In Gedenken an Wolfgang Purtscheller
Am 6. Januar 2016 ist in Wien der antifaschistische Journalist Wolfgang Purtscheller im Alter von 60 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit gestorben. Wolfgang Purtscheller hinterlässt eine Tochter und einen Sohn.
Ein Gastbeitrag von Martin Becker
Wolfgang Purtscheller war einer der engagiertesten antifaschistischen Journalisten Österreichs. In seinen Recherchen thematisierte er die zahlreichen Querverbindungen zwischen außerparlamentarischen Neonazis und Burschenschaftlern mit der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) um ihren damaligen Vorsitzenden Jörg Haider. Und das tat er an nicht überhörbarer Stelle: Er veröffentlichte seine Recherchen in zahlreichen Büchern, in österreichischen Tages- und Wochenzeitungen, wie dem Standard und News und er war Autor der Fernsehdokumentation ´Das Braune Netzwerk´ für das ZDF.
Seinen Recherchen ist es maßgeblich zu verdanken, dass die österreichische ´Volkstreue Außerparlamentarische Aktion´ (VAPO), die Abteilung der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front des Neonazi-Anführers Michael Kühnen in Österreich, Anfang der 1990er Jahre verboten und zerschlagen worden ist. 1995 zeichnete ihn das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands mit dem Willy und Helga Verkauf-Verlon Preis aus.
Wir haben uns Anfang der 1990er Jahre kennengelernt, als sich westdeutsche Neonazis zusammen mit ihren österreichischen Spießgesellen von der VAPO anschickten, die zwar hinlänglich gewaltbereiten, aber in organisatorischen und ideologischen Aspekten noch unerfahrenen Nazis aus der ehemaligen DDR unter ihre Fittiche zu nehmen. Während gerade im Osten Deutschlands der rechte Straßenterror in den Jahren nach der Wiedervereinigung weit über 100 Menschenleben forderte, entwickelte sich in Österreich ein Dualismus zwischen den parlamentarischen und außerparlamentarischen Völkischen: Die FPÖ, im Nationalrat und den Landesparlamenten vertreten, schürte rassistische Stimmungen und national gesinnte Burschenschaftler und Gruppen wie die VAPO traten durch Überfälle und paramilitärische Trainingslager hervor.
Dazu kam die Terrorserie einer ´Bajuwarischen Befreiungsarmee´ (BBA) mit einer bis dahin beispiellosen Serie von Brief- und Rohrbombenattentaten. Die Adressaten waren MigrantInnen und VertreterInnen einer offenen Gesellschaft, zuerst nur in Österreich und später auch in Deutschland. Das erste prominente Opfer wurde der damalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk. Beim Öffnen eines sprengstoffgefüllten Briefumschlages verlor er zwei Finger seiner Hand. Tragischer Höhepunkt der Bombenkampagne war eine Sprengfalle im burgenländischen Oberwart, bei der vier Mitglieder der örtlichen Roma-Community ermordet wurden. (Als „Einzeltäter“ wurde 1999 der Neonazi Franz Fuchs verurteilt.)
Die Polizei ermittelte und durchsuchte zuerst die Roma-Siedlung, Jörg Haider vermutete konkurrierende Waffenhändler als Täter und Wolfgang störte mit seinen Recherchen, er zog Zusammenhänge und war unbequem. Die Angriffe auf Wolfgang nahmen zu. Im September 1994 wurde er Opfer einer brutalen Misshandlung durch Polizisten in Wien. Gemäß seiner Berichte hätten ihn Einsatzbeamten erkannt, ihn auf den Boden geworfen und ihm gezielt das Knie gebrochen. Bei der Festnahme wurde sein Notizblock mit journalistischen Aufzeichnungen beschlagnahmt, in dem sich u.a. das Wort Sprengstoff und Namen von Neonazis befanden. Diese Aufzeichnungen, durch nicht offizielle Wege an die Presse gegeben, wurden nun von der FPÖ, und vor allem von Jörg Haider, benutzt um Wolfgang Purtscheller mit der Urheberschaft der Anschläge in Verbindung zu bringen. In dieser Stimmung wurde am 6. April 95 in der Stadt Ried im Innkreis ein Mann namens Raimund Friedl auf offener Straße ermordet. Er hatte auffällige Ähnlichkeit mit Wolfgang Purtscheller und der Tatort lag in unmittelbarer Nähe eines Veranstaltungsortes, wo Wolfgang am selben Abend sprach – ein Täter wurde nicht ermittelt.
Als fünf Tage später zwei Wiener Anarchisten tödlich bei dem Versuch einen Strommast zu sprengen verunglückten, verstärkte die FPÖ ihr Kesseltreiben gegen Wolfgang. Wolfgang hatte zuvor in einem Fernsehinterview von Informationen berichtet wonach „weitere (Neonazi-) Anschläge für die Osterzeit“ geplant gewesen seien. Da Purtscheller dies ja angekündigt habe, so die FPÖ, müsse er auch mit den Anschlägen zu tun haben. Die FPÖ benutzte die Presse, Jörg Haider stellte parlamentarische Anfragen nach Hinweisen auf eine Beteiligung Purtschellers. Auch wenn der Polizei keinerlei Verbindungen bekannt waren und selbst der Innenminister Caspar Einem dementierte, fühlte sich Wolfgang seines Lebens in Österreich nicht mehr sicher, er misstraute der Objektivität der österreichischen Polizei und wich dem Druck aus, verließ Österreich und ging für einige Zeit nach Mexiko. Alle Anschuldigungen erwiesen sich als haltlos.
Nach seiner Rückkehr kämpfte er weiter, jedoch an weniger exponierter Stelle gegen Neonazismus. Wie immer tat er dies mit Leidenschaft und aus Überzeugung. Er bleibt uns als warmherziger und solidarischer Mensch und als aufrechter Antifaschist in Erinnerung.
Bücher von Wolfgang Purtscheller: „Aufbruch der Völkischen“, „Die Ordnung, die sie meinen“, „Die Rechte in Bewegung“, „Delikt: Antifaschismus“ und „10 Briefe für 10 Jahre“.