name als Chiffre zu entwickeln – wenig Dissens. Das gesamte Spektrum der extremen Rechten in Deutschland ist sich einig, dass die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA am 8. November 2016 ein positives Zeichen, eine Hoffnung für die eigenen Positionen, die eigene Organisation oder Bewegung ist. »Die NPD gratuliert Donald Trump ganz herzlich«[1], erklärt etwa der NPD-Bundesvorsitzende Frank Franz anlässlich Trumps Wahlsieg. Einig ist sich die extreme Rechte in der Gehässigkeit und Schadenfreude, mit der sie auf die berechtigten Ängste vor der Bedrohung durch Trump reagiert. »Und jetzt heulen Paula Antifa und Annika Reporterin, weil das ‚Ende der Welt‘ bevorsteht. Eure Tränen sind unser Lebenselexier.«[2] Die Szene freut sich über Trumps lässige bis aggressive undiplomatische Abfuhr, die die realen oder imaginierten Eliten in den Parlamenten und der Justiz erfahren. »Ich kann das Ende von Merckel, Juncker, Poroshenko und Schulz riechen«, kommentiert ein Leser der Zuerst (Fehler im Original). Trumps versuchter »Muslim-Ban« und Mauerbau wider der amerikanischen Gesetzgebung nährt Hoffnungen auf deutsche oder europäische restriktive Einwanderungsblockaden, die ebenso rassistisch und ebenso wenig vom Grundgesetz getragen sein würden. Einig ist sich die extreme Rechte in der Ablehnung der negativen Berichterstattung über Trump, denn sie können sich damit identifizieren, ungeliebte politische Außenseiter zu sein, und träumen, irgendwann die Weltmacht zu übernehmen. »Freunde, und bei den Medien ist nach der Trump-Wahl, nach dem Trump-Triumph, auch die Düse mächtig los gegangen«, so Michael Stürzenberger auf dem 100. Bärgida Aufmarsch am 26. November 2016. Die Psychologie der deutschen Rechten scheint hier egal ob bei PEGIDA, der NPD, dem III. Weg oder den Reichsbürgern ähnlich simpel zu sein.
Selektive Wahrnehmungen
Doch es gibt auch Nuancierungen in den Positionen, die zum einen auf unterschiedlichen Einschätzungen der Lage beruhen, zum anderen die unterschiedlichen Ideologien und Politikverständnisse der Gruppen und Spektren der extremen Rechten in Deutschland widerspiegeln. Der Blick auf Trumps Innenpolitik will den symbolischen Mehrwert für die eigene Politik ermessen.
Die Ultra-KatholikInnen von kath.net feiern in derzeit täglichen kurzen Artikeln jedes Dekret, jede Rede, jede Ernennung eines christlichen Regierungsmitglieds. Doch es sind vor allem die Pro-Life[3] Positionen Trumps, die die Hoffnung auf einen politischen und moralischen Wandel weltweit hin zu einer restriktiven Abtreibungspolitik nähren. In diesem einen Punkt sind neben kath.net auch jene eher verhaltenen bis skeptischen ChristInnen vor Freude aus dem Häuschen, die sich aus einem traditionellen Konservatismus heraus mit dem offenen Rassismus Trumps und seiner vulgären und anti-elitären Art schwer tun.[4] Der Bundesverband Lebensrecht (BVL), die Christdemokraten für das Leben (CDL) und die Aktion Lebensrecht für alle (AlfA) loben Trumps Wiedereinsetzung der sogenannten »Mexico City Policy«/»Global Gag Rule« in Presseerklärungen: »Der US-Präsident hat gleich zu Beginn seiner Amtszeit die staatlichen Gelder für Abtreibungsorganisationen gestrichen. Das ist ein sehr gutes, wichtiges und richtiges Signal«, wird der BVL-Vorsitzende Martin Lohmann zitiert. Das »Bekenntnis« sei mutig und man müsse »die Sensibilität für das Leben wieder neu entdecken, bevor es zu spät« sei. Zur weiteren Politik von Trump wird sich allerdings lieber ausgeschwiegen. In der Zeitschrift ideaSpektrum des evangelikalen Dachverbandes Deutsche Evangelische Allianz nimmt die Berichterstattung zu Trump und seinem konservativen Kabinett breiten Raum ein. Einerseits wird akribisch nach christlichen Zitaten und Bibel-Verweisen in Trumps Reden gesucht[5], andererseits seine Aussagen und Handlungen auf den Prüfstand des eigenen Glaubens gestellt: »Geschichtsvergessen und unamerikanisch ist seine Politik der Abschottung«, so liest man bei der idea. Trumps Maxime »Amerika zuerst« sei unchristlich, »denn sie steht im Widerspruch zum »Verfassungsgrundsatz« der Bibel: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt – und deinen Nächsten wie dich selbst« (Lukas 10,27; 5.Mose 6,5)[6]. Zentral ist in dem christlich-fundamentalistischem Spektrum auch die Kritik an Trumps Auftreten, das in seiner Selbstverliebtheit als unchristlich wahrgenommen wird, ihm fehle es an »Demut«. So mag sich über Trumps Frauen verachtenden Antifeminismus übrigens spektrenübergreifend fast niemand äußern.
Nationale Projektionsflächen – Weiße Revolution
Die Versuche der deutschen extremen Rechten, die innenpolitischen Verhältnisse der USA auf das eigene nationalistische Projekt zu übertragen, scheitern allerdings unter Umständen schon an der Analyse, denn unklar ist der extremen Rechten – und nicht nur ihr – , ob Trumps Wahlsieg nun der weißen »Arbeiterklasse« bzw. »Unterschicht« zu verdanken ist oder der weißen Mittelschicht (das behauptet zumindest die Identitäre Bewegung). Verkürzt gesagt bestimmt hier die Projektion die »Analyse«. Jedenfalls: Wer einen sich antikapitalistisch gerierenden nationalen Sozialismus propagiert und das demokratische parlamentarische System an sich ablehnt, für den ist Trump ein »nützlicher Idiot«, AfD, FPÖ und Le Pen sind das aber ebenso. Trump würde für dieses NS-Spektrum im besten Fall »zur Radikalisierung« beitragen, »in dem er Tabus durchstößt«. »Trump war ein vermeintlicher Befreiungsschlag für die Weißen in den Vereinigten Staaten«. Vermeintlich, denn: »Trump ist ein Kandidat des Systems, der zum Erhalt des Systems genutzt wird. Das durchaus beachtliche kritische Potential der Amerikaner wird so in demokratische Bahnen gelenkt, damit die Wut sich nicht in einer echten Revolution gegen das kapitalistische System entlädt. Die Wahlurne als Kanal, um Bürgerwut verpuffen und ins Leere laufen zu lassen.«[7]
Ronny Zasowk von der NPD in Brandenburg ist da lakonisch: »Innenpolitisch ist es eigentlich egal, was Trump macht – die USA sind ein multikultureller Moloch, ohne jede wirkliche Hoffnung auf Regeneration.«
Anti-Imperialist oder Zionist?
Uneinig ist sich die extreme Rechte auch in der Bewertung von Trumps Außenpolitik, die allerdings reale Auswirkungen auf Deutschland, Europa und die ganze Welt haben wird. Fast alle KommentatorInnen freuen sich über die angekündigte Annäherung an Putins Russland, das für die extreme Rechte in Deutschland stetig wachsender Bezugspunkt ist. Ronny Zasowk fasst zusammen: »Es ist die Hoffnung vieler europäischer Nationalisten und Patrioten, dass Donald Trump in Russland einen Partner auf Augenhöhe sieht, dass er das US-amerikanische Säbelrasseln gegenüber Putin beendet, dass er die USA und die von ihnen dominierte NATO nicht mehr als Weltpolizei versteht und dass er dem katastrophalen TTIP-Abkommen den Garaus macht.« Wie Zasowk mahnt auch Benedikt Kaiser in der neurechten Sezession vor übereilter Freude: »Anstatt einer moralisierenden und intervenierenden Weltpolizei-Attitüde wäre es Trumps Streben, im Sinne einer realistisch ausgerichteten Politik das Bestmögliche für die letzte Supermacht zu erreichen.« Man müsse deswegen »der Idee eines substantiellen ‚Antiamerikanismus‘ treu […] bleiben, einer Idee, die aufgrund der geopolitischen Gesamtlage wieder an Bedeutung zunimmt.« Auch die neonazistische Pseudo-Partei Der III. Weg bleibt skeptisch: Inwieweit sich Trump »als Antiimperialist« bewahrheite, »der Europa und Deutschland aus den Fesseln der amerikanischen Vorherrschaft und denen der Großfinanz befreien wird oder ob er sich als reiner Machtpolitiker entpuppt, wird sich zeigen.« Diese Skepsis begründet sich vor allem bei den neo-nationalsozialistischen Teilen der Bewegung auf einen fundamentalen Antisemitismus, der nicht nur vom gewohnten Feindbild des US-Imperialismus schwer lassen kann, sondern betonen muss, dass Trump »enge – auch familiäre – Beziehungen zur jüdischen Aristokratie« pflegt. Hier grenzen sie sich auch von AfD, FPÖ, Wilders und etwas verhaltener von Marine Le Pen ab. Im Bericht des III.Wegs über die ENF-Konferenz in Koblenz nimmt die Kritik am (angeblich) durchweg positiven Verhältnis der Genannten zu Israel und dem Zionismus eine zentrale Stellung ein.
Im Fahrwasser
Die ideologische und differenzierte Auseinandersetzung mit Trump in der deutschen extremen Rechten beginnt gerade erst. Bisher überwiegt der Freudentaumel, der schon zu verschiedenen Peinlichkeiten führte: Auf dem 100. Bärgida-Marsch trat ein schlecht Englisch sprechendes Trump-Double auf und kündigte an, die »irre« Merkel zu stoppen. Der neue Berliner Kleidungsversand cuneus culture, der von Jannik Brämer, dem Schatzmeister der Berliner Jungen Alternative und einem weiteren Aktiven der Identitären Bewegung betrieben wird, verkauft nun T-Shirts mit dem Aufdruck MEGA (»Make Europe Great Again«). Auch Aufkleber mit dem Bild einer »Merkel-Raute« und dem Anti-Hillary-Clinton-Slogan »Lock her up« werden angeboten. So oder so wird die extreme Rechte von Trump profitieren. Ihr Enthusiasmus hat Nahrung bekommen und Teile der Szene werden in der Reflexion und der Abgrenzung zu Trump ihre eigenen Positionen und Strategien stärken können. Und vor allem jene Rechten – egal wie organisiert –, die für die weiter steigende Gewalt gegen Geflüchtete und alle anderen erklärten Feinde verantwortlich sind, dürfen jede von Trumps artikulierten Verletzungen und politischen Bedrohungen als Legitimation für das Ausleben des eigenen Hasses und der eigenen Aggression sehen, denn Trump ist nun Präsident der USA.
Eike Sanders
- ↑ Weiter: Sein Wahlsieg »dürfte auch große Auswirkungen auf die politische Kultur in Deutschland haben«, so der NPD Parteivorsitzende Frank Franz in einer Pressemitteilung am 09.11.2016
- ↑ »Trump und wir«, Artikel der Etschlichter aus Südtirol vom 10. November 2016
- ↑ »Für das Leben«, also gegen Abtreibung
- ↑ Bericht des idea- Redakteurs Matthias Pankau vom Nationalen Gebetsfrühstück: IdeaSpektrum 6/2017, S. 20-23
- ↑ Wolfgang Polzer: »Unamerikanisch und unchristlich«, Kommentar vom 08. Februar 2017 auf idea.de
- ↑ Abwägend, doch optimistisch ist zum Beispiel der Kommentar von Moritz Breckner im evangelikalen Pro Medienmagazin: »Viel Erfolg, Mr. President!«
- ↑ Zitate von der Homepage der Etschlichter aus Südtirol