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Neue und Alte Rechte

Verlage auf der Frankfurter Buchmesse 2017

Frankfurt am Main – In der Öffentlichkeit wurde sehr kontrovers über die »Tumulte« rund um den Messestand des extrem rechten Antaios-Verlages diskutiert, der im Oktober erstmals an der Frankfurter Buchmesse teilnehmen durfte. Jedoch war Antaios in diesem Jahr weder der einzige Verlag aus diesem Spektrum oder mit solchen Autor*innen, noch ist deren Teilnahme ein Novum.

von Ulli Jentsch

Die nach eigenem Bekunden seit 25 Jahren in Frankfurt vertretene Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) und ihr Programm dienen immer noch als wichtigster Anziehungspunkt für extrem rechte Leser*innen, auch wenn die Zeitschrift und ihre Autor*innen inzwischen von vielen als Normalität am rechten Flügel angesehen werden. Die JF präsentierte das übliche und vom rechtskonservativen bis ’neu-rechten‘ Publikum wohl gelittene Ensemble der permanenten Krisenrhetorik und des anti-liberalen und »Anti-68er«-Bashings. Allen voran durch den JF-Autor Karlheinz Weißmann, der unter anderem sein Buch »Rubikon« vorstellte. Bei einer der Veranstaltungen am Stand der Jungen Freiheit kam es diesmal zu einer Körperverletzung gegen einen kritischen Besucher, der einen Zwischenruf gewagt hatte – ein Vorfall, den der Verlag im Nachhinein bedauerte. Das Opfer war der Verleger des Trikont-Verlages, ein Kind der 68er-Bewegung.

Der Geschichtslehrer und Vordenker der ‚Neuen Rechten‘ Weißmann hatte seine Zusammenarbeit mit dem Institut für Staatspolitik (IfS), zu dem auch der Antaios-Verlag gehört, nach einem Zerwürfnis mit Götz Kubitschek vor drei Jahren beendet. Gleichwohl trennen JF und IfS weiterhin mehr strategische denn ideologische Vorstellungen, beide dürfen als maßgebliche Protagonisten der ‚Neuen Rechten‘ gelten. Das erste Mal auf der Buchmesse vertreten, mit einem eigenen und recht mageren Stand, war die Zeitschrift CATO, ein erst dieses Jahr begonnenes neues Projekt von, wiederum, Weißmann zusammen mit Andreas Lombard. Mehr als die einzige bisher erschienene Erstausgabe gab es hier nicht zu holen, immerhin ein mehr als einhundert Seiten dicker Band, der sich seinen elitären Anspruch gerne ansehen lässt. Im deutschen Feuilleton wurde das neueste publizistische Projekt bereits hoch und runter rezensiert[1].

Stocker und Karolinger – Österreichs Rechte

Im gleichen politischen Spektrum zu Hause ist der österreichische Leopold Stocker Verlag, was durch den ersten Blick auf das Programm nicht ersichtlich wird: Der Verlag veröffentlicht »(…) mehr als 60 neue Bücher pro Jahr, vor allem Ratgeber zu den Themen Kochen, Garten und Gesundheit, Handarbeit und Heimwerken, Natur und Jagd sowie Austriaca und landwirtschaftliche Fach- und Schulbücher.« Das politische Sachbuch-Programm wurde 2005 als Ares Verlag ausgegliedert. Am Stand der Buchmesse wurden unter anderem »Benito Mussolini oder der Wille zur Macht« von Werner Bräuninger, »Flucht & Schuld – Zur Architektonik und Tiefenstruktur der ‚Willkommenskultur‘« von Wilfried Grießer und auch »Wir Weicheier« von Martin van Creveld aus dem aktuellen Programm ausgestellt. Dazu konnten sich interessierte Gäste am Stand eine Ausgabe der Vierteljahres-Zeitschrift Neue Ordnung mitnehmen, einer Schrift, der das Dokumentationsarchiv Österreichischer Widerstand (DÖW) »eine Brückenbaufunktion vom Rechtskonservativismus hin zum Rechtsextremismus«[2] zuweist.

Ebenfalls Dauer-Aussteller auf der Frankfurter Buchmesse ist der Karolinger Verlag aus Österreich, der eher bieder-bürgerlich reaktionär daher kommt – eine Edition des Verlages nennt sich ‚Bibliothek der Reaction‘ – und auch ein bisserl aristokratisch. In dem Werbetext des Buches von Léon Bloy, »Marie Antoinette. Ritterin des Todes und andere Schriften« heißt es unter anderem: »Spekulative Theologie und christliche Geschichtsschreibung verschmelzen in diesem faszinierenden Text zu einer gewagten Schau, die sich zu einer Apologie der Monarchie hin öffnet.« Das dieses Jahr erstmals in Deutsch erschienene Werk des Polen Ryszard Legutko, »Der Dämon der Demokratie. Totalitäre Strömungen in liberalen Gesellschaften«, wirbt damit, die vom Autoren beobachtete zunehmende Identität von Demokratie und Marxismus in Polen aufzudecken. Da nimmt es wenig Wunder, dass es in Deutschland u.a. von Antaios- und Junge Freiheit-Buchdienst vertrieben wird. In der Backlist erwähnenswert ist eine apologetische Kulturgeschichte des Hakenkreuzes, das Lorenz Jäger als »Zeichen im Weltbürgerkrieg« liest. Jäger, langjähriger Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und seit Ende 2016 im Ruhestand, hat sich immerhin bereits 2011 von der ‚Neuen Rechten‘ öffentlich los gesagt[3].

 

Christliche und antifeministische ‚Neue Rechte‘

Diese Beispiele lassen sich ergänzen um eine ganze Reihe von evangelikalen oder katholisch-fundamentalistischen Ausstellern, wie die jedes Jahr anwesende Deutsche Vereinigung für christliche Kultur (DVCK e.V.), die mit ihren Kalendern und CDs voller Marienfrömmigkeit und Fatima-Verehrung wirbt und deren Exponent Mathias von Gersdorff gern gesehener Redner bei den antifeministischen »Demos für alle« ist. ‚Antifeminismus sells‘ scheint überhaupt ein einigendes Motto des rechten Randes auf der Buchmesse zu sein. So feierte der christliche fontis Verlag (Schweiz) seine Erfolgsautorin Birgit Kelle und ihr neues Buch »Muttertier« ab, in dem Kelle ihre sattsam bekannte Leier über die angeblichen Verbote durch den herrschenden Feminismus wiederholt und sich und ihresgleichen als verfolgte Minderheit fantasiert. Kostprobe aus der Verlagswerbung: »Aber entgegen jedem Mainstream sind wir immer noch da: Beherzte Mütter. Weibliche Frauen. Wir sind die wahre Avantgarde. Ohne uns kein Leben. Wir sind die Muttertiere – wir spielen keine austauschbare Rolle, wir sind nicht dekonstruierbar, wir sind. Gekommen, um zu bleiben.« Dass Frau Kelle sich nicht nur als Autorin für tradierte Geschlechterbilder einsetzt, konnte man dieses Jahr auf dem Berliner »Marsch für das Leben« sehen: Birgit Kelle sprach auf der Auftaktkundgebung dieses wichtigsten Events der Abtreibungsgegner*innen.

Weniger offensichtlich, doch dafür sprachlich um so eindeutiger fällt ein Buch der Autorin Gabriele Baring aus. Barings Titel »Die Deutschen und ihre verletzte Identität«[4] wurde aktualisiert wieder aufgelegt beim Europa Verlag, der dieses Jahr immerhin auch die Hitler-Biografie des herausragenden Journalisten Konrad Heiden verlegt hat. Baring, Heilpraktikerin und ‚Familienstellerin‘, so ihre Homepage, hat offensichtlich einen tiefenpsychologischen Longseller produziert, in dem die Autorin Gründe zu finden behauptet für die mangelhafte nationale Identität der Deutschen. Diese lägen in der angeblichen deutschen Kollektivschuld als, ja, ‚Tätervolk‘. Zitat: »Unsere emotionale Unfähigkeit zu trauern war von außen diktiert, ein Trauerverbot. Unsere Scham tat das Übrige. Nur um die fremden (sic!) Opfer durften wir trauern. Dieser fatale Zustand hat uns bis heute daran gehindert, ein freieres und selbstbestimmteres Leben zu führen, als Individuum und als Gemeinschaft. Bis heute hat das Trauerverbot uns verwehrt, uns und unsere Vorfahren zu lieben, und es hindert uns, neue Generationen entstehen zu lassen.«[5] Frau Baring ist auch dezidierte Förderin der Geburtenquote, denn: »Wenn ich die These vertrete, dass ein geheimer Hang zur Selbstzerstörung die Deutschen ergriffen hat, so ist das mehr als eine feuilletonistische Zuspitzung. Die Beschädigung der Volksseele zeigt sich am offensichtlichsten in der verbreiteten Weigerung, Kinder zu bekommen.«[6] Diese nationalistische Verbindung der (deutschen) Geburtenquote mit einer vermeintlichen demografischen Krise ist ein typisches Element des Kampfes der ‚Neuen Rechten‘ gegen Abtreibung und andere reproduktive Rechte[7].

Zahnpasta, Rotwein und Raub

Die viel diskutierten ‚Tumulte‘ rund um eine Veranstaltung des Antaios-Verlages haben ihre Kreise weit über den Ort der Buchmesse hinaus gezogen. Vor Ort betroffen war auch der Manuscriptum-Verlag, vor allem durch die Bücher des geständigen und verurteilten Volksverhetzers Akif Pirincci bekannt, von dessen Stand eines Abends die Bücher abgeräumt worden waren. Der Verlag, der amüsanterweise eine ‚Werkreihe Tumult‘ im Programm führt, verdächtigte in einer Pressemitteilung eine ‚Räuberbande‘ und spielte auf deren mögliche Deckung durch Verantwortliche an. Noch absurder die Reaktion durch den Ahriman-Verlag (‚Unser Programm ist die Wiederkehr des Verdrängten‘), der nun gleich die »Machtergreifung« gekommen sah, denn »zum ersten Mal seit 1933 sind auf der letzten Frankfurter Buchmesse Verleger physisch bedroht worden. (…), wie es im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld der ‚Machtergreifung‘ der Nazis zugegangen sein mußte. Auch diesmal waren die Täter dazu ermutigte staatsalimentierte Schläger, jetzt der ‚Anti’FA, und staatsnahe bis eigene ‚NGO’s an der langen Leine des US-Milliardärs Soros (Amadeu Antonio Stiftung etc.)« und die Geschäftsführerin des Verlages schreibt in dem Offenen Brief an die Mitglieder des Börsenvereins: »Wer es [das Wort – uj] mit Zahnpasta, Rotwein und Raub schändet, lyncht auch Menschen.«[8] Der Verlag war selber 2014 Gast bei der ‚neu-rechten‘ Messe ‚zwischentag‘[9], organisiert von Felix Menzel, Chef des Internetportals »Blaue Narzisse«.

Antifaschistische Selbsthilfe im Jahr 1955

Der Ahriman-Verlag liegt hier mit einigen Vorstellungen daneben. So hatten die wirklich Beteiligten der tatsächlichen Machtergreifung, also die deutschen Nazis, nach 1949 nicht nur Freunde in der deutschen Verlagslandschaft. Im Jahr 1955, also im siebten Jahr der Buchmesse, kommt es gegen den ausstellenden Plesse-Verlag zu einem Akt der »Selbsthilfe« durch eine Gruppe von Verlegern. Die auf dem Stand des Verlages ausgelegte nationalsozialistische Literatur wurde kurzerhand entfernt. Der Verleger Waldemar Schütz musste seine Bücher, unter anderem vom Nazi-Offizier Hans-Ulrich Rudel, in Kartons abtransportieren und schlüpfte für den Rest der Buchmesse beim – siehe oben! – Stocker Verlag unter.

Der Plesse-Verlag verlegte überwiegend Literatur, welche den Nationalsozialismus rehabilitieren sollte, darunter vor allem Bücher über die Waffen-SS. In der Folge wurde durch den Börsenverein des deutschen Buchhandels sowohl dem Plesse- als auch dem Druffel-Verlag die Teilnahme an der Buchmesse verweigert. Man wolle, so der damalige Vorsteher Arthur Georgi, »nun von seinem Hausrecht Gebrauch machen. Dies solle geschehen, ohne gleichzeitig eine Zensur ausüben zu wollen.[10]« So konnte es zumindest damals auch gehen. In der Folge wurde der Plesse-Verlag durch Schütz in den Verlag K.W. Schütz umgewandelt. Schütz blieb bis in die 1990er Jahre als Verleger und Autor vielfältig in der extremen Rechten tätig. Und auch als Gast blieb Schütz der Buchmesse jahrelang erhalten.

  1.  Vgl. zum Beispiel die NZZ (https://www.nzz.ch/feuilleton/zeitschrift-cato-eine-neue-stimme-der-konservativen-ld.1313986) oder auch den Berliner Tagesspiegel (http://www.tagesspiegel.de/medien/neues-konservatives-magazin-cato-wir-reiben-uns-die-augen/20292074.html)
  2.  Vgl. http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextreme-organisationen/neue-ordnung
  3.  Vgl. Lorenz Jäger: Adieu, Kameraden, ich bin Gutmensch. In: FAZ. Nr. 231, 5. Oktober 2011, S. 29.
  4.  Vgl. http://www.europa-verlag.com/buecher/die-deutschen-und-ihre-verletzte-identitaet/.
  5.  Gabriele Baring: Die Deutschen und ihre verletzte Identität. Europa Verlag, 2017, S.56
  6.  Ebd., S. 45.
  7.  Vgl. die entsprechenden Hinweise in Sanders (u.a.): ‚Deutschland treibt sich ab‘. Unrast Verlag 2014.
  8.  Alle Zitate aus dem Offenen Brief des Ahriman-Verlages an die Mitglieder des Börsenvereins, unterzeichnet von der Geschäftsführerin des Verlages, Ingrid Karfich.
  9.  Vgl. https://nrwrex.wordpress.com/2014/07/30/d-rechtsintellektueller-zwischentag-messekongress-geht-in-die-zweite-runde/
  10.  Vgl. Wolfgang Kraushaar (Hrsg.): Die Protest-Chronik 1949-1959, S. 1438.