Rechte Angriffe dokumentiert

Chronologie rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer und schwulenfeindlicher Vorfälle in Berlin 2003

Drei Berliner Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus legen heute der Öffentlichkeit eine gemeinsame Chronologie vor.

Die Zahl der gewalttätigen Angriffe und verbalen Attacken in Berlin ist nach wie vor erschreckend hoch. Zu diesem Ergebnis kommt eine Chronologie über gewalttätige Angriffe in 2003. Die Zusammenstellung führt insgesamt 66 Meldungen auf, die durch die Presse oder von den Opfern gemeldet wurden. Davon handelt es sich bei 42 um Gewalttaten.

Als beispielhaft kann der Fall einer jungen Studentin türkischer Herkunft gelten, die im Oktober 2003 von eine Mitbewohnerin in einem StudentInnen-Wohnheim in Berlin-Schöneberg brutal geschlagen wurde. Schon vor dieser Tat hatte die Angreiferin die Geschädigte mehrfach rassistisch beschimpft, schikaniert und bedroht. Mehrere MitbewohnerInnen bekamen den Angriff mit, niemand griff ein. Das Opfer konnte sein Zimmer erreichen und die Polizei verständigen.

Einige Meldungen haben wir nicht in die Chronik aufgenommen, da deren Hintergrund trotz Recherchen unklar blieb. So z.B.die Tötung von Attila Murat Aydin („Maxim“) am 13. Juni 2003 durch einen 75-Jährigen in Köpenick. Zudem lehnen einige Opfer die Veröffentlichung des Angriffs auf sie ab. Wir wissen, dass ein großer Teil rasstisch, rechtsextrem und antisemitisch motivierter Taten nicht als solche wahrgenommen wird. Zudem müssen wir davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Angriffe, Bedrohungen und „Pöbeleien“ nicht bekannt werden, weil sie weder bei der Polizei angezeigt, noch bei uns gemeldet werden. Diese Aufstellung ist daher mit Sicherheit nicht vollständig.

In der Übersicht wird jedoch deutlich, welche Bandbreite Gewalttaten, Pöbeleien und Drohungen, Schmierereien und Schändungen im großstädtischen Raum annehmen können. Wir haben uns daher entschlossen, neben den eindeutigen Gewalttaten auch exemplarisch solche Fälle aufzunehmen, die „alltäglichere“ Formen der Bedrohung ausdrücken und unterhalb der Schwelle zur Gewalthandlung bleiben. Aus der Arbeit der Opferberatung ReachOut wird ersichtlich, dass viele Opfer solche Attacken für kaum noch erwähnenswert halten. Sie tauchen daher auch nicht in polizeilichen oder publizistischen Dokumentationen auf.

Gemeinsame Pressemitteilung von
Apabiz e.V. – Antifaschistisches Presse-Archiv und Bildungszentrum Berlin
Tacheles reden! Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus e.V.
ReachOut – Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus und Rassismus

Chronologie Vorfälle Berlin 2003 (pdf, 40 kB)

Presseresonanzen:

„Viele Opfer und Zeugen schweigen“ Chronologie rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer Vorfälle in Berlin 2003 veröffentlicht Junge Welt v. 25.2.2004
http://www.jungewelt.de/2004/02-25/013.php

„Gewalt ist alltägliches Geschäft“
Drohungen, Pöbeleien oder Faustschläge: Initiativen legen Liste mit über 60 antisemitischen und rassistischen Übergriffen vor und nennen die Zahlen „erschreckend“. Ein Ergebnis: In bestimmten Bezirken müssen bestimmte Menschen besonders leiden
VON HEIKE KLEFFNER Es ist eine lange Liste von Daten und Fakten, die auf den ersten Blick nüchtern wirkt – und auf den zweiten Schreckliches dokumentiert. Fein säuberlich haben drei Initiativen antisemitische und rassistische Übergriffe des vergangenen Jahres in Berlin aufgelistet – zu einer Chronologie der Gewalt: Über 60 Vorfälle gab es 2003 – 42 davon waren körperliche Angriffe, der Rest Drohungen und Schändungen.
Die Auflistung ergibt „erschreckend hohe Zahlen rechtsextrem, rassistisch, antisemitisch sowie schwulenfeindlich motivierter Gewalttaten“ in Berlin, so das Fazit der Opferberatungsstelle „Reach Out“, des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums (Apabiz) sowie des Vereins „Tacheles Reden“.
taz v, 29.1.2004
http://www.taz.de/pt/2004/01/29/a0291.nf/text

„Der übertragene Nahost-Konflikt“
Übergriffe von jungen Muslimen auf Juden nehmen zu. Ihr Weltbild ist durch arabische TV-Sender geprägt. Islamisten versuchen, politischen Antisemitismus mit Koran-Zitaten zu begründen
VON WIBKE BERGEMANN
in: taz v. 28.4.2004

Insgesamt 22 antisemitische Straftaten hat das Antifaschistische Pressearchiv in Berlin (Apabiz) im vergangenen Jahr gezählt. Die Vorfälle reichen von Schändungen jüdischer Friedhöfe und KZ-Gedenkstätten bis hin zu verbalen und gewalttätigen Attacken gegen Juden. Die meisten der dokumentierten Straftaten wurden von Rechtsextremen verübt – so weit deutsche Normalität wie bekannt.
http://www.taz.de/pt/2004/04/28/a0311.nf/text.ges,1
oder
http://www.hagalil.com/archiv/2004/04/uebergriffe.htm