Warum wir das Paganfest nicht für ein Nazi-Konzert halten, aber..

Die aktuelle Diskussion darum, ob die am Paganfest in Berlin beteiligten Bands nun Nazibands sind oder nicht, verstellt den Blick auf die eigentlich wesentliche Debatte.

Die aktuelle Diskussion darum, ob die am Paganfest in Berlin beteiligten Bands nun Nazibands sind oder nicht, verstellt den Blick auf die eigentlich wesentliche Debatte. Prinzipiell halten wir einen Großteil der heidnischen Metalbands für problematisch, da sie antiemanzipatorische und tendenziell völkische Inhalte vertreten. Viele Bands huldigen einem Naturromantizismus, der dazu geeignet ist, gesellschaftliche Verhältnisse nicht als sozial („gemacht“), sondern als „natürlich“ („gegeben“) zu begreifen. Daraus wird ein reaktionäres Werteverständnis, teilweise auch ein deutlich sozialdarwinistisches Gedankengut abgeleitet. Darüber hinaus wird unreflektiert mit einer Symbolik operiert, die teilweise dem 19. Jahrhundert entlehnt ist und nicht zufällig von Rechts besetzt wurde und wird. Davon sind auch die Bands nicht ausgenommen, die bei der Paganfest Tour 2008 auftreten.

Trotzdem können wir keine genuin neonazistischen Inhalte erkennen. Kritiker wie das BIFFF sehen beispielsweise eine Parallele der Moonsorrow-Textzeile „The blood of an enemy is pouring down the sword whilst the blade thirsting for it dashes deeper in“ zum Nazi-Lied „Wenn’s Judenblut vom Messer spritzt..“. Unserer Meinung handelt es sich dabei jedoch eher um ein martialisches antichristliches Lied. Die finnischen Moonsorrow gehen, wie die meisten Bands aus diesem Spektrum, in bewusst verzerrender und ahistorischer Weise davon aus, die „Wikinger-Vorfahren“ (bei Bands, die aus anderen Ländern kommen: „die Germanen“ oder andere, auf jeden Fall „tapfere Krieger“) seien verraten und ihnen sei der „Glaube der Schwachen“ (das Christentum) auferzwungen worden. In Wortwahl („Judäochristentum“) und Inhalt bietet diese Form der Ablehnung des Christentums und seiner Wurzeln, des Judentums, natürlich ein Einfallstor für antisemitische Inhalte.

Dennoch ist Moonsorrow keine Band, die offen zur Vernichtung von Juden und Jüdinnen aufruft. Andere heidnische Metalbands tun das übrigens mit großem Vergnügen und ohne sich mit Anspielungen aufzuhalten. Sie bilden die offen neonazistische Fraktion des National Socialist Black Metal (NSBM). Dort wird der Nationalsozialismus zum gesellschaftspolitischen Ideal erhoben oder aufgrund seines destruktiven Potentials verherrlicht. Moonsorrow tun dies nicht. Uns sind bislang auch keine Nazi-Kontakte aufgefallen. Das gilt (wie gesagt: bislang) auch für die anderen Gruppen.

Der Band Tyr wirft das BIFFF vor, sie vertrete aufgrund der Aussage „…we take the right to be proud of our culture, but without attacking other culture heritage“ einen Ethnopluralismus. Wir sehen nicht, dass Tyr sich hier eines politischen Konzeptes bedient und Teil der Neuen Rechten sein solle. „Stolz auf die eigene Kultur zu sein“ wird ein Großteil der EuropäerInnen behaupten. Das macht die Sache nicht besser, wir möchten aber doch auf einer Differenzierung jenseits von „Alles Nazis“ beharren.

Dass die Texte vieler heidnischer Bands gewaltverherrlichend sind und sich diese Gewalt größtenteils gegen eine bestimmte Gruppe, die Christen, richtet, ist ebenso wenig zu bestreiten wie die Tatsache, dass aus der Black-Szene heraus schon etliche Gewalttaten verübt worden sind. Dennoch müssen solche Lyrics trotz allem im Kontext des Heavy Metals gesehen werden, in dem – wie in anderen Musikrichtungen auch – aggressive Texte, Gewaltfantasien und männlich konnotiertes Dominanzverhalten schon immer eine Rolle gespielt haben.

Deutliche Kritik haben wir allerdings an Folter Records, dem Veranstalter der Tour in Berlin. Auch hier handelt sich nicht um ein Nazi-Label, dennoch werden über Folter Records nationalistische Bands wie Skyforger herausgebracht und im angegliederten Mailorder werden Produkte extrem rechter Bands wie Burzum oder Graveland vertrieben. Folter Records organisieren auch das „Under The Black Sun“, auf dem regelmäßig rechte bis neonazistische BesucherInnen auftauchen.

Die heidnische Metalszene muss unbedingt deutlich kritisiert werden und das schon seit langem. Auch in Berlin hat es dazu mehrere Versuche gegeben, übrigens auch im SO36. Die Auseinandersetzung krankt nach unserer Erfahrung vor allem daran, dass sich die Black- und Pagan-Metalszene selber nicht über Politik oder Ideologien auseinandersetzen mag und sich dabei regelmäßig auf einen angeblich „unpolitischen“ Standpunkt zurückzieht. Dies gilt für MusikerInnen, VeranstalterInnen und KonsumentInnen gleichermaßen. In Zeiten, wo in fast allen gesellschaftlichen Bereichen das Problem Rechtsextremismus verhandelt wird, weisen Jugend-/Subkulturen genau dies zurück. Wer sie kritisiert, wird in arroganter Manier abgekanzelt oder mit Nazis gleichgesetzt. So lange es aus der Metalszene so wenig eigene Aktivitäten gibt, gegen rechte bis neonazistische Tendenzen vorzugehen, braucht sie sich über Vorwürfe von außen nicht zu beklagen.

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