»Auf einen schönen, körperlich betonten Wahlkampf« – Die Berliner NPD im Jahr 2016
»Durch die völlig aus dem Ruder laufende Einwanderungspolitik besteht erstmals eine realistische Chance, die 5-Prozent-Hürde in der Hauptstadt zu meistern« – so die offizielle Selbsteinschätzung der Berliner NPD anlässlich der anstehenden Wahlen im September 2016. Genau das Gegenteil dürfte jedoch der Fall sein. Neben der kontinuierlich personellen Schwäche des Landesverbandes sorgt auch in Berlin die AfD dafür, dass die NPD nicht vom gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck profitieren kann.
(Dieser Text des apabiz ist unserer Wahlbroschüre „Antritt von rechts“ entnommen, die am 20. Juli 2016 gemeinsam mit der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) veröffentlicht wurde)
Bereits bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2011 hatte die NPD berlinweit einen Rückgang ihres Stimmenanteils zu verzeichnen. Der Einzug in die Bezirksverordnetenversammlungen war ihr – obwohl sie in elf von zwölf Bezirken zur BVV-Wahl angetreten war – mit je zwei Mandaten nur in Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg gelungen. In Neukölln war sie äußerst knapp an der 3%-Hürde gescheitert. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass dies in diesem Jahr anders sein sollte. Während nach außen ein nahezu ungebremster Optimismus suggeriert wird, werden intern mehrere Faktoren für die schlechten Wahlergebnisse der Partei auf Bundesebene benannt, zuallererst das Verbotsverfahren und die AfD. »Die AfD ist ein Faktor, auf den wir – ähnlich wie beim Verbotsverfahren – kaum bis keinen Einfluss haben«, schreibt der Parteivorsitzende Frank Franz in der Parteizeitung Deutsche Stimme vom Mai 2016. Bereits zur letzten Wahl konnte die Berliner NPD über ihre Stammklientel hinaus kaum WählerInnen erreichen. Dementsprechend wird die AfD als ernstzunehmende Konkurrenz behandelt. Mit Blick auf die Programmatik der AfD moniert etwa der Neuköllner NPD-Kreisverband, dass die Partei in der Öffentlichkeit falsch wahrgenommen werde: »In sämtlichen AfD-Publikationen fehlt das Bekenntnis zu unserem deutschen Vaterland und zum deutschen Volk.« Die AfD versuche sich bei der NPD in einigen Programmpunkten »schamlos zu bedienen«, würde sich jedoch im allgemeinen den etablierten Parteien unterordnen. Schon bei weniger erfolgreichen Parteien des Rechtsaußenspektrums hatte sich die NPD in der Vergangenheit als die »wahre nationale Opposition« präsentiert. Dass sie dennoch zukünftig von dem durch PEGIDA und AfD bereiteten Boden profitieren könnte, breitet NPD-Vorstandsmitglied Arne Schimmer in der Juliausgabe der Deutschen Stimme aus. Es sei, neben der »Überfremdungskritik«, die »Soziale Frage«, die die NPD besetzen sollte, um nach dem Ende des »kometenhaften Aufstiegs« der AfD eine echte Alternative zu bieten. Es deutet sich an, dass die Berliner NPD im Wahlkampf einmal mehr auch auf dieses Thema setzen wird. Zumindest im Virtuellen wirbt sie neben der rassistischen Stimmungsmache auch mit Slogans gegen Schulschließungen oder »Mietwucher«. Ein Wahlprogramm steht noch aus.
Präsenz mit möglichst wenig Aufwand
Punktuell wahrnehmbar ist die NPD über kontinuierlich durchgeführte Kleinstkundgebungen und Infostände insbesondere in den Berliner Ostbezirken und Neukölln, an denen meist nicht mehr als ein Dutzend AktivistInnen teilnehmen. Die mit wenig Aufwand durchgeführten Kundgebungstouren haben sich in den vergangenen Jahren zum beliebtesten Format der Partei entwickelt, um trotz der dünnen Personaldecke auf der Straße präsent zu sein. Darüber hinaus veranstaltete die Berliner NPD im vergangenen Winter eine Reihe von Demonstrationen, die angepasst an den rechten Zeitgeist jeweils am Montagabend stattfanden. Während bei der ersten Demonstration in Schöneweide mit Hilfe auswärtiger Unterstützung noch rund 200 Neonazis mobilisiert werden konnten, waren es bei den nachfolgenden Demonstrationen in Hellersdorf, Prenzlauer Berg und Hohenschönhausen nur noch zwischen 100 und 150 TeilnehmerInnen. Dabei fiel die Veranstaltung in Prenzlauer Berg etwas aus dem Rahmen. In dem eher links-bürgerlich geprägten Stadtteil ging es der NPD nicht darum, potenzielle WählerInnen anzusprechen, sondern mit martialischem Auftreten Präsenz zu zeigen und dies durch entsprechende Drohungen zu untermalen.
»Wir sind heute hier angetreten, nicht nur ein Zeichen gegen Überfremdung zu setzen, sondern eine ganz klare Kampfansage an den linken Pöbel zu schicken. Auch wenn ihr notorischen Lügner und Asozialen immer wieder behauptet, dass Berlin rot bleibt, wir werden euch das Gegenteil beweisen und uns Stück für Stück unsere Heimat zurück erobern. Haus für Haus, Straße für Straße, Viertel für Viertel und irgendwann Stadt für Stadt.«
Christian Schmidt, Kreisvorsitzender aus Pankow auf der NPD-Demonstration in Prenzlauer Berg am 01.02.2016
Altbekanntes Personal
Die KandidatInnen rekrutieren sich in weiten Teilen aus langjährigen AktivistInnen und Funktionären der Partei. Auf den ersten Plätzen der Landesliste kandidieren der Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke, der Abgeordnete des Europäischen Parlaments Udo Voigt und die Bezirksverordnete aus Lichtenberg, Manuela Tönhardt. In der BVV selbst entfalteten Tönhardt und die zweite Verordnete der NPD, ebenso wie die zwei NPD-Mandatsträger in Marzahn-Hellersdorf, im vergangenen Jahr kaum noch Aktivitäten. Einzig Sebastian Schmidtke nutzte sein Mandat in Treptow-Köpenick, um im lokalen Integrationsausschuss an Informationen etwa hinsichtlich der Eröffnung von Flüchtlingsunterkünften oder der Kosten der Versorgung von Asylsuchenenden im Bezirk zu gelangen. Neben der Landesliste tritt die NPD in sechs der zwölf Berliner Bezirke zur BVV-Wahl an (Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Treptow-Köpenick, Pankow, Reinickendorf und Neukölln).
»In diesem Jahr (…) sollen ja bis zu 1,5 Millionen dieser Invasoren kommen und hier unser Johannisthal, unser Schöneweide und unser Berlin wird immer weiter davon betroffen sein. Wir haben eh schon das Problem, eine multikulturelle Stadt zu sein, wo die Kriminalität und die soziale Verelendung immer mehr Probleme bekommen wird.«
Sebastian Schmidtke, NPD-Landesvorsitzender auf einer Demonstration in Treptow-Köpenick am 02.11.2015
Auf den Bezirkslisten finden sich neben den Aktiven aus den jeweiligen Kreisverbänden auch Neonazis, die in den vergangenen Jahren die lokalen »Nein-zum-Heim«-Initiativen repräsentiert haben, ohne sich jedoch öffentlich zur NPD zu bekennen. So kandidiert in Marzahn-Hellersdorf mit Marcel Rockel ein langjähriger Kameradschaftsaktivist aus dem Umfeld der 2006 verbotenen Kameradschaft Tor und Akteur der unter verschiedenen Labels durchgeführten » Nein-zum-Heim « -Proteste nach 1999 ein weiteres Mal für die NPD im Bezirk.
(Das Zitat im Titel ist einer Rede von Christian Schmidt auf der NPD-Demonstration in Prenzlauer Berg im Februar 2016 entnommen.)